"Movements, Borders, Rights? Feminist perspectives on global issues in Europe": Abschlusserklärung der Konferenz

Am 24. und 25. Oktober organisierten "Women in Development Europe+" (WIDE+) und die European Women's Lobby (EWL) eine internationale Konferenz in Brüssel um eine feministische Analyse für die politischen Entwicklungen in Europa zu entwickeln. Die Abschlusserklärung der Konferenz fordert eine  re-politisierung feministischer Perspektiven, und die Arbeit and Allianzen um dem Gegenwärtigen "Backlash" entgegen zu wirken. Die vollständige Erklärung findet sich hier (PDF).

In der aktuellen Vielfachkrise muss der Feminismus politischer werden. Das ist die Hauptbotschaft der internationalen Konferenz „Movements, Borders, Rights? Feminist Perspectives on Global Issues in Europe”, die am 24./25. Oktober 2016 in Brüssel stattfand. Die Konferenz wurde von Women In Development Europe+ (WIDE+) und der European Women’s Lobby (EWL) in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung (HBF), der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) und der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) organisiert.

170 Genderaktivist_innen, Expert_innen und Wissenschaftler_innen aus 31 Ländern kamen zusammen, um ihre Analysen der aktuellen Lage zu vertiefen. Drei Dimensionen der europäischen Krise standen im Mittelpunkt: der Rechtsruck, die Migrationsbewegungen sowie Spar- und Handelspolitiken. In allen Debatten waren die Stimmen von Migrant_innen und geflüchteten Frauen zentral.

Alarmierend ist derzeit in Europa der Vormarsch von Autoritarismus, Rechtspopulismus und Rassismus, was meist mit einem starkem Antifeminismus und schrumpfenden Handlungsspielräumen für die kritische Zivilgesellschaft einhergeht. Es ist höchste Zeit, gegen diese Tendenzen vorzugehen. Staaten und Politiken, die autoritären Neoliberalismus, brutale Grenzregime, die Ausgrenzung von „Anderen“, die Dominanz der Sicherheitsagenda und Militarisierung befördern, müssen beim Namen genannt und kritisiert werden. Wir werden Politiker zur Verantwortung ziehen, die durch Waffenhandel wie auch durch Handels- und Investitionspolitiken zu Konflikten und Kriegen beitragen, denen die Migrant_innen und Geflüchteten zu entkommen versuchen.

Auf EU-Ebene muss die Migrations- und Asylgesetzgebung systematisch und koordiniert sicherstellen, dass Asylsuchende ohne bürokratische Hürden und Schikanen registriert und anerkannt werden. Geflüchtete müssen in erster Linie als Rechtssubjekte und nicht als Sicherheitsrisiko betrachtet werden. Entsprechend sollte ihnen erlaubt sein, den Wohnort im Aufnahmeland selbst zu wählen, zu arbeiten und Geld zu verdienen, um ihre Familien zu ernähren. Wir fordern die uneingeschränkte Ratifizierung der Istanbul-Konvention durch die EU und alle europäischen Regierungen. Die in der Konvention enthaltenen geschlechtsspezifischen Regelungen zum Asylverfahren müssen unabhängig vom Rechtsstatus der Frauen umgesetzt werden.

Da die neoliberale Umstrukturierung, Privatisierungen und die desaströse Sparpolitik die europäischen Steuerpolitiken und Staatsausgaben in den letzten Jahren bestimmt haben,  steht zum einen der Sozialabbau im Zentrum feministischer Kritik, zum anderen die Handels- und Investitionspolitik der EU, weil sie nicht nur geschlechterblind ist, sondern favorisiert ein produktivistisches Wachstumsmodell, das in hohem Maße auf nicht anerkannter, un- und unterbezahlter Sorgearbeit von Frauen beruht.

Die Agenda 2030 - der globale Politikrahmen für Entwicklung – hinterfragt nicht, wie Ungleichheiten bei Einkommen, Wohlstand und Macht durch Handels- und Wirtschaftspolitik produziert und reproduziert werden. Deshalb brauchen wir durchsetzbare Standards jenseits der Sustainable Development Goals (SDGs).

Um in der neuen Topographie der globalen Macht und in unseren zunehmend polarisierten Gesellschaften navigieren zu können, müssen wir Solidarität auf translokaler und transregionaler Ebene grenz- und generationsüberschreitend neu erfinden. Wann immer wir Verbindungen zwischen Themen, Politiken, Räumen und Akteur_innen herstellen, sollten unsere Strategien und Forderungen die unterschiedlichen Probleme von Frauen aufgreifen, ob sie aus West- oder Osteuropa oder dem Globalen Süden kommen oder Migrant_innen, Frauen unterschiedlicher Hautfarbe oder LGBTIQ sind. Außerdem müssen wir transsektorale Allianzen mit anderen sozialen Bewegungen schmieden und dabei feministische Forderungen mit auf deren Tagesordnung setzen. Als Feminist_innen gilt es, proaktiver zu werden, eigene Positionen zu artikulieren und inklusive politische und ökonomische Alternativen entwickeln, bei denen Rechte, Gerechtigkeit und Sorge im Zentrum stehen.