We don´t fight for flowers!

Feministischer Zwischenruf

Blumen sind Symbole. Sie kommen nicht immer gut an, sind bisweilen deplatziert. Aber: Feminismus braucht Symbole, gerade heute. Es ist Zeit für Symbolpolitik! Kämpfen wir mit Symbolen und um Symbole.

Teaser Bild Untertitel
We don´t fight for flowers! schon 2016 ein Motto des Frauen*kampftages.

Haben Sie am 8. März Blumen bekommen oder verschenkt? Selbstverständlich? Schon lange nicht mehr? Oder: natürlich nicht!? Reaktionen auf die Frage sind verschieden und auch heute bisweilen eine Frage von Ost und West. Gerade ostdeutsche Frauen*, die vertraut sind mit einer institutionalisierten Geschichte der Blumen-Geste zum 8. März, erklären bisweilen deutlich: Wir kämpfen nicht für Blumen! #WeDon`tFightForFlowers lautete auch 2017 (wieder) das Motto des Frauen*kampftag-Bündnisses in Thüringen. Wer META, die Datenbank der deutschsprachigen Frauenarchive, nach Blumen fragt, findet ebenfalls eine Absage: „Danke für die Blumen, Rechte wären uns lieber!“ Blumen sind Symbole. Sie kommen nicht immer gut an, sind bisweilen deplatziert. Aber: Feminismus braucht Symbole, gerade heute. Es ist Zeit für Symbolpolitik! Kämpfen wir mit Symbolen und um Symbole.

Pinker Plüsch gegen grauen Stein

Auf den International Women´s Marches seit Anfang 2017 tragen viele Frauen einen pussy hat, gestrickt aus pinker Wolle. Grab your pussy hat ´cause winter is coming! Jetzt heißt es warm anziehen. Rund um den 8. März setzen grüne Feminist*innen in Deutschland Denkmälern pussy hats auf, widmeten sie um und setzten so ein Zeichen: Männer haben Denkmäler, Frauen haben Zukunft.

Pinker Plüsch gegen Denkmäler? Das gab es auch schon mal. Denkmäler sind nicht nur männlich, sondern auch kolonial und rassistisch: follow the pink rabbit!

Der pussy hat ist ein Symbol der Wiederaneignung: Trump prahlte mit seinen sexistischen Belästigungen; Frauen* werden reduziert auf Sexualorgane, entweder verfügbar verniedlicht oder – falls sie sich entziehen – mit Hass hässlich gemacht. Aneignung ist Strategie vieler Emanzipationsbewegungen, ob „schwul“ oder „Krüppelbewegungen“. Dennoch wiederholt die Aneignung die Verletzung und es kommt immer darauf an, wer spricht, ob es Selbst- oder Fremdbezeichnung ist.

„Mein Körper gehört mir“ ist ein feministischer Slogan, weil Körper von Frauen* immer schon vergesellschaftet und vereinnahmt sind, im Dienste der Reproduktion stehen, nicht zuletzt der Reproduktion von Nation. Geschichten von Frauen*bewegungen sind deshalb Geschichten der (Wieder)Aneignung und Selbstbestimmung über den eigenen Körper. Beim letzten StreitWert des GWI erinnerte Mithu Sanyal daran, dass Frauenbewegungen (vor allem in den USA) anfangs für das Frauenstimmrecht und gleichzeitig gegen die Abschaffung rassistischen Menschenhandels engagiert waren. Die Etablierung des Mythos des Schwarzen Vergewaltigers sorgte allerdings dafür, dass sich weiße Frauen* damals wie heute (überall) darauf zurückziehen, sich nur um ihre Körper zu kümmern. Where have all the racist pussies gone? Weiße Frauen waren niemals da, wenn es um Rassismus ging, stellt Aretha Schwarzbach-Apithy fest. Und jetzt sind sie da, um sich selbst zu retten.

Ums Ganze, mit Binnendiskussionen

Feminismus geht es nicht um Blumen. Es geht ums Ganze. 2017 werden Frauen* zur symbolischen Klammer für alle Geschlechter, um für Demokratie zu kämpfen. Denn Demokratie ist Geschlechterdemokratie – oder gar nicht. Nach der Trump-Wahl schoben viele „dem“ Feminismus die Schuld zu. Feminismus gehe es nur noch um Nuancen, um verunglückte Komplimente (Brüderle) oder All-Gender-Toiletten. Wer aber immerzu Feuer (Sexismus) ruft, wird nicht mehr ernst genommen, wenn es wirklich brennt (Trump). Kurz: Feminismus habe an Kraft verloren. Plötzlich machte sich das Feuilleton zum Sprachrohr des kleinen weißen Mannes und bringt ihn gegen Feminismus in Stellung.

Wo ist Feminismus, wenn man ihn braucht? Weißer Feminismus war nie da, wenn es um Rassismus ging. Aber Feminismen gegen Rassismus, Behindertenfeindlichkeit oder gegen Homo- und Trans*phobie waren nie weg. Denn sie sind eine Frage des Überlebens. Die Frage, wo denn bitteschön der Feminismus ist, wenn man ihn jetzt so dringend brauchen könne, sagt wenig über die Beschränktheit von Feminismen, sondern mehr über den eigenen Blickwinkel und die eigene Position aus. Kernfragen von Feminismen sind Fragen von Teilhabe: echte Teilhabe fängt an, wo Gewalt endet. Das Kernthema vieler Feminismen lautet deshalb, gewaltfrei zu leben. Keep the Binnendiskussion, meint Katrin Gottschalk. Nur wenn Feminist*innen die feministischen Binnendiskussionen am Laufen halten, laufen sie auch zusammen. Es geht ums Ganze. Ganz oder gar nicht.

Gold und Kreuze, Schiffe und Drohnen

Mit der ersten Amtshandlung des neuen US-Präsidenten wurden per Unterschrift vorm goldenen Vorhang Gelder für die Gesundheitsvorsorge von Frauen* gestrichen. Ein symbolischer Akt mit Folgen für das Leben von Frauen*. Die Antwort aus Europa: am 2. März wurde zur Geber*innen-Konferenz nach Brüssel geladen unter dem Titel „She decides!“ Bündnis 90/Die Grünen forderten die Bundesregierung auf, die Initiative zu unterstützen – doch die hält sich bisher zurück. She Decides – in Deutschland kein Thema.

Frauen entscheiden selbst, ob sie eine ungewollte Schwangerschaft abbrechen. Das ist vermutlich Überzeugung und Erfahrung der meisten Frauen* in Deutschland. Fakt ist:  das Recht auf Abtreibung steht im Strafgesetzbuch, ein Schwangerschaftsabbruch ist verboten, bleibt aber unter bestimmten Bedingungen straffrei. Diese Kriminalisierung hat Folgen: Für das Angebot darf nicht „geworben“ werden,  d.h. z.B. keine Informationen auf einer Praxis-Website. Wie eine Schwangerschaft fachgerecht – auf dem neusten Stand des medizinischen Wissens und für Frauen* am besten – beendet wird, gehört nicht zur medizinischen Grundausbildung von Gynäkolog*innen. Krankenhäuser in christlicher Trägerschaft oder mit religiösen Abteilungschefs, die ihre private Überzeugung zum Maßstab professionellen Handelns machen, machen in den letzten Monaten öfter Schlagzeilen. Aufklärung ist dringend notwendig: Die Verweigerung einer medizinischen Behandlung ist keine Frage des Gewissens.

Während Gesetze erlassen werden, die religiöse Überzeugung, wenn sie als Kopftuch sichtbar wird, als unvereinbar mit dem Staatsdienst z.B. als Lehrerin oder in einer Verwaltung, erklären, fragt niemand, ob eine christliche Überzeugung besser davon abhalten sollte, Arzt werden zu wollen, der Frauen* wirklich helfen will. Krankenhäuser helfen allen Menschen: Das sollte selbstverständlich sein, aber diese Überzeugung wurde in den letzten Monaten des Öfteren erschüttert.

Doch Feminist*innen überlassen den Kampf um Symbole und mit Symbolen nicht den Gegner*innen der Freiheit. Die Organisation Women On Waves schickt ein Schiff um die Welt. Wenn Staaten Frauen daran hindern, ihr Recht wahrzunehmen, dann bringt dieses Schiff sie raus aus nationalen Hoheitsgewässern.  Auf dem offenen Meer gilt: Sie entscheidet. Oder eine Drohne fliegt Abtreibungspillen über nationale Grenzen. Reine Symbolpolitik?

Erfolgreich scheitern

Symbolpolitik hat keinen guten Ruf. Symbolisch ist das Gegenteil von grundlegend. Das Zauberwort heißt vielfach: Wirkung. Doch auch Symbole wirken. Aktionen mit Schiffen und Drohnen schaffen Öffentlichkeit und verweisen auf Hilfsstrukturen dahinter: Women On Web bietet Frauen* Informationen und organisiert Hilfe. Women On Waves vernetzt sich mit Organisationen vor Ort, in Berlin und Polen helfen Aktivist*innen von Ciocia Basia Frauen* aus Polen, damit sie eine ungewollte Schwangerschaft in Deutschland beenden können.

Und auch echte Symbolpolitik ist besser als ihr Ruf. Im politischen System ist es manchmal nötig, „mit symbolischer Politik erfolgreich zu scheitern“ [i].  Gegen Einzahlungen in den Topf von She Decides mag die Entwicklungspolitik einwenden, dass die Topf-Lösung ein Widerspruch ist gegen strukturelle Antworten. Aber als Symbol ist der Topf wichtig! Manchmal muss Politik Problemlösungskompetenz und Handlungsbereitschaft zumindest symbolisch demonstrieren. Und bei unlösbaren Problemen ist es gar die effizienteste Lösung (Brüggemeier).

Gerade auch die Grünen kennen sich aus mit Symbolpolitik: Die Turnschuhe des Außenministers stehen heute im Museum, Grüne haben im Bundestag gestrickt (leider 2017 keine Pussy-Mützen).

Und plötzlich drängt sich beim Blick auf die Denkmäler unter den pussy hats die Frage auf: Sind es zufällig oft Statuen von Bismarck („Politik ist die Kunst des Möglichen“)? Elke Schmitters meinte im Spiegel im Januar: „Die Grünen sind mit Havel gestartet und bei Bismarck gelandet. Irgendwann auf diesem Weg sind wir uns abhandengekommen“. Vielleicht gilt aber im Sinne von Vaclav Havel („...die Kunst des Unmöglichen“) für Feminist*innen: Dare the im_possible! 

Herzen und Körper

Mit Symbolen ist das also so eine Sache. Es geht um Nutzung, Aneignung und Umdeutungen. Und wie ist das nun mit den Blumen? Die Frauenstreiks von 2017 haben Vorläufer. Im Streik von 1912 demonstrierten Arbeiterinnen* gegen den wage gap (der gender pay gap ist leider eine sehr alte Geschichte). Intersektionalität war kein Fremdwort: Frauen*, die schon länger im Land waren, wurden beim Lohn bevorzugt gegenüber neuankommenden Frauen. Auch dagegen wurde mobilisiert. Es ging ums Einkommen, um Lohn und Brot. Doch „hearts starve as well as bodies“. Deshalb lautete der Slogan 1912: Wir kämpfen für Brot und für Rosen! Feminismen sind der Stoff für unsere Köpfe und Herzen. Vielleicht können wir einmal im Jahr auch in unseren Binnendiskussionen mal Blumen sprechen lassen.

 

[i] Brüggemeier, Martin (2004): Von der Kunst, erfolgreich zu scheitern – Wirkungsorientiertes Controlling in öffentlichen  Verwaltungen, in: Kuhlmann, Sabine; Bogumil, Jörg; Wollmann, Hellmut (Hrsg.): Leistungsmessung und -vergleich in Politik und Verwaltung, Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, S. 374-391.