Zeit für Rückschau und Blick nach innen

Frauen im Gespräch

Beim Seminar in Güstrow diskutieren Frauen unterschiedlichen Alters über ihre Prägungen und Erfahrungen.

Seminarbericht: Frauen im Aufbruch - 30 Jahre nach 1989. Foto von Frauen in einem Stuhlkreis
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Frauen unterschiedlichen Alters diskutieren offen über ihre Prägungen, ihre Umbruchserfahrungen und ihre konkreten Ziele. „Es arbeitet in mir und ich fühle mich gestärkt“, bilanziert eine Teilnehmerin.

Für die Berliner Journalistin Simone Schmollack hat das Thema der unterschiedlichen Prägungen und Einstellung zum Feminismus auch 30 Jahre nach der Wende nicht an Spannung verloren. Zwar habe sich der Trend abgeschwächt. Aber immer noch sei das Stereotype präsent, dass über Feminismus im Osten Frauen mit Familie und Arbeit und im Westen die lesbischen Frauen ohne Kind diskutieren. Die langjährige taz-Redakteurin warnt vor der „Mythologisierung der Ostfrauen“. Viele Frauen in der DDR waren ökonomisch unabhängig und für die meisten war es selbstverständlich gewesen, ihrem Beruf nachzugehen – anders als in der alten BRD. Dies habe aber nicht automatisch gesellschaftliche Emanzipation bedeutet. „Nicht alle Ostfrauen waren starke Frauen“, betont die 55-Jährige. Sie freut sich aber darüber, dass die Lebensleistungen der Frauen in der DDR anerkannt werden. Nach ihrer Definition sind alle Feministen, die für die Gleichstellung eintreten, mit der es allen – Frauen und Männern gleichermaßen – besser geht.

 

Simone Schmollack (Bild rechts) ist freiberufliche/frei schaffende Journalistin und Buchautorin. Sie war über zehn Jahre Autorin und Redakteurin der "taz". Ihre Themenschwerpunkte sind Frauen, Familie, Gender, Soziales, Ostdeutschland, Migration/Integration. Hier im Gespräch mit Renate Heusch-Lahl.

„Dies ist hier Luxus für Rückschau und einen Blick nach innen“, freut sich Viola Harder, die am Seminar der Heinrich Böll Stiftung MV im Haus der Kirche in Güstrow teilnimmt. „Es war eine Fiktion, dass Frauen in der DDR gekämpft haben. Nach der Wende sind viele unsichtbar geworden“, resümiert die 60-Jährige. Auch andere Teilnehmerinnen können mit dem Etikett „Ostfrau“ nicht allzu viel anfangen. Dennoch ist auch Wut zu spüren: „Mir wurde mein Studienabschluss 1991 nur teilweise anerkannt und ich musste meine Ausbildung noch um weitere zwei Jahre verlängern bei gleichzeitiger Abstufung auf die Sekundarstufe I. Das hat auch finanzielle Auswirkungen bis hin zu meinem Rentenanspruch“, empört sich die Lehrerin Kerstin Felgner noch heute.

Die Teilnehmerinnen, die auch aus dem Westen Deutschlands angereist und zwischen 20 bis 64 Jahre alt sind, nutzen den Rahmen für eine Reflexion über ihr eigenes Leben. Wie sieht das unabhängige, emanzipierte Leben von Frauen in der heutigen Gesellschaft aus? Spielen Ost und West Biografien für die Sozialisation noch eine Rolle? Wie stark prägt der Feminismus den eigenen Lebensentwurf?  Viele haben sich an ihre Kindheit und die Sozialisation besonders durch die eigene Mutter zurückerinnert. Das Ziel für viele ist eine innere Unabhängigkeit. „Je unabhängiger ich werde, umso mehr muss ich mich um inneren Halt bemühen“, sagt Ulrike Bartel. Denn solch ein Leben bedeute, sich selbst stark zu strukturieren und zu disziplinieren. Aber auch das Leben in einem anderen politischen System hat Spuren hinterlassen. „Für mich war es die Erkenntnis, dass die DDR nicht unendlich war, dass das Postulat der Gleichheit für alle gescheitert war“, erinnert sich die 52-jährige Rostockerin. Zeitgleich sei es ihr persönlicher Umbruch und Aufbruch gewesen. Auch Marit Haferkorn hat diese Zeit als sehr wertvoll erlebt: „Ich bin dankbar, dass es die `Wende´ gab, dass sich diese Starre gelöst hat. Für mich und Andere konnte etwas Neues passieren.“

 

Frauen unterschiedlichen Alters diskutieren offen über ihre Prägungen, ihre Umbruchserfahrungen und ihre konkreten Ziele. „Es arbeitet in mir und ich fühle mich gestärkt“, bilanziert eine Teilnehmerin.

Mit der Trainerin Renate Heusch-Lahl nehmen die Frauen in einem Coaching eine Positionsbestimmung für sich vor. Die Ziele reichen von konkreten Berufswünschen über langgehegte Träume bis hin zum politischen Engagement. Für viele spielen Eigenschaften wie Neugier, Beharrlichkeit, Empathie und Kreativität eine wichtige Rolle. Einige nehmen sich vor, die eigene Sichtbarkeit zu erhöhen. Konkrete Schritte wie Rhetorikkurs besuchen, Vernetzung vorantreiben, strukturierter arbeiten oder sich auf eine bestimmte Stelle bewerben hat jede Teilnehmerin für sich als Aufgaben mit nach Hause genommen. „Je konkreter die Schritte sind, desto besser kann ich sie abprüfen. Und dann habe ich auch Erfolgserlebnisse, die mich weiter motivieren“, sagt Barbara Poneleit, die in Bayern bei Bündnis 90/Die Grünen in der Kommunalpolitik aktiv ist. Für die 20-Jährige Studentin Sophia Ziese hat sich das Wochenende gelohnt: „Es arbeitet in mir und ich fühle mich gestärkt“, findet die Stipendiatin der Heinrich Böll Stiftung.