Das Gesicht des Terrors, die Liese.

Feministischer Zwischenruf

Professionell. Gut frisiert, frisch gefärbt, seriöses Outfit, ein Auftritt als sei sie die Staatsanwältin und nicht die Angeklagte. Beate Zschäpe schafft es immer wieder, die Beobachter*innen ins Stauen zu versetzen. Langsam hatte man sich an den Gedanken gewöhnt, dass diese Frau sich mühelos in zwei Rollen bewegen konnte: Die Mörderbraut und die liebe Liese, die Katzen füttert und mit den Nachbarn tratscht.

Nun kommt eine neue Facette dazu: die Frau, die Kälte ausstrahlt, den Anghörigen ihrer Opfer gelangweilt ins Gesicht schaut und dabei Kaugummi kaut. Die sich angesichts ihrer Anklage nicht klein macht. Das war eine neue Überraschung. Weil Zschäpe hier, zumindest was den Auftritt angeht, wieder mit der typisch weiblichen Rolle bricht.

Heide Oestreich ist Redakteurin der taz, die tageszeitung und betreut dort vor allem die Geschlechter- und Gesellschaftspolitik. 2004 erschien von ihr das Buch "Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam". 2009 wurde sie vom Journalistenverband Berlin Brandenburg für ihre langjährige Berichterstattung über unbewußte Geschlechterklischees mit dem Preis "Der lange Atem" ausgezeichnet.

An Beate Zschäpe lässt sich einiges lernen. Das deutsche Desaster, was die Wahrnehmung der rassistischen Mordserie angeht - die Vorstellungskraft reichte offenbar nicht aus, deutsche Neonazis als systematische Mörder zu betrachten – wiederholt sich mit Zschäpe quasi noch einmal im kleineren Rahmen: Die Frau, Beate Zschäpe, als eiskalte Mörderin? Das ist ebenfalls schwer vorstellbar. Ja, man weiß, dass die Nazi-Frauen integriert sind in das Nazi-Universum: Sie stellen die Hälfte derjenigen, die rechtsextreme Einstellungen haben. Aber bisher galt: Je intensiver und aggressiver das Weltbild umgesetzt wird, desto weniger Frauen sind dabei. So sind in den Kameradschaften zwischen 10 und 33 Prozent Frauen. Und an den Straf- und Gewalttaten waren maximal 10 Prozent Frauen beteiligt, so hat es die Extremismusforscherin Renate Bitzan errechnet. Also Hakenkreuze backen: ja. Aber Mord? Das widerspricht nicht nur unseren Weiblichkeitsklischees, es widerspricht auch dem Frauenbild der meisten Neonazis selbst, die ihre Freundinnen auch lieber beim Kreuzebacken sehen als sie als tendenziell gefährlich wahrzunehmen.

Dabei ist Zschäpe keine Ausnahme. Frauen können genauso grausam sein wie Männer, alle kennen die Experimente mit den vermeintlichen Stromschlägen, die die Proband*innen einer Person verpassen können: Kein Unterschied zwischen Frauen und Männern. Frauen delegieren nur lieber, weil auch sie selbst das Weiblichkeitsklischee von der friedfertigen Frau verinnerlicht haben. Das wissen wir eigentlich schon, aber die Stereotype in unser aller Köpfe verwischen dieses Bild immer wieder. An Beate Zschäpe wird es wieder grausam klar. Es ist so eindrücklich, weil sie auch noch ein zweites Klischee nicht erfüllt: Wenn Frauen aggressiv sind, dann tragen sie hinterher häufig Schuldgefühle mit sich herum. Man erwartete also eine zerknirschte Frau, die vermitteln möchte, dass sie nur entgleist ist und nun in die friedfertige Rolle zurückkehren möchte. Aber auch dieses Bild erfüllt Zschäpe nicht. Und so bleibt uns nichts anderes, als zu lernen: Menschen können auf Campingplätzen Urlaub machen, braungebrannt Urlaubsfotos schießen und dann mit dem Fahrrad zum Morden fahren. Hinterher machen sie einen Zeichentrickfilm daraus. So banal ist das Böse. Und genauso banal ist die böse Frau.