Dem Ball ist egal wer ihn tritt – oder 20ELF in seiner Vielfältigkeit

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Von links nach rechts: Tanja Walther-Ahrens, Claudia Roth, Diana Asak, Nicole Selmer, Ayishat Falode, Monika Staab
Foto: Stephan Röhl Lizenz: CC BY-SA

 

5. Mai 2011
Christina Ertl Shriley

 

Zum Auftakt der Tour Gegnerinnen-Aufklärung war der Saal der Heinrich Böll Stiftung gut gefüllt, um in dem Film „Die schönste Nebensache der Welt“ von Tanja Bubbel an die bisherige Geschichte des Frauenfußballs erinnert, beziehungsweise darüber aufgeklärt zu werden.

Pionierinnen
Es ist immer wieder ernüchternd zu hören, dass der DFB den Damenfußball von 1955 – 1970 verboten hat, da er als athletischer, kraftvoller Sport das „natürliche Vorrecht der Männer“ sei. Und wunderbar zu wissen, dass sich die Pionierinnen und deren Unterstützerinnen diesem Verbot widersetzt haben. Mit Erfolg, denn der Platzrekord bei den Spielen von den „Knäckebäckerinnen“ der Knäckewerke in Burg gegen „Empor Tangermünde“ waren bis zu 1 500 ZuschauerInnen im Stadion und die inoffiziellen Teams gewannen zahlreiche internationale Turniere.

Die 1937 geborene Christa Kleinhans und häufige Torschützin, schwärmt „Das war die schönste Zeit meines Lebens“. Diese freudigen Erinnerungen werden immer wieder gebrochen durch ernüchternde Fernsehausschnitte in denen  sich beispielsweise ein Kommentator überschlägt, wie wunderbar eine Spielerin „den Ball geradezu aus der Luft gehäkelt“ hat. Die Pionierinnen schmunzeln und lachen auch darüber, dass einige Zuschauer sicher zu dem ein oder anderen Match kamen um ihren Busen wackeln zu sehen. Zumindest ließ sich aber der ein oder andere dann auch davon überzeugen, dass sie wirklich guten Fußball spielen. Auch die  ehemalige Deutsche Meisterin und Europameisterin Petra Landers zeigt Humor, als sie grinsend die Europameisterschaftsprämie von 1989 aus der letzten Ecke ihres Küchenschranks herausholt – eine Kaffeservice von Villeroy und Boch.  

Kein Vergnügen ist es jedoch, beim Aufschlagen der Zeitungen letzter Woche – ja, tatsächlich 2011! - in denen Sportdirektor Rudi Völler bei seinem Ärger über den Verlust von seinem Team Luft macht: „Der Schiedsrichter sollte doch besser beim Frauenfußball pfeifen!“

An solchen Beispielen sieht die anwesende FIFA Entwicklungshelferin für den Frauenfussball Monika Staab, dass es noch viel zu tun gibt. Ein Weg davon ist Wissensvermittlung und darum eröffnet sie gemeinsam mit dem Photographen Günther Bauer dessen multimediale Ausstellung „Pionierinnen des deutschen Frauenfussballs“ für die Bauer nicht nur Fußball spielende Frauen, sondern auch Trainerinnen und Trainer und Funktionärinnen und Funktionäre photographiert und interviewt hat.

Im Zentrum stehen Tryptichen in denen neben Portraits und Orten des Erinnerns auch Erinnerungsstücke abgebildet wurden – im Fall Staab zerbrochene Fensterscheiben, als Hinweis auf die Zusatzversicherung, die ihr Vater auf Grund ihrer Ballgewalt beim Spielen auf der Straße abschließen musste. Eine Audiostation und ein Video ergänzen die Photographieren in denen Spielerinnen von ihrer Liebe zum Fußball erzählen. Auch Staab erzählt mit Leidenschaft und wird darum kurzerhand aufs nachfolgende Podium mit Diana Ajaine Asak, Ayishat Falode ,Tanja Walther-Ahrens, Claudia Roth und der fußballbegeisterten Moderatorin Nicole Selmer, geholt.

Diana Ajaine Asak hat in Nigeria als junges Mädchen auf der Straße Fußball gespielt. Als ein Coach sie fragte, ob sie Fussball spielen will, war sie verwundert, da sie ja schon spielte. Sie wusste nichts von einem Team. Von da an spielte sie in vielen Mannschaften. Kurz vor ihrem Sprung in das nigerianische Nationalteam hatte sie einen schweren Autounfall und musste ihre Karriere als Sportlerin beenden. Heute ist sie Trainerin von Mädchen-Teams und promovierte Sportpsychologin und will, auch im Norden Nigerias, unter der Scharia, Mädchen von klein auf dazu motivieren, Fußball zu spielen.  

Sponsoring vs Vermarktung  
Dabei erhält sie Unterstützung von Ayishat Falode. Die  Sportreporterin initiierte, verärgert über die fehlende mediale Unterstützung für das nigerianische Team für die Frauen-WM 1999 in den USA, die Fernsehsendung  „Girls Can Play“ in denen die Spielerinnen portraitiert wurden. Entgegen der Zweifel ihres Vorgesetzten, der Angst hatte, dass sie wertvolle Sendezeit verschwendet, suchte  Falode nach Sponsoren und konnte so das Format weiter führen, und das Team sogar als Reporterin in die USA begleiten.

Trotz bemerkenswerter Erfolge des Nationalteams, ist der Frauen-Fußball noch immer ein marginalisierter Sport in Nigeria. Falode hofft natürlich sehr auf ein gutes Abschneiden des Teams bei der diesjährigen WM, denn es wäre ein äußerst wichtiger Schritt um mehr mediale Präsenz, eine größere Plattform und umfangreichere finanzielle Unterstützung zu bekommen. Ihr Ziel ist es, schon jungen Mädchen, die eine Fußballkarriere anstreben, eine weitere Ausbildung zu ermöglichen. Die meisten arbeiten nebenbei in Supermärkten oder als Friseurinnen und noch dazu gibt es keine Verträge, die die Spielerinnen bei Verletzungen absichern. Das Geld, das dem Team offiziell von der FIFA zusteht, aber selten bei den Frauenteam ankommt, sollte beispielsweise für die Entwicklung von Trainerinnen und Schiedsrichterinnen zu Verfügung stehen. Da es aber leider keine Frauen in höheren Positionen bei den Vereinen gibt, haben die Frauenteams auch keine Stimme, die sie vertritt.

Während die Fußballerinnen in Nigeria um mediale Präsenz kämpfen, sollte in Deutschland, wo nach wie vor viel zu wenig Spiele der Frauen gezeigt werden,  auch die Art der Repräsentation von Frauen im Sport hinterfragt werden. Tanja Walther-Ahrens, ehemalige Spielerin bei Turbine Potsdam, merkt an, dass der Frauenfußball nicht unbedingt in eine Richtung gehen muss, in denen mit unbegreifbaren Summen jongliert wird, Teams zusammengekauft sind und vermarktet werden und es nur noch geringfügig um positive Energien im Sport geht.

Die Frauen sollten selbstbewusst mit dem Marketing umgehen. Walther-Ahrens verweist darauf, dass zum Beispiel beim Basketball Sponsoren Zwecks Zuschauerzahlen verlangten, dass die Frauen in engen Einteilern spielen, und wenn wir uns das Motto der 2011 – „Fußball von seiner schönsten Seite“ – vor Augen führen, weist das in eine Richtung, die der Frauenfußball nicht unbedingt gehen sollte.
Auch die lesbische Geschichte des Frauenfußballs ist noch lang nicht aufgearbeitet und im Männerfußball ist Homosexualität nach wie vor ein Tabu. Der verstörende Kommentar der Bayer 04 Leverkusen Trainerin Doreen Meier in dem vorangegangenen Film „Go Girls Go“ von den Maiden Monster, dass „Mannweiber“ dem Fußball nicht gut getan haben, hinterlasst Fragezeichen und werfen im Publikum und auf dem Podium viele Fragen und Kritik auf.

Wie politisch ist Frauenfußball?
Natürlich soll es vor allem um das Spiel gehen, um spannende Taktiken und Professionalität. Fußballerinnen müssen nicht politisch engagiert sein, aber es ist äußerst legitim, Sport universal als politisches Medium einzusetzen.

Auch für Claudia Roth, die Mitglied im Kuratorium und Umweltbeirat der Frauenfußball-WM und leidenschaftlicher Fan ist, ist Frauenfußballpolitik auch Menschenrechtspolitik, wie zum Beispiel bei dem parallel zur WM stattfindenden Tunier „Discover Football“ in Berlin zu sehen sein wird. Dort treffen Teams aus Afghanistan, Ruanda und Indien aufeinander. Als Entwicklungshelferin für die FIFA für den Frauenfußball setzt Monika Staab vor allem in muslimischen Ländern an, in denen Spielerinnen nach wie vor diskriminiert werden. Und dabei steht bei ihr vor allem eins im Vordergrund: „Fußball ist ein geiler Sport!“

Für alle Podiumsteilnehmerinnen ist Frauenfußball ein Wachstumsbereich, der genutzt werden muss. Weltweit sind die mediale Aufmerksamkeit und der Unterschied der finanziellen Beiträge zwischen den Männer- und Frauenteams unverhältnismäßig. Nach der WM 20ELF sollte es sich
eigentlich kein Verein leisten KEINE Frauenmannschaft zu haben, was in der Gegenwart leider anders aussieht – der SV Frankfurt hat kürzlich aus finanziellen Gründen das Frauenteam aufgegeben.

Das Spiel
Bei dem Tip für das Spiel Deutschland:Nigeria am 30. Juni schlagen sich die Frauen auf die Seite ihres jeweiligen Nationalteams: Roth, Walther-Ahrens und Staab tippen auf einen Sieg für Deutschland – wömöglich 3:1. Falode und Asak geben keine Torbillanz ab, aber versprechen: Das nigerianische Team hat genug Taktiken entwickelt und werden für Deutschland eine harte Nuss sein!Eine sehr harte Nuss – eine sehr sehr harte Nuss...

 

Am gestrigen Abend gab es zumindest schon drei strahlende Siegerinnen, die nach dem Gewinn bei einem Fußball-Quiz die Edition von Tipp Kick und ein signiertes Trikot des Deutschen Nationalteams mit nach Hause nehmen durften.

Bleibt nur zu hoffen, dass wir bei der WM all das sehen, was wir uns bei einer WM erhoffen: Spannung, Emotionen, Tore, viel Freude und Freundinnen beim Public Viewing und um die Spiele herum gerne mehr Offenheit, Kreativität und Fairness und hoffentlich auch vielschichtigere Vermarktung, als beim Männerfußball.
 

  • Die Ankündigung der Veranstaltung: Gegnerinnen-Aufklärung (Berlin)
    Die Teilnehmenden am Podium:
    Tanja Walther-Ahrens, Claudia Roth, Diana Asak, Nicole Selmer, Ayishat Falode, Monika Staab
     
 
 
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Die junge Christina Erlt Shirley ©C. Erlt Shirley

Christina Ertl Shirley

aufgewachsen neben einem Fussballstadion in Wien, ist Autorin und Kuratorin und lebt in Berlin, berichtet über die Auftaktverantstaltung der Reihe Gegnerinnen-Aufklärung on Tour.

 
 

Flickr-Foto-Stream: Gender Kicks 2011 Tour-Auftakt mit Film, Vernissage & Debatte

 
 

Video der Ausstellungseröffnung

PIONIERINNEN DES DEUTSCHEN FRAUENFUSSBALLS - Vernissage in Berlin von Guenther Bauer auf Vimeo.

 
 
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GENDER KICKS 2011