Guerilla Girls for Hillary. DER Tag in London

Feministischer Zwischenruf

Um nicht zu voreilig in den Chor der Trump-Verharmlosung einzustimmen, der queere Zwischenruf als Plädoyer für die Angst vor Rassismus und Neo-Faschismus.

Guerilla Girls
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„The Guerilla Girls asked 383 European museums about diversity. Only ¼ responded.“

DEN Tag verbrachte ich in London und schaute der Stadt interessiert dabei zu, wie sie in ihrer immer gleichbleibenden Hektik das Unfassbare ignorierte: die Wahl eines offen frauenverachtenden, rassistischen, behinderten- und übrigens auch kinderfeindlichen Demagogen zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Wahl eines Menschen, der ohne politischen Sachverstand einen völlig korrumpierten und entfesselten Neoliberalismus repräsentiert und Prekaritätsgefühle für ein radikales Machtstreben brutal ausnutzt. In London war nichts von einem kollektiven Entsetzen zu spüren (vor dem Hintergrund von Brexit leider allzu erwartbar).

Von dem Gleichmut beinahe angesteckt, ließ ich mich treiben und landete dann doch bei einem feministischen Event in der Whitechapel Gallery. Ich hatte vorher schon gelesen, dass die Guerrilla Girls nach 30 Jahren ihre Frage „Do women have to be naked to get into the Met.Museum?“ erneut in die Kunstwelt tragen wollten, nun aber in die europäische. Das Ergebnis ihrer Umfrage, die sie an insgesamt 383 europäische Kunstinstitutionen geschickt hatten, prangt schon außen an der Whitechapel Gallery: Auf einem ihrem grafischen Stil entsprechenden Poster ist zu lesen: „The Guerilla Girls asked 383 European museums about diversity. Only ¼ responded.“

Katrin Köppert ist Queer-Medien-Affekt-Theoretikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der UdK Berlin. Zuvor lehrte sie an der Kunstuniversität Linz. Studium der Gender Studies und Neueren deutschen Literatur an der Humboldt-Universität zu Berlin.

In der Ausstellung dann sezieren sie die Kunstwelt und legen die unveränderte Ignoranz gegenüber Fragen der Partizipation oder der Marktförmigkeit von Kunst offen. Dass sich die Ignoranz in poststrukturalistischen Argumenten verbirgt, ist dabei umso schmerzhafter: Manche der 282 Institutionen, die die Umfrage der Guerilla Girls nicht beantwortet haben oder beantworten wollten, begründeten ihre Absage damit, dass nicht Geschlecht oder ethnische Herkunft eine Rolle bei der Bewertung guter Kunst spielen dürfe. Oder sie gaben an, dass zum Beispiel die Frage danach, wie viele Frauen aus Ländern des Südens in den letzten fünf Jahren eine Soloausstellung bekommen hätten, keine angemessene Methode sei, Erfolg bzw. Gleichberechtigung zu definieren. Achso? Nicht? Sondern? Ist schon klar, dass Zahlen und Statistik nicht der goldene Weg zur Bemessung von Gleichberechtigung sind und sie die westliche Wissens- und Evidenzkultur koproduzieren. Aber sich die Dekonstruktion von Geschlecht zum Ansatz zu machen, um zu erklären, eine hausinterne Auswertung nach Identitätskategorien sei überflüssig, erscheint genauso abenteuerlich.

Und damit bin ich wieder bei der Nicht-Wahl von Hillary Clinton. Ihren Misserfolg damit zu begründen, sie hätte „nur“ Identitätspolitik vertreten und sei nicht auf die strukturellen Problemlagen eingegangen, verstand ich noch als es um Clinton versus Sanders ging. Aber so zu tun, als hätte Trump nicht genauso eine Politik der Identitäten betrieben, entnennt zum wiederholtesten Male, Weißsein als Kategorie, als Identität. Für wen, wenn nicht die weiße Bevölkerung unter dem Tarnmäntelchen der abgehängten Arbeiterklasse hat sich denn Trump eingesetzt?

Weil er Weißsein ins Zentrum seiner Agitation gestellt hat, wurde er gewählt – auch von weißen Frauen und POCs, die sich mit Weißsein und weißer Kultur identifizieren. Und weil Clinton Blacks, Hispanics, Migrants adressierte, wurde sie abqualifiziert. Obama die Präsidentschaft zuzugestehen und seine Öffnung gegenüber Kuba, Palästina, Iran zu erleben, war für das weiße Amerika das Maximale der Gefühle und konnte damit begründet werden, dass er auf Georg W. Bush folgte. Die Authentizitätsbesessenheit nicht zu vergessen. Was bei Obama als authentisch galt, wurde Clinton als Fake unterstellt. Sich als weiße Frau für Afro-Amerikaner*innen einzusetzen: ach was. Nur Show! Oder schlimmer noch: Exotismus, positiver Rassismus. Halten wir uns doch lieber an Trump: da steht ein weißer Mann, der Politik ausschließlich für die weiße Bevölkerung machen möchte und die gebeutelten Herzen fliegen ihm zu. Wunderbar: Willkommen bei Mad Men. Dort stehen die weißen Frauen ja auch Schlange, wenn es darum geht, Don Draper zu bezirzen. Mit Trump als Präsident haben weiße Frauen zum wiederholten Mal gegen das „Gender-Emanzipationsprojekt“ (Dietze 2013) votiert. Damals entschieden sie gegen Clinton, weil sie sich affirmativ auf die Frauenbewegung bezogen hatte. Dieses Mal, weil sie sich für „Race-Emanzipation“ einsetzte. Die vielen Bilder der weinenden weißen Frauen, die augenblicklich die Medien bestimmen, dürfen nicht über den tiefverwurzelten Rassismus hinweg täuschen – und zwar nicht nur in den USA.

So please „Dear White Woman: [Don´t] F**ck[...] This Up“ Again! Bald steht in Österreich die Bundespräsidentenwahl an. Im April will Marine Le Pen Präsidentin in Frankreich werden. In Deutschland haben wir 2017 Bundestagswahl. Wollen wir wirklich weiterhin Steigbügelhalter für den um sich greifenden Neo-Faschismus sein? Oder wollen wir Guerilla Girls sein? „What do you want?“,  um es mit Olivia Pope zu sagen, die in der TV-Serie Scandal den weißen Machthabern zu dienen scheint, dabei aber das White House nach ihren Regeln regiert. Bevor wir allzu schnell dazu übergehen, Trump zu normalisieren, sollten wir einen Moment noch in der Angst vor ihm und seinem zukünftigen Mitarbeiterstab verweilen. Nicht um zu erstarren, sondern um die Zeit auszudehnen, sich gegen ihn und das, was er repräsentiert, zu versammeln (Butler 2016).