Das Balbo-Verbot: Wenn wir über Männer wie über muslimische Frauen reden würden

Feministischer Zwischenruf

Hinter dem Bart werde das Gesicht bis zur Unkenntlichkeit versteckt, er sei Symbol patriarchalischer Unterdrückung und nicht vereinbar mit einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung - einige Bezirke in Berlin-Neukölln seien bereits fast vollständig in der Hand von Gesichtsbehaarten! Wie wäre es, wenn wir über Männer und Bärte so wie über muslimische Frauen und die Burka sprechen würden?

Eine Nahaufnahme vom Bart des italienischen Faschisten Italo Balbo
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Das Kinn des italienischen Faschisten Italo Balbo in Nahaufnahme.

Im Balbo-Streit haben sich die Innenministerinnen der Union auf ein Teilverbot der männlichen Gesichtsbehaarung geeinigt. Träger von Balbo und anderen Bärten soll zukünftig der Zutritt zu Schulen, Gerichten, Universitäten und anderen öffentlichen Einrichtungen verwehrt bleiben. Außerdem sollen Balbo-Träger nicht mehr autofahren dürfen.

„Wir sind uns einig, dass wir ein Gebot auch rechtlich vorschreiben wollen: Gesicht zu zeigen, da wo es für das Zusammenleben unserer Gesellschaft nötig ist“, sagte Bundesinnenministerin Dorkas de Maizière. „Wer bei uns leben will, muss sich an die Regeln unseres Landes halten. Und das bedeutet, dass man immer und überall sehen will, mit wem man es zu tun hat“, sagte sie bei der Vorstellung der gemeinsamen Erklärung.[1] Unterstützung bekam de Maizière von ihrer Berliner Amtskollegin Franziska Henkel: „In einer freiheitlichen Gesellschaft muss und kann jeder sein Gesicht zeigen“, sagte Henkel. Der Balbo passe deshalb nicht in unserer Gesellschaft, sagte Berlins Innensenatorin, die zuvor noch ein vollständiges Balbo-Verbot gefordert hatte.

Fabian Goldmann ist freier Journalist, Politik- und Islamwissenschaftler. Seine Themenschwerpunkte sind u.a. Islamophobie und die Kritik an patriarchalen Männlichkeiten.

Auch Vertreterinnen der Opposition begrüßten die Einigung. Grünen-Chefin Cemile Özdemir schrieb auf Twitter: „Männer rasieren sich ihren #Balbo im befreiten #Manbij, IS-Mörder tragen ihn auf der Flucht. Damit ist alles zum Thema Balbo gesagt – überall.“[2] Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft unterstützte den Vorstoß. Es könne nicht sein, dass „Menschen vor Gesichtsbehaarten zu uns fliehen und wir diskutieren hier allen ernstes über ein Recht auf Balbo“, sagte die Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Renate Wendt gegenüber dem Sender NTV.[3]

Immer mehr Bärtige bei Ikea

Das neue Sicherheitspaket geht zurück auf Pläne, die die Bundesinnenministerin bereits in der vergangenen Woche vorgestellt und damit auf die jüngsten Anschläge in Bayern reagiert hatte. Die beiden männlichen Attentäter von Würzburg und Ansbach hatten bei ihren Taten Balbo getragen. Daraufhin hatte zuerst CDU-Präsidiumsmitglied Jana Spahn ein generelles Verbot des Balbo ins Spiel gebracht. Gegenüber der WELT sagte sie: „Ich will in diesem Land keinem Balbo begegnen müssen. In diesem Sinne bin ich Balbophob.“[4]

Spahn beklagte sich auch, dass sie bei IKEA immer öfter gesichtsbehaarten Männern begegnete: „Ein Verbot des Vollbartes, also von Balbo und Fu Mancho“ bezeichnete sie als „überfällig, auch aus hygienischen Gründen.“ Expertinnen und Männerrechtsaktivisten hatten danach darauf hingewiesen, dass es in Deutschland kaum Träger des vor allem in Italien verbreiteten Balbo gibt. Anders als beim aus Asien stammenden Fu Mancho bedeckt der im 19. Jahrhundert von italienischen Faschisten erfunden Balbo auch das Kinn. In der Diskussion ist aber meist jede Form von männlicher Gesichtsbehaarung gemeint.

Männerwissenschaftlerin Blossom Tibbi geht das Teilverbot nicht weit genug: „Balbo, Fu Mancho oder Vollbart sind Zeichen faschistischer Ideologien“, sagte Tibbi gegenüber der BILD. „Als Patriarchatsexpertin weiß ich, dass viele Bartträger die Gleichstellung von Mann und Frau ablehnen.“ Ein umfassendes Balbo-Verbot bezeichnete sie als „kluge politische Maßnahme gegen Abschottung in Parallelgesellschaften und für die Integration von Gesichtsbehaarungs-Migranten in die Bundesrepublik Deutschland.“[5]

Und der Zentralrat der Ex-Bartträger sagt...

Kritik am Beschluss der Innenministerinnen kam auch vom Zentralrat der Ex-Bartträger. Dessen Vorsitzender Kai Dickmann bezeichnete das Teilverbot des Balbo in der WELT als „einen Kniefall vor dem Patriarchat.“ Seit Jahrhunderten sei männliche Gesichtsbehaarung „Symbol patriarchalischer Unterdrückung“. Er warf „Multikulturalistinnen" vor, zu viel Verständnis gegenüber der „schleichenden Barbisierung“ zu haben. „Barträger sind unmenschlich und terroristisch“, sagte Dickmann. Der Trend zum Balbo sein kein Ausdruck veränderter Schönheitsideale, sondern „ein Symbol des patriarchalischen Herrschaftsanspruchs.“[6] Dickmann beklagte, dass Stadtteile wie Berlin-Neukölln mittlerweile „nahezu vollständig unter Kontrolle von Gesichtsbehaarten“ geraten seien.

Deren ehemalige Bezirksbürgermeisterin Haifa Buschkowski hatte vergangene Woche in der ARD-Talksendung „Hart aber Fair“ für einen Skandal gesorgt. Als der Männerrechtler Arno Hoffmann Buschkowski „barbophobe Stimmungsmache“ vorwarf, rief Buschkowski „wir hatten in der deutschen Geschichte schon genug Barträger“ und verließ wütend das Studio. Träger von Balbo oder anderen Bärten waren nicht eingeladen worden.