Topless oder Kopflos: Femen und die Musliminnen

Demonstration in Moskau
Teaser Bild Untertitel
Demonstration in Moskau

Jetzt ists passiert. Die barbusigen „Sextremistinnen“ von Femen haben die Musliminnen gegen sich aufgebracht. Erstaunlich ist das nicht, denn Differenzierung ist nicht die Stärke der Agitprop-Feministinnen rund um die ukrainische Kerngruppe von Inna Schewtschenko. Die Gruppe macht das Patriarchat in drei Feldern aus, der Diktatur, der Religion und der Sexindustrie. Was aus ukrainischer Perspektive sicher nicht ganz fern liegt. Doch während Auftritte, mit denen etwa Wladimir Putin erschreckt wird (auf der Cebit etwa) mit Sympathie betrachtet werden, hauen sie den groben Keil, den sie auf einen groben Klotz setzen wollen, in Punkto Religion öfter mal in schmerzhaftes Fleisch. Aus Protest gegen die orthodoxe Kirche legten sie 2012 mit der Motorsäge ein Kreuz in Kiew um. Das Kreuz aber wurde 2004 während der "Orangen Revolution" von griechisch-katholischen Ukrainern aus dem Westen des Landes in Gedenken an die Opfer der stalinistischen Repressionen errichtet. Es war ganz anders gemeint – aber die Femen fechten solche Kleinigkeiten nicht an, schließlich ist ja jede Religion irgendwie patriarchal und deshalb kann es nicht falsch sein, das eine oder andere Kreuz umzuhauen.

Man muss sich dann aber auch nicht wundern, wenn sie Gegenwind bekommen. Und den ernten die Pop-Feministinnen gerade zur Genüge. Zuletzt wollten sie Solidarität mit der Tunesierin Amina Tyler zeigen, die ein Protest-Nacktfoto von sich auf Facebook gepostet hatte. Konservative Geistliche hatte daraufhin gefordert, Tyler auspeitschen zu lassen. Klarer Fall für Femen, die sich nun international die jeweils nächstbeste Moschee zum nackten Protest an einem „topless jihad day“ suchten.

Aber Musliminnen reagieren empfindlich auf „weiße“ oder „westliche“ Frauen (auch wenn es in diesem Fall östliche sind), die sie befreien wollen. Es gibt eine lange und ungute rassistische Tradition von Kolonialmächten, die angeblich muslimische Frauen befreien wollen und in Wirklichkeit ihre Gesellschaften versklavten. Auch westliche Feministinnen mussten sich mit dem Vorwurf auseinander setzen, sie wollten die Musliminnen nicht befreien, sondern vielmehr nach ihrem Bilde formen. Sie fragten nicht, was den Musliminnen helfen könne, sondern verordneten ihnen kulturimperialistisch die Freiheit, die sie meinten.

Nun protestieren die Musliminnen. Unter „Muslim Women against Femen“ posten sie auf Facebook ihren Frust darüber, dass Femen zu wissen meine, was muslimische Frauen brauchten. Sie fühlen sich „infantilisiert“ und „bevormundet“, heißt es auf der Seite. Verhüllte Frauen halten Schilder in die Höhe: „Ich brauche nicht gerettet werden“ „Nacktheit befreit mich nicht.“ Eine Muslimin bedankt sich auf youtube sarkastisch dafür, dass sie nun endlich weiß, wie man die Sache der Frauen voranbringt: Nicht in Debatten und Demonstrationen, nein, allein durch das Zeigen der blanken Brüste. Kolumnistin Kübra Gümüsay moniert in der taz, dass der Protest in Berlin vor einer Ahmaddiya-Moschee stattfand, Gebetshaus einer in vielen islamischen Ländern verfolgten Minderheit.

Haben die Femen mal wieder überzogen? Ja. Aber das genau ist ihr Konzept. Man kann durchaus nackt seine Solidarität mit einer nackten Tunesierin zeigen – völlig legitim. Und wo soll man gegen eine patriarchal interpretierte Religion protestieren, wenn nicht vor einer Moschee? Auch die Ahmaddiya sind nicht durch ein fortschrittliches Frauenbild aufgefallen. Die Femen wollten keine Musliminnen retten, sondern mit einer symbolischen Aktion Aufmerksamkeit generieren. Nicht mehr und nicht weniger. Sie fordern auch keine Muslimin auf, sich zu entblößen. Als Zuschauer*in muss man dafür allerdings schon den unbedingten Willen zur Abstraktion beweisen. So, wie das Kreuz in Kiew als Symbol für die Unterdrückung der Kirche fallen musste, obwohl es konkret ganz anders gemeint war, kann auch die konkrete Moschee nichts mit tunesischen Konservativen zu tun haben sondern als Symbol dienen. Ein solcher symbolischer Protest muss möglich sein – auch wenn die Einsatzorte sensibler ausgesucht werden könnten.

Was danach geschah, spricht leider nicht für die Femen: Den Musliminnen, die sich über die Holzhammermethode ärgern, schleudert Inna Schewschenko entgegen: "Wie ihr wisst, haben [...] alle Sklaven bestritten, dass sie Sklaven sind.“ In der Huffington Post schreibt sie, hinter den protestierenden Frauen stünden „bärtige Männer mit Messern“. Im Gegensatz zu einem symbolischen Protest wird hier Klartext geredet – und der klingt tatsächlich nach groben Vorurteilen. Das bringt die Musliminnen zu Recht auf die Palme und zu Recht bricht daran eine Debatte auf. Doch nackt auf eine Religion hinzuweisen, die – ob die muslimischen Feministinnen es hören wollen oder nicht – heute in einer sehr patriarchalischen Weise gelebt wird: das muss möglich sein. Weitermachen!