Frauen als Akteurinnen in Friedensprozessen

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Jana Arloth und Frauke Lisa Seidensticker

Herausgeber_in: Deutsches Institut für Menschenrechte
Erscheinungsort: Berlin
Erscheinungsdatum: März 2011
Seiten: 56
ISBN: 978-3-942315-14-2
Bereitstellungspauschale: kostenlos
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An die Stelle der klarer definierten Polaritäten des Kalten Krieges sind heute hochkomplexe Konfliktsituationen getreten. Die internationale Gemeinschaft begegnet diesen mit einem veränderten Krisenmanagement, das neben dem Schutz der Zivilbevölkerung und der Bereitstellung militärischer Sicherheit auch humanitäre Hilfe, den (Wieder)Aufbau der Infrastruktur, rechtsstaatlicher Strukturen und des Sicherheitssektors umfasst und auf eine soziale, politische und wirtschaftliche Transformation abzielt. Es herrscht Einverständnis darüber, dass vielschichtige Konflikte ein komplexes Management in allen Phasen des Konfliktzyklus erfordern und einer effektiven Koordination aller beteiligten Akteure und aller politischen, zivilen, militärischen, humanitären und strukturellen Maßnahmen bedürfen. Diese umfassenden Ansätze basieren auf einem Sicherheitsbegriff, der anerkennt, dass Stabilität und Sicherheit soziale, wirtschaftliche, politische und militärische Komponenten einschließen. Erst in jüngerer Zeit ist dagegen berücksichtigt worden, dass auch das Verständnis für ethnische, kulturhistorische, kulturelle und religiöse Aspekte in der Konfliktanalyse und -bearbeitung sicherheitspolitisch von enormer Bedeutung ist. Ebenso ist das Bewusstsein für die Rolle, die Gender (1) in dieser Hinsicht spielt, erst im Laufe der 90er Jahre gestiegen.

Die am 31. Oktober 2000 verabschiedete UN - Sicherheitsratsresolution 1325 (SCR 1325) (2) zu „Frauen, Frieden und Sicherheit“ hat dazu beigetragen, dass das Bewusstsein für die Bedeutung einer Genderperspektive (3) in Friedensprozessen gewachsen ist und anerkannt wird, dass Frauen in anderer Weise als Männer von Konflikten betroffen sind. Gender in bewaffneten Konflikten wurde durch SCR 1325 zu einem der wichtigen Themen der UN und der Europäischen Union (EU), da sie als umfassende Resolution zur Rolle von Frauen in friedensschaffenden Aktivitäten dazu beitragen soll, Genderperspektiven in Friedensoperationen zu integrieren.

Die Resolution zielt speziell auf die Erfahrungen und Bedürfnisse von Frauen ab, da diese im Gegensatz zu den Belangen von Männern zum Zeitpunkt ihrer Verabschiedung wenig Berücksichtigung fanden. Die vorliegende Studie kommt zum Ergebnis, dass hier auch weiterhin großer Handlungsbedarf besteht. Allerdings sind die Autorinnen der Auffassung, dass tiefer gehende Lösungen nur unter Einbeziehung beider Geschlechter erreicht werden können. Der Begriff „Gender“ bezieht sich nicht nur auf Frauenfragen, sondern auf das Rollenkonzept beider Geschlechter. Es geht also um die Anerkennung und einen angemessenen Umgang mit den Unterschieden zwischen den Geschlechtern. Das politische Ziel, das mit der Umsetzung der SCR 1325 erreicht werden soll, ist Gerechtigkeit und angemessene Sicherheitspolitik für Männer und Frauen, Jungen und Mädchen. Das Erreichen dieses Ziels bedarf der tief greifenden Veränderung der Wahrnehmung beider Geschlechter. Da Männer eine ebenso wesentliche Rolle wie Frauen spielen, weichen wir in dieser Studie gelegentlich von SCR 1325 und der ausschließlichen Fokussierung auf Frauen ab und gehen auf Genderaspekte, das heißt sowohl auf die Lage von Männern als auch Frauen, ein.

Während die Bedeutung der Resolution als wichtigem Schritt für die Förderung von Menschenrechten von Frauen und ihren Zugang zu Friedensprozessen auf allen Ebenen unumstritten ist, wird ihre bisherige Umsetzung überwiegend als schleppend kritisiert. (4) Der vorliegende Überblick über die Umsetzung von SCR 1325 soll dazu beizutragen, die Wichtigkeit ihrer Umsetzung zu verdeutlichen. Im Rahmen der Studie, die vor allem auf einer Literaturrecherche basiert, ist es jedoch nicht möglich, das breite Spektrum an Themen, die die Resolution aufgreift, abzudecken. Der Beitrag erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Nach einer Einführung in die Thematik im ersten Teil fasst die Studie im zweiten Teil den Kerngehalt der Resolution 1325 zusammen. Zentral ist dann der dritte Teil, in dem gezeigt wird, zu welchem Qualitätssprung die Beachtung des Anliegens der Resolution 1325 und ihrer Umsetzung in Peacebuilding und Peacekeeping Prozessen führt. Aus dieser Übersicht über die Praxis leiten sich die weiteren Herausforderungen der Umsetzung ab, die im vierten Teil erarbeitet werden. Die Studie schließt mit Handlungsempfehlungen, die Bausteine einer umfassenden Strategie der Bundesregierung zur Umsetzung bilden könnten. Entsprechend schenkt der Text Entwicklungen in Deutschland besondere Aufmerksamkeit und diskutiert das Konzept der Vernetzten Sicherheit, soweit es für das Thema Bedeutung hat.

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Fußnoten:
1. Gender kann als das sozial, psychologisch oder gesellschaftlich geprägte Geschlecht definiert werden, das das Handeln von Individuen und sozialen Gruppen entsprechend ihrer Vorstellungen von Geschlechterrollen bestimmen. Unterschiedliche Handlungsoptionen kennzeichnen das Verhältnis zwischen Frauen und Männern,
und weisen auf grundlegende Ungleichheiten hin. Differenzen zwischen Frauen und Männern basieren auf Alter, Status, Herkunft, Ethnizität, Religionszugehörigkeit, ökonomische und politische Position. Diese Faktoren
beeinflussen den Zugang zu Macht und Ressourcen. Die Strukturen sind nicht statisch, sondern wandelbar. Vgl.
Schäfer (2009): S. 3.
2. UN (2000): Resolution 1325 adopted by the Security Council at its 4213th meeting on 31.Oktober 2000,
S/RES/1325, New York.
3. Eine Genderperspektive einzubringen bedeutet, „[…] für jede geplante Maßnahme die Bedeutung zu bewerten, die diese Maßnahme in jedem Bereich und auf allen Ebenen, einschließlich Gesetzgebung, Politik,
Programme, auf Frauen und Männer hat. Es handelt sich um eine Strategie, die Interessen und Erfahrungen von
Frauen ebenso wie von Männern zu einem unverzichtbaren Bestandteil von Planung, Umsetzung, Beobachtung
und Bewertung der Politiken und Programme in allen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Sphären zu machen, sodass Frauen und Männer gleichermaßen profitieren und die Ungleichheit nicht
fortgeschrieben wird. Oberstes Ziel ist es, Geschlechtergerechtigkeit herzustellen.“
Def. des UN Wirtschafts- und Sozialrates, 1997/2 übernommen vom DPKO, vgl. UN DPKO (2010) DPKO/
DFS Guidelines, Integrating A Gender Perspective Into the Work of the UN Military In Peacekeeping Operations.
4. Vgl. z.B. Willett (2010): S. 142; Puechguirbal (2010): S. 184; Zumach (2008): S. 33ff; Naraghi-Anderlini (2008):S. 13ff.


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