Heutige Kriege und Konflikte erfordern neue Lösungen

Mit Mauerfall, Globalisierung und den terroristischen Angriffen des 11. September 2001 haben sich die sicherheitspolitischen Bedingungen weltweit auf vielfältige Weise verändert. Inzwischen sind die Klimakatastrophe, die Welthungerkrise, der weltweite Kampf um Rohstoffe und die globale Finanz- und Wirtschaftskrise als weitere potenzielle Friedensbedrohungen hinzugekommen. Das alles wirkt sich auf Frauen und Männer unterschiedlich aus und wird von diesen in unterschiedlicher Weise mitgestaltet.  Dabei spielt eine wesentliche Rolle, welchen sozialen Gruppen sie angehören und in welcher Region sie leben. Die Trennlinien verlaufen unter anderem zwischen Nord und Süd, arm und reich, Religionen, Ethnien, Klassen und Bildung.

Die Lebensbedingungen einer großen Mehrheit in der Europäischen Union unterscheiden sich immens von denen in den meisten afrikanischen Staaten, auch wenn es hier wie dort Gewinner- und Verliererseiten gibt. Armut und soziale Ungleichheit nehmen im globalen Maßstab zu. Das Ausmaß von Elend und Verarmung ist in den Ländern des Südens und Ostens viel dramatischer als im Westen und Norden. Laut Weltbankbericht von August 2008 muss jeder vierte Mensch auf der Welt von weniger als 1,25 US-Dollar am Tag leben. Über 1,4 Milliarden Menschen zählen damit nach Weltbank-Definition zu den „extrem Armen“. Fast eine Milliarde muss hungern.

Die absolute Zahl der Armen und die zunehmende soziale Polarisierung im Weltmaßstab ist zum einen eine normative bzw. menschenrechtliche Herausforderung. Zum anderen wird globale Armut immer stärker im Kontext politischer Stabilität, von Frieden und Sicherheit thematisiert. Wie viel Ungleichheit kann die Welt „vertragen“? Wann und unter welchen Bedingungen schlägt sie in Instabilität oder Gewalt um?

Diese Fragen werden im Rahmen von UN-Reform, Millenniumsziele und neuen Sicherheitsstrategien offensiv diskutiert. Der Streit um Wege zur Überwindung von Wirtschaftskrise und globaler Armut ist in vollem Gange. Es wäre für die Industriestaaten durchaus möglich, mittels finanzieller Umbau-Anreize Wirtschaftskrise, Klimakatastrophe und Ernährungskrise gleichzeitig anzupacken. Aber in Institutionen wie der Welthandelsorganisation (WTO) oder des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank wird der Königsweg zur Armutsüberwindung immer noch einseitig in unbegrenztem Wachstum gesehen.

Seit dem Ende des Ost-West-Konflikts ist die Welt kaum friedlicher geworden. Im weltweiten „Konfliktbarometer“, herausgegeben vom Heidelberger Institut für internationale Konfliktforschung, wurden für das Jahr 2008 neun Kriege aufgeführt und zwar zwischen Russland und Georgien, in der Türkei, ein Teil davon innerstaatliche Kriege im Sudan (Darfur), Somalia, Sri Lanka, Afghanistan, Pakistan und Irak. Insgesamt zählte das Institut 134 bewaffnete Konflikte, die meisten davon innerhalb eines Staates.

Mit den gewalttätigen Konflikten in Ruanda, Somalia, Liberia und der Demokratischen Republik Kongo, die Millionen Todesopfer gefordert haben, ist das Scheitern von Staatlichkeit zu einem zentralen Thema der Sicherheits-, Friedens- und Entwicklungspolitik geworden. In diesen fragilen Staaten ist das staatliche Gewaltmonopol zusammen¬gebrochen, und es formieren sich dort neue, zum Teil grenzüberschreitende rivalisierende Machtgruppen. Manche rebellieren gegen autokratische Machthaber, die die Grundversorgung der Bevölkerung nicht sicherstellen können. Manche sind international agierende kriminelle Organisationen, die mit Waffen, Rohstoffen, Drogen und/oder Menschen handeln. Es sind in der Regel männliche Protagonisten, die auf beiden Seiten die gewaltsame Konfliktaustragung anführen und in vielen dieser „neuen Kriegen“ KindersoldatInnen einsetzen. Nach heutigen Schätzungen kämpfen 250.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in mehr als 50 bewaffneten Gruppen, meist in Afrika. Fast ein Drittel davon sind Mädchen. Siehe dazu „Gewaltmärkte“.

Die Gründe für gewalttätige Auseinandersetzungen sind vielfältig und regional unterschiedlich: Sie sind zu finden in Staatsversagen, Staatszerfall oder Korruption der Führungseliten, in religiösen und ethnischen Auseinandersetzungen, Sezessionsbewegungen, politischen Neuordnungen, in Armut und Elend, in Streitigkeiten um natürliche Ressourcen. Außerdem spielen politische, geostrategische und ökonomische Interessen sowie die Einmischung von Ländern des Nordens eine wichtige Rolle. So waren etwa Al Kaida und das afghanische Taliban-Regime ein Produkt der gezielten Förderung Bin Ladens und seiner Anhängerschaft durch die USA zu Zeiten der sowjetischen Besetzung Afghanistans. Auch das koloniale Erbe des 19. Jahrhunderts und die willkürliche Aufteilung von afrikanischen Ländern müssen mitbetrachtet werden. In allen Konflikten treffen unterschiedliche Faktoren zusammen, die zu diesen gewaltförmigen Prozessen führen. In den Ursachenanalysen wird dabei regelmäßig ein wesentlicher Aspekt außer Acht gelassen: die geschlechterpolitische Dynamik. Es steht noch aus, diese Dynamiken sowie die unterschiedlichen Formen der Beteiligung von Frauen und Männern zu erforschen. Siehe dazu „Kriegsopfer“.

Wie am internationalen Terrorismus und den Reaktionen darauf unschwer zu erkennen ist, halten sich Konflikte nicht unbedingt an Staatsgrenzen. Für die westlich orientierten Staaten markierten besonders die Anschläge vom 11. September 2001 in den USA, aber auch vom März 2004 in Madrid und vom Juli 2005 in London das Ende einer vermeintlichen Sicherheit innerhalb der eigenen Länder und lösten dort Verunsicherung und Bedrohungsgefühle aus. Die Auswirkungen waren gravierend. In breiten Bevölkerungskreisen wurden Militärinterventionen akzeptiert und Einschränkungen von Menschen- und Bürgerrechten in Kauf genommen. Ethnische, religiöse und kulturelle Unterschiede wurden radikalisiert und auf vielfältige Weise politisch instrumentalisiert. Religiöser und politischer Fundamentalismus breitete sich in den verschiedenen Weltregionen aus, in den Ländern des Nordens machte sich Rassismus und Ausgrenzungspolitik breit, mit häufig gravierenden Folgen für Frauenrechte.  Siehe dazu "In Gottes Namen. Frauen und Fundamentalismus".