Die jüngsten Terroranschläge und die Reaktionen in den westlich orientierten Ländern darauf zeigen den engen Zusammenhang von Kriegslogik und Geschlechterbildern. Die Anschläge vom 11. September 2001 zeugen von extremer Menschenverachtung, die als Ausdrucksform militarisierter Männlichkeit interpretiert werden kann. Sie sind zugleich Ergebnis präziser strategischer Planung und technischer Kenntnisse. Sie zielten offensichtlich darauf ab, die »feindliche« Hegemonialmacht USA symbolisch zu entmännlichen und ihre Verwundbarkeit zu demonstrieren. Der Schock und die Verunsicherung in der westlich orientierten Welt waren so stark, dass die folgende militärische Intervention in Afghanistan weitgehend akzeptiert wurde, auch wenn Kritik laut wurde und sich Widerstand entwickelte.
Internationaler Terror und gesellschaftlich legitimierter Anti-Terror-Kampf können nicht auf eine Stufe gestellt werden. Dennoch ist unverkennbar, dass der »War on Terror«, den US-Präsident Bush proklamierte, ähnliche Züge hegemonialer Männlichkeit trägt wie die terroristischen Anschläge selbst (vgl. Einschub zu hegemonialer Männlichkeit, folgende Seite). Der Feind soll mittels überlegener Waffengewalt bekämpft und sogar vernichtet werden. Hier wie dort werden religiöse Vorstellungen missbraucht. Indem transzendentale Werte für militärische Interessen benutzt werden, wird suggeriert, der Krieg habe religiöse Bedeutung und fände Gottes Billigung.
Die breite Zustimmung zu dieser Angriffspolitik in den USA zeigt, wie schnell gesellschaftliche Verunsicherungen Militarisierungsprozesse nach sich ziehen. Sie sind Ausdruck des Versuchs, die erschütterte Vormachtstellung des eigenen Staates im Rückgriff auf Geschlechterstereotypen wiederherzustellen.
Quelle:
Kimmel, Michael S. (2003): Globalization and its Mal(e)contents. The Gendered Moral and Political Economy of Terrorism. International Sociology. September, Vol 18 (3), S. 603-620
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