Männerversteherinnen

Feministischer Zwischenruf

Kaum droht ein Mini-Quötchen für  Aufsichtsräte in 120 Unternehmen in Deutschland, wittern auch die Medien, so etwa Wirtschaftswoche und Focus, den Untergang des Mannes. Auch die Wochenzeitung "Zeit" schloss sich an, als sie kürzlich "Die Wut der Männer" auf den Titel hob.

Mann udn Frau in Businesskleidung auf einer Rolltreppe, auf dem Weg nach oben.
Teaser Bild Untertitel
Jahrzehntelang haben die Auswahlkriterien für Führungsjobs nicht berücksichtigt, dass Frauen sehr oft für Kinder Verantwortung tragen und deshalb anders arbeiten als Männer.

Geschieht ihnen ein Unrecht? Muss man Mitleid haben mit Männern, die sich so gute Chancen auf den Aufstieg gemacht haben und sich nun von Frauen überholt sehen, denen dank Quote die Wege geebnet werden? Nicht nur selbsternannte Männerrechtler wüten da schon seit geraumer Zeit. Kaum droht ein Mini-Quötchen für  Aufsichtsräte in 120 Unternehmen in Deutschland, wittern aber auch die Medien, so etwa Wirtschaftswoche und Focus, den Untergang des Mannes. Auch die Wochenzeitung "Zeit" schloss sich an, als sie kürzlich "Die Wut der Männer" auf den Titel hob und den "Feinden der Frauenquote" eine Titelgeschichte widmete. Erstaunt stellt sie fest, dass eine Mehrheit der Männer gegen die Quote ist - übt aber dann immerhin noch erzieherischen Druck aus, indem sie deren Argumente von Punkt eins bis sieben zu entkräften sucht.

Wo ein wütender Mann, da eine weibliche Versteherin. So loyal sind die Frauen natürlich immer noch. Einfühlsam wird da von dem Berufsschullehrer berichtet, der fand, er sei jetzt damit "dran", in eine höhere Einkommensgruppe aufzusteigen. Das habe sogar der Direktor bestätigt. Dann kann's ja nicht falsch sein. Trotzdem wurden mehrere seiner Kolleginnen befördert - und er nicht. Der Mann wurde wütend und klagte, das Bewerbungsverfahren wurde wiederholt, er war wieder nicht dabei. Willkürlich seien die Auswahlkriterien verändert worden, wütete er nun weiter und kündigte.

Mehrer Dinge sind auffällig an dieser Geschichte. Zuerst das "dran" sein. Wenn es vorher einen Beförderungsstau bei den Frauen gab, dann könnte es durchaus sein, dass die sogar noch "dranner" waren als der Mann - also noch länger nicht befördert worden waren. Nicht ganz unwahrscheinlich. Dass ein Mann sich für qualifizierter hält als alle Frauen - nun, da gibt es schöne Studien darüber, welches Geschlecht seine Qualifikation stets ziemlich überschätzt. Aber wirklich merkwürdig ist immer, dass die Kolleginnen wie eine Invasion aus dem All wirken. Der Mann war dran, andere Männer waren vielleicht auch dran, aber dann kamen die Frauen und nahmen ihnen die Plätze weg.

Heide Oestreich ist Redakteurin der taz, die tageszeitung und betreut dort vor allem die Geschlechter- und Gesellschaftspolitik. 2004 erschien von ihr das Buch "Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam". 2009 wurde sie vom Journalistenverband Berlin Brandenburg für ihre langjährige Berichterstattung über unbewußte Geschlechterklischees mit dem Preis "Der lange Atem" ausgezeichnet.

Daran ist etwas sehr merkwürdig: Zum einen sind Männer, wenn Frauen endlich auch befördert werden, natürlich seltener "dran" als vorher. Das "dran" sein könnte sich also objektiv nach hinten verschieben, was subjektiv nicht schön ist - aber kein Grund zur Wut. Zum zweiten ist es offenbar kein Problem, wenn Männer an Männern vorbei befördert werden, das gehört zum System. Ein Mann kann einem Mann nicht den Job wegnehmen, aber eine Frau kann es. Weil die Frau da offenbar nicht hingehört. Unlautere Konkurrenz ist. Mit anderen Worten: Diese Wut entsteht, weil Frauen nun etwas beanspruchen, das vorher nur Männer beansprucht haben.

Und dann die Auswahlkriterien. Mutwillig zugunsten der Frauen verändert. Das kann ja sogar sein. Denn Jahrzehntelang haben die Auswahlkriterien für Führungsjobs nicht berücksichtigt, dass Frauen sehr oft für Kinder Verantwortung tragen und deshalb anders arbeiten als Männer. Sie sind vielleicht weniger präsent, sie reisen weniger, können an manchen Fortbildungen unmöglich teilnehmen. Das heißt aber längst nicht, dass sie schlechter sind - nur dass ihre Bewerbung oft ein wenig anders aussieht als die der Männer. Wenn nun Personalchefs anfangen, diese Unterschiede zu berücksichtigen, dann kommen mehr Frauen in den Blick für eine Beförderung als vorher. Und, ja, man hat die Kriterien "zugunsten der Frauen" verändert. Allerdings vor allem deshalb, weil sie Frauen vorher benachteiligten. Deshalb kommt es mittlerweile sogar schon vor, dass Wissenschaftlerinnen befördert werden, obwohl sie weniger Veröffentlichungen haben als ihre männlichen Kollegen - einfach, weil sie zwischendurch zwei Kinder bekommen und versorgt haben. Ist das nun eine Benachteiligung von Männern?

Es ist nicht leicht. Das kann man zugeben. Aber es liegt auch eine schwer erträgliche Anspruchshaltung in dem Denken, dass Männer einfach "dran" sind - und sie dabei gefälligst keine Frau zu stören habe. Der US-Forscher Michael Kimmel nannte das Phänomen "aggrieved entitlement", enttäuschtes Anspruchsdenken. Und die Männer dazu waren bei ihm "Angry White Men". Die traf er zum Beispiel in einer Talkshow, die hieß "A black Woman stole my job". Woher wissen Sie, dass das Ihr Job war? fragte Kimmel seine Mitdiskutanten. Jahrhundertealter Anspruch, wäre die ehrliche Antwort. Wer jahrhundertelang bevorzugt wurde, der kommt jetzt ins Jaulen. Die Klügeren verstehen, was da in Wirklichkeit passiert: Eine winzige (120 Unternehmen! bei dreieinhalb Millionen Unternehmen in Deutschland!) Gruppe Frauen profitiert eine kurze Zeit lang, weil die Hälfte der Menschheit seit Jahrhunderten bevorzugt wird. Die wütenden weißen Männer kann man natürlich bedauern und sich als Männerversteherin profilieren. Muss man aber nicht.