Mann zu verkaufen: Das neue Männermagazin der Zeit

Ein Gemälde des Malers Caspar David Friedrich: Ein Mann blickt über ein Meer an Wolken.
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"Mantel von Jil Sander, Rolli von John Smedley, Stock von Brooks Brothers“

Mann starrt auf Boden. Mann fasst sich ans Kinn. Mann mit Brille. Mann mit Schal. Mann im Schnee. Frau für Mann. Strickpulli für Mann. Mann mit Sacko. Uhr für Mann. Mann mit Tasche…

Ganze 17 Seiten dauert es, bis in „Mann“, dem neuen Männermagazin der ZEIT, einmal ein Mann etwas zu sagen, statt nur zu kaufen hat. Christoph Amend heißt er und seine Anekdote über einen 104-Jährigen, der mit 96 Jahren noch einmal beschloss Winzer zu werden, ist zugleich das Editorial des neuen 8,50 Euro teuren Magazins. „Manchmal muss man im Leben Entscheidungen treffen, um ein glücklicherer Mensch zu werden. Von Männern, die solche Entscheidungen getroffen haben, erzählen wir in ZEITmagazin Mann“, schreibt Amend, bevor er den Leser auf 180 Seiten Entscheidungsfindung entlässt.

Es gehört zum Selbstverständnis eines jeden neuen Magazins alles besser oder zumindest anders machen zu wollen. „Christoph Amend und sein Team haben ein Konzept vorgelegt, das sich deutlich von den übrigen Titeln im Männer-Lifestyle-Segment abhebt“, schreibt der Geschäftsführer der ZEIT Rainer Esser auf der Verlags-Website.

Sieht man einmal davon ab, dass „Mann“ mit demselben Coverboy aufmacht, wie nur ein Monat zuvor der Hauptrivale GQ (Schauspieler Christoph Waltz), fällt tatsächlich auf, dass einiges was man von einem Männermagazin gemeinhin erwartet hier fehlt: Kein „in 6 Wochen zum Sixpack“-Programm wie in Men's Health. Keine Brusstrecken wie im Playboy. Kein „Das perfekte BBQ-Equipement“ wie in Beef. Nicht einmal „Die zehn besten Flirttipps für die Freibadsaison“ hat „ZEITmagazin Mann“ zu bieten.

Meine Mutter, der Metzger und die Strickjacke

Stattdessen philosophiert „ZEIT“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo mit einem Mönch über das Verhältnis der Geschlechter. Der Leser erfährt wie Marcell Jansen mit 29 Jahren vom Fußballprofi zum Hobbykicker wurde. Und Schauspieler Ethan Hawk erzählt von seinen beiden größten Heldinnen. Die eine ist Eleonore Roosevelt, die auch seinen Töchtern als Rollenvorbild diene. Die andere: seine Mutter, die ihm gezeigt habe, „wie man sein Glück im Alter findet“.

Welches Glück die Macher von „Mann“ für ihre Leser vorgesehen haben, erfährt dieser im Großteil der übrigen Seiten. Auf über 100 von 180 Seiten werden meist hochpreisige Produkte präsentiert. Mal sind die Anzeigen als Anzeigen erkennbar, meistens nicht. Auf 24 Seiten werden in großen Schwarz-Weiß-Fotos Männer-Daunenjacken, Männer-Messer und Männer-Kaffeemaschinen vorgestellt. Ein paar Seiten später folgt schon die nächste 14-seitige Produktstrecke, diesmal über Männer-Mäntel. Die Verschmelzung von Journalismus und Modekatalog wird selbst dann konsequent zu Ende geführt, als sieben "richtige Männer" (Handwerker) von ihren Traumberufen erzählen. So erfährt man über Metzger Florian nicht nur, dass er Nierenzapfen am liebsten für sich selbst behält, sondern auch, dass seine Strickjacke von Marc O'Polo stammt.

Nirgends aber gelingt „ZEITMagazin Mann“ die Reduktion von „Männern, die Entscheidungen treffen“ auf ein Testimonial für den nächste Business-Rucksack und luftgefederten Sportwagen so konsequent wie in der Titelgeschichte über Schauspieler Christoph Waltz. Auf den ersten Blick erzählt Chefredakteur Christoph Amend hier, wie jemand, der sich fast schon damit abgefunden hatte, nur Nebenrollen in deutschen Krimis zu spielen, sich plötzlich als zweifacher Oscar-Preisträger wiederfand. Aber mehr noch als die manchmal spannungsarme Geschichte eines erfolgreichen Schauspielers, der noch erfolgreicher wurde, zelebriert das Porträt ein Männerbild, das sich durch die ganze Ausgabe zieht: den Gentleman. Waltz bleibt höflich noch während er einen Fan abblitzen lässt. Waltz steht bei der Bambi-Verleihung selbstverständlich auf, wenn Jordaniens Königin Rania den Saal betritt. Christoph Waltz – der selbstbestimmte und erfolgreiche Gentleman „alter Wiener Schule“, der frei von materiellen Sorgen Zeit hat für das Wesentliche im Leben.

Für all jene, die noch immer nicht verstanden haben, was dieses Wesentliche ist, haben es die Redakteure zur Sicherheit noch mal in die Bildunterschrift geschrieben: „Christoph Waltz hat auch dann noch an sich geglaubt, als es viele in seinem Umfeld nicht mehr taten. Mantel von Jil Sander, Rolli von John Smedley.“

Aalglatt bis zur nächsten Herrenduft

Dass sich viele Artikel im „ZEITMagazin“ lesen, wie die Einleitung zur nächsten Werbeanzeige, ist umso bedauernswerter, als dass sich hinter Geschichten wie jener über Christoph Waltz oder den eingangs erwähnten Wein-Baron tatsächlich sprachlich großartiger und liebevoll recherchierter Journalismus versteckt. Nur laufen die Geschichten inhaltlich dann eben doch so aalglat, konfliktfrei und affirmativ der nächsten Herrenduft-Anzeige entgegen, dass sie auch im Bahn-Magazin nicht aufgefallen wären.

Wirklich innovative Ansätze, gar kritische Auseinandersetzung mit dem Mannsein sucht der Leser in „Mann“ vergeblich. Erwähnenswert ist da selbst noch der Text über Fahrfreude in einem roten Porsche, der sich Aufmerksamkeit bemüht, ist er doch von einer Frau geschrieben.

Versuche, das Thema Männlichkeit zu reflektieren, gibt es lediglich an zwei Stellen: In „Politik und Männlichkeit“ kommt der Politik-Chef der ZEIT Bernd Ulrich kaum über die Feststellung hinaus, dass Politik von Männern gemacht wird. Bei der Beantwortung der Frage, warum das auch heute noch so ist, verlässt er sogleich die kurz angedeutete feministische Analyseebene und kehrt zurück zu konventionellen Feindbildern: Islamisten, Rechtspopulisten, Putinisten. Auch Männer sind im Zweifel eben immer nur die anderen. Der zweite Text stammt von ZEITmagazin-Autor Moritz von Uslar und handelt von der Unsicherheit von Männern auf der Tanzfläche. Daran ist nichts wirklich schlimm. Aber auch nichts interessant.

Fazit: Das Männermagazin eckt nirgends an und animiert zum Konsum. Es postuliert das Bild eines Mannes ohne Geldsorgen, soziale Kämpfe oder Selbstzweifel. Ein Typ Mensch, der sich seiner gesellschaftlichen Rolle so sicher sein kann, dass er im Leben nur noch eine wichtige Entscheidung zu treffen hat: Kaufe ich mir die Uhr von Glashütte oder von Rolex?