Einige unfertige Gedanken über Frauen und Militanz

Feministischer Zwischenruf

Frau* und Mann* muss sie mit der Lupe suchen, in den Bildern und Filmen vom schwarzen Block bei den G20-Protesten. Die Frauen. Steine und Flaschen werfen, so weit erkennbar, Männer. Der Autonome, in unserer Bilderwelt ist das ein Mann.

Foto von fünf Frauen mit Megafonen in der Hand
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Müssen militante Aktionen besonders gut begründet sein müssen, damit sie Frauen anziehen?

Frau* und Mann* muss sie mit der Lupe suchen, in den Bildern und Filmen vom schwarzen Block bei den G20-Protesten. Die Frauen. Steine und Flaschen werfen, so weit erkennbar, Männer. Diese ganzen heroischen Posen im Scheinwerferlicht vor der Regenwand des Wasserwerfers oder vor brennenden Autos: Männer. Der Autonome, in unserer Bilderwelt ist das ein Mann.

Es gibt natürlich autonome Frauen. Allerdings tun die sich mit dem Straßenkämpfertum offenbar etwas schwerer als ihre männlichen Kollegen. So verwundert es nicht, dass die autonomen Verteidiger der Militanz in der Öffentlichkeit Männer waren, die Sprecher der Roten Flora etwa - und das Gesicht des zivilen Ungehorsams eine Frau, Emily Laquer von der Interventionistischen Linken. "Postautonome" nennt der Verfassungsschutz diese Gruppierungen, die sich zwar nicht von der Militanz distanzieren, es aber auch nicht direkt darauf anlegen, vor allem, weil sie bündnisfähig in Richtung gewaltloser Gruppen bleiben wollen.

Ist das symptomatisch? Gepanzerte Männer hier und offenere Frauen dort? Ist der Autonome ein mittelalter (bis alter) weißer Mann, der sich eingekapselt hat in seinen schwarzen Panzer und seine dürftige Ideologie? Dessen einzige Bündnispartner marodierende Jugendliche mit Migrationshintergrund sind? Eine Phalanx verlorener Männer mit altertümlichen Männlichkeitsbild?

Heide Oestreich ist Redakteurin der taz, die tageszeitung und betreut dort vor allem die Geschlechter- und Gesellschaftspolitik. 2004 erschien von ihr das Buch "Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam". 2009 wurde sie vom Journalistenverband Berlin Brandenburg für ihre langjährige Berichterstattung über unbewußte Geschlechterklischees mit dem Preis "Der lange Atem" ausgezeichnet.

Es gab natürlich militante Frauen. Die RAF, die Frauen der Roten Zellen, die schließlich die Rote Zora gründeten. Die Rote Zora griff in den Achtzigern Dr. Müllers Sexshops wegen ihres Frauenbildes an, verschiedene Forschungseinrichtungen der Reproduktionstechnologien oder das Bekleidungsunternehmen Adler, um die Arbeiterinnen in dessen philippinischem Zulieferer bei ihrem Arbeitskampf zu unterstützen.

Wie alle diese Terrororganisationen scheiterte auch die Zora an ihren Widersprüchen und daran, dass sie keineswegs Kristallisationspunkt für den Aufstand der Massen wurde sondern im Gegenteil zunehmend isoliert. Vor allem die autonome Frauenbewegung hatte sich postwendend distanziert - und damit war das gesamte Vorhaben quasi gescheitert - so die Analyse der Zora im Nachhinein. Vor allem aber kam ihnen der Sinn ihrer Aktionen abhanden. Was hilft es, die Frauen im Sexshop arbeitslos zu machen, wenn frau* und mann* damit noch nicht mal eine Debatte lostreten kann, weil sich alle diatanzieren? Militanz droht immer so schnell, zu einem leeren Zeichen zu werden.

Autonome Frauen, das ist auch im Sprachgebrauch weitgehend etwas anderes als autonome Männer. Die autonome Frauenbewegung baute sich vor allem eine Infrastruktur auf. Frauenhäuser, Buchläden, Treffs und Bildungseinrichtungen. Sie übte auch zivilen Ungehorsam, aber vor allem baute sie sich eine Welt. Beide Szenen trafen sich eine Zeit lang im Häuserkampf, da verband sich der Aufbau eigener Räume mit dem militanten Verteidigen derselben.

Und nun? Emily Laquer weist auf die Sufragetten hin: Für deren Militanz sei frau* und mann* heute dankbar. Ziemlich verkürzte These, denn auch deren Unterstützung schwand, als sie in den Untergrund gingen und anfingen, Bomben zu werfen.

Zugleich zeigt sie damit aber auch ziemlich präzise das Problem der heutigen Autonomen auf: Die Sufragetten hatten ein klares Ziel: Das Wahlrecht. Und sie griffen genau die Menschen an, die es ihnen verweigerten. Was genau die Autonomen bezwecken, wenn sie Steine und Flaschen auf Polizisten werfen und am Ende ihr eigenes Viertel in Brand setzen, ist mehr als unklar. Also: je sinnloser die Gewalt, desto männlicher? Ich will keineswegs unterschlagen, dass die Polizei sich verhalten hat, als hätte sie aus ihrer bald 40-jährigen Koexistenz mit gewaltbereiten Autonomen absolut nichts gelernt. Aber das steht bereits in vielen anderen Texten. Hier geht es um die Frage, ob Militanz gerechtfertigt ist, wenn frau* und mann* nichts weiter tun will, als ein Zeichen zu setzen?

Eventuell sogar ein ziemlich sinnentleertes Zeichen?

Womit wir wieder beim Anfang wären. Frauen werden größtenteils immer noch so erzogen, dass sie Aggressionen weniger stark nach außen "explodieren" lassen. Es könnte also schon sein, dass militante Aktionen besonders gut begründet sein müssen, damit sie Frauen anziehen? Einfach, weil sie größere innere Widerstände überwinden müssen bevor sie losschlagen? So dass sie durchaus Scheiben des Parlaments einwerfen, wenn ihnen darin Rechte verweigert werden. Aber eben weinger geneigt sind, sich auf der Schanze mit Polizisten zu prügeln?

Kann es sein, dass frau* und mann* sie deshalb mit der Lupe suchen muss, wenn Militanz sinnlos wird? Oder umgekehrt, dass es ein Zeichen sinentleerter Militanz ist, wenn sich da so gar keine Frauen mehr zeigen?