Trans* und Inter*: Geschlechtsidentitäten in Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft

Transgender Symbol
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Auf der Internationalen Konferenz „Transgender und Intersex in Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft“ kamen erstmals im deutschen Sprachraum verschiedenste Disziplinen und Akteur_innen zu den Themen Transgender und Intersex zusammen. Inhaltlich wurde deutlich: Vor allem im menschenrechtlichen und ethischen Bereich wurden in den letzten zwei Jahren große Fortschritte in Richtung Antidiskriminierung und Selbstbestimmung für Trans* und Inter*Menschen erzielt. Allerdings sollte nun vor allem die Medizin dringend ihren Anspruch auf vermeintlich eindeutige Geschlechtsklassifikation überdenken und geschlechtsverändernde Maßnahmen im Kindesalter mit dem Ziel einer „eindeutigen Geschlechtszuweisung“ dringend einstellen. In jedem Falle sollten die Bedürfnisse von Trans* und Inter*Menschen im Mittelpunkt stehen und eventuell gewünschte Behandlungen von den Betroffenen nach dem Prinzip des informed consent selbst gewählt werden. Im Austausch der Disziplinen und ihrer Forschungsmethoden wurde auch ersichtlich, dass Transgender und Intersex vom Forschungsobjekt zum Subjekt und zu selbst Forschenden werden wollen sowie „Expert_innen in eigener Sache“ sind. Dafür hält die partizipativ orientierte, sogenannte „betroffenenkontrollierte“ Forschung vielversprechende Ansätze bereit.

Auf der Konferenz wurde – unter anderem durch den Vortrag des Biologen Dr. Heinz-Jürgen Voß – deutlich, dass das Geschlecht weder biologisch noch medizinisch eindeutig bestimmt werden kann. Das bisher vertretene binäre Geschlechtermodell männlich – weiblich existiert im Grunde nicht. So gibt es Frauen mit einem Y-Chromosom und Männer, die ein solches nicht aufweisen. Geschlechtsidentitäten in ihrer genetischen, hormonellen, anatomischen, aber auch psychologischen und gesellschaftlichen Ausprägung sind vielfältig. Diese Erkenntnis setzt sich jedoch in einigen Bereichen nur langsam durch. So kritisierte Dr. Ulrike Klöppel, dass „die medizinische Definitionsmacht über die Geschlechtsklassifikation und den Umgang mit Intergeschlechtlichkeit trotz vehementer Proteste von Betroffenen bislang ungebrochen ist“.

Eine wichtige Forderung ist die Entpathologisierung von Trans* und Inter*Menschen. So sagte Michael Wunder, Mitglied des deutschen Ethikrates, „Intersexualität ist keine Krankheit. … Wir alle, die wir in dieser Gesellschaft leben, müssen uns einfach daran gewöhnen, dass es die anderen gibt. Die, die nicht Mann sind und nicht Frau. Die entweder beides sind oder keins von beiden. Die haben eine eigene Geschlechtlichkeit. … Man muss schlicht sagen: die Natur ist so.“ (1)

Die Entpathologisierung ist für Trans*Menschen unter bestimmten Aspekten leider auch ambivalent. Einerseits sollte die Vielfalt geschlechtlicher Identitäten natürlich Anerkennung finden. Die Verfasser_innen der Yogyakarta Prinzipien definieren Geschlechtsidentität zum Beispiel als “each person’s deeply felt internal and individual experience of gender, which may or may not correspond with the sex assigned at birth, including the personal sense of the body (which may involve, if freely chosen, modification of bodily appearance or function by medical, surgical or other means) and other expressions of gender, including dress, speech and mannerisms.”(2)  Andererseits sollte immer bedacht werden, dass Trans*Menschen, die sich geschlechtsverändernde Maßnahmen wünschen und diese für ihr Leben im Identitätsgeschlecht brauchen, auf Grund unseres Gesundheitssystems auf eine Form von medizinischer Indikation angewiesen sind, damit die Krankenkasse die Kosten für die Behandlung trägt. Gefragt sind also diagnostische Ansätze, die die Selbstbestimmungsrechte in den Mittelpunkt stellen.

Die Beiträge von Ins A Kromminga und Del LaGrace Volcano zählten sicher zu den Höhepunkten der Konferenz. Entlang der eigenen Biographie zeigte Ins A Kromminga die Pathologisierungsmechanismen in der Medizin auf. Für die Teilnehmenden wurde nachvollziehbar, wie Inter*Menschen zu Patient_innen gemacht und systematisch entmündigt werden. Gerade der oft lückenhafte oder fehlende Zugang zu den eigenen Behandlungsakten stellt für viele Inter*Menschen eine Belastung dar und verhindert auch in späteren Lebensphasen das Nachvollziehen der an ihrem Körper vorgenommenen Veränderungen. Ins A Kromminga vertrat die Auffassung, dass Inter* nichts in den Naturwissenschaften zu suchen habe. „Inter* sei eine kulturelle Herausforderung unseres derzeitigen Normensystems. Der Umgang mit Inter* in unserer Kultur ist deswegen als Menschenrechtsverletzung und als Vernichtung einer geschlechtlichen Minderheit zu verstehen.“ Für Ins A Kromminga ist ihre_seine Kunst Wegbereiter für neue Räume und Kritik, Aufklärung und Aktivismus zugleich. Auch Del LaGrace Volcano möchte mit seiner_ihrer Kunst „eine alternative Perspektive, die [Inter*Menschen] stärkt“ anbieten und sprach sich dafür aus, die schematische Ausschlachtung von „Hermaphroditen“ durch die Unterhaltungsbranche zu beenden.

Die aktuellsten Entwicklungen im Menschenrechtsbereich stellte Arn Sauer vor. Dass Menschen nicht aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtidentität (SOGI) diskriminiert werden dürfen, wurde nun – nach drei vergeblichen Versuchen – im Juni 2011 auch explizit in einer UN Resolution bekräftigt. Sehr anschaulich wurden die Menschenrechte für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*- und Inter*Menschen (LSBTI) in den Yogyakarta Prinzipien hergeleitet, die die internationalen Menschenrechtsabkommen auf die Lebenssituationen von LSBTI anwenden. Gleichzeitig nahm Arn Sauer auf die Marginalisierung von Trans* und Inter* sowohl in der Ausgestaltung des SOGI-Konzeptes als auch in der internationalen LSBTI-Förderung, inklusive der Forschungsförderung, Bezug. Ein Beispiel erfolgreicher Menschenrechtsarbeit ist das Transrespect versus Transphobia Projekt von Transgender Europe, das betroffenenkontrolliert durchgeführt wird. Zwar ist die Bilanz von bisher 755 erfassten Morden an Trans*Menschen seit 2008 weltweit eine sehr traurige Bilanz. Ermutigend ist jedoch die international partizipative Arbeit der beteiligten trans* Forscher_innen und Aktivist_innen an einem Paradigmenwechsel, der Trans*Menschen weltweit vor Diskriminierung schützen und zu mehr Respekt verhelfen möchte. 

Die Konferenz erfuhr eine große Besucher_innen- und Medienresonanz. Die Beiträge werden voraussichtlich in einem Sammelband veröffentlicht.

Die internationale Konferenz Transgender und Intersex in Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft  fand vom 18. bis 20. Januar 2012 im Deutschen Hygiene-Museum Dresden statt. 20 Künstler_innen, Aktivist_innen, Mediziner_innen und Wissenschaftler_innen aus den verschiedensten Disziplinen trafen zusammen. Die Veranstaltung wurde als Kooperation der TU Dresden, dem British Council, der Heinrich-Böll-Stiftung und Dreilinden durchgeführt. 

Endnoten: (1) Interview im Nachtmagazin vom 19.01.2012, http://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/nm2348.html
(2) http://www.yogyakartaprinciples.org/principles_en.htm

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2011