Das Wahlprogramm der CSU – Politik „ohne neue Regeln aus Brüssel“?

Das Wahlprogramm der CSU – Politik „ohne neue Regeln aus Brüssel“?

CSU: Für ein bürgernahes und demokratisches Europa

Die AutorInnen des CSU-Wahlprogrammes haben sich offensichtlich Gedanken über geschlechterpolitische Forderungen und Formulierungen gemacht. In den 15 Textseiten gibt es vier explizite Bezüge auf Geschlechterverhältnisse und Fragen nach der Realisierbarkeit von Familien- und Lebensentwürfen. Geschlechtergerechte Sprachregelungen liegen dabei zumindest teilweise vor. Im Programm wird eine „moderne Gleichstellungspolitik“ zur „Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit“ gefordert. Allerdings werden diese und andere politische Entwürfe von einem eindeutigen Credo begleitet: „neue Regeln aus Brüssel“ werden abgelehnt. Dies ist geschlechterpolitisch besonders relevant, da die CSU sich hier u.a. explizit auf mögliche „weitere Antidiskriminierungsvorgaben“ der EU bezieht. Als ihre europapolitischen Werte benennt die CSU zudem den Schutz von Ehe und Familie und die Ablehnung von Abtreibung. Außerdem wird hier die Universalität der Menschenrechte angeführt, wobei über spezielle Frauenrechte in diesem Zusammenhang nicht gesprochen wird.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass neben dem allgemeinen Bekenntnis zur Gleichstellung der Geschlechter einige Programmteile Geschlechtersensibilität nur an-, nicht aber zu Ende denken. Beispielsweise wird im Zusammenhang mit der Forderung nach strengeren Kontrollen an den EU-Außengrenzen zwar auf illegale Einwanderung und die notwendige Bekämpfung von Menschenhandel hingewiesen, jedoch keinerlei Aussage gemacht, über ihre Ursachen und Zusammenhänge und über besondere Anforderungen an den Schutz von verschleppten Frauen und Kindern. Auch zur Haltung der CSU zu geschlechtsspezifischer Migration finden sich im Programm keine Hinweise.

Deutlicher wird die CSU im Hinblick auf andere geschlechterpolitische Fragen. Wünschenswert ist für sie ein „Europa der Familien“ „in dem mehr Männer und Frauen sich für ein "Ja" zu Kindern entscheiden“. Dafür sollten die besten Bedingungen geschaffen werden. Allerdings fehlt im Programm eine Erklärung, welche das sein sollten. Als Ziel dieser Maßnahmen wird eine „echte Wahlfreiheit“ für Familien genannt. Das diese zumeist von ökonomischen, (steuer-)rechtlichen und sozialen Bedingungen eingeschränkt wird, wird von der CSU nur insofern aufgegriffen, als dass das CSU-Programm die Wahlfreiheit durch europäische Vorschriften gefährdet sieht. Inwieweit die EU die Wahlfreiheit einschränkt, dazu werden allerdings keine Angaben gemacht. Auch die Daseinsvorsorge soll nach dem Willen der CSU von den Kommunen selbst geregelt werden, ohne europäische Vorgaben oder Steuerung.

Spezifischer ist das Programm im Hinblick auf die wirtschaftliche Benachteiligung von Frauen. Sie kündigt den Kampf gegen ein „auf allen Ebenen bestehendes inakzeptables Lohngefälle“ zwischen Männern und Frauen an. Leider unterbleiben aber auch hier Präzisierung, sowie konkrete Vorschläge für mögliche gleichstellungspolitische Instrumente oder Vorgaben. Auch die Haltung der CSU zu bereits bestehenden Verfahren zur Realisierung von Geschlechtergleichheit – beispielsweise dem Gender Mainstraming, dem Diversity Management oder Quotierungen – äußern sich die AutorInnen des CSU-Programms nicht. Da sie EU-weiten Regelungen prinzipiell kritisch gegenüberstehen, wäre an dieser Stelle eine Darlegung ihrer Position zu diesen Instrumenten aber wichtig.

Allerdings werden andere wirtschaftspolitische Pläne detaillierter beschrieben. Europäische Wirtschaftspolitik soll im Hinblick auf die Landwirtschaft – und dort vor allem für die Landwirte und für die „bäuerlichen Familienbetriebe“ – und im Sinne des Mittelstandes betrieben werden. Dies soll vor allem durch Verwaltungsabbau und Ausnahmeregelungen geschehen. Obwohl die CSU im ihrem Programm selbst auf bestehende Geschlechterdiskriminierung in der Wirtschaft hingewiesen hat, unterlässt sie es an dieser Stelle, diese Erkenntnisse auf die Zustände in der Landwirtschaft und im Mittelstand anzuwenden und den diesbezüglichen Handlungsbedarf zu skizzieren. Dabei müsste berücksichtigt werden, inwieweit beispielsweise die Anerkennung der Arbeitsleistungen aller Beschäftigten in „bäuerlichen Familienbetrieben“ gewährleistet ist oder inwieweit im Mittelstand ein Lohngefälle zwischen Männern und Frauen bekämpft werden kann. Wirtschaftspolitisch fordert die CSU zudem einen niedrigen Mehrwertsteuersatz für arbeitsintensive Dienstleistungen. Das Programm wird hier nicht deutlicher, eine geschlechtersensible Stellungnahme unterbleibt, obwohl arbeitsintensive Dienstleistungen im Bereich der Reinigungs-, und Pflegedienste, sowie Friseurdienste häufig Frauen betreffen.

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