Das Wahlprogramm der FDP - Geschlechterblinder geht´s nimmer?

Das Wahlprogramm der FDP - Geschlechterblinder geht´s nimmer?

→ FDP: Ein Europa der Freiheit für die Welt des 21. Jahrhunderts

Das Wahlprogramm der Freien Demokratischen Partei ist ein Lehrstück in Geschlechterblindheit. In den 51 Textseiten inklusive des Glossars gibt es keine Nennung der Begriffe Frauen/Mädchen, Männer/Jungen oder Geschlecht. Immerhin bemühen sich die AutorInnen des Programms um geschlechtergerechte Sprache, ganz durchhalten können sie diese aber nicht, es finden sich vereinzelt Formulierungen wie „xy nützt dem Bürger“.

Zweimal wird über die Familie gesprochen, einmal in Hinblick auf das Familienrecht und einmal im Hinblick auf „familienfreundliche Gestaltung der Erwerbstätigkeit“. Allerdings macht das Programm keine Aussage dazu, wie in der FDP eine solche Gestaltung verstanden wird. Auch entfallen Analysen dazu, welcher Zusammenhang zwischen Familie, Arbeit und Geschlechterarrangements nach dem Verständnis der FDP besteht. Die einzige Aussage findet sich unter der Überschrift „Soziales Europa“ und drückt aus, dass bei der Schaffung einer familienfreundlichen Arbeitswelt die EU soll als Vergleichsplattform dienen soll, in der im Sinne des Best Practice Politikentwürfe konkurrieren und wobei der beste Entwurf den anderen als Vorbild dienen könne. Aussagen zu Frauenerwerbstätigkeit, zu geschlechtlicher Segregation des Arbeitsmarktes oder zu Lohndiskriminierung von Frauen finden sich nicht. Im Hinblick auf die derzeitige Wirtschaftskrise lehnt die FDP eine „neue Wirtschafts- und Finanzordnung“ ab, sie fordert vielmehr die Reform des bestehenden Finanzsystems. Ob die Partei dabei auch an einen Abbau der bestehenden geschlechtlichen Benachteiligungen in der freien Wirtschaft denkt, dazu finden sich keine Aussagen. Alle Reform- und Konjunkturvorschläge werden ohne geschlechterpolitische Analyse gemacht. Es erfolgt ein Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft und zum Wettbewerb, allerdings ohne jeglichen Hinweis, dass sich die FDP bewusst ist, dass Frauen in diesem Wettbewerb strukturell und systematisch benachteiligt werden. Da die FDP staatliches Eingreifen in die Wirtschaft lediglich in Fällen des Marktversagens befürwortet, darüber hinaus aber ablehnt, ist davon auszugehen, dass sie gleichstellungspolitische Instrumente, wie z.B. Quotierungen für die Wirtschaft, ablehnt.

Zweimal ist im Programm von Kindern die Rede und zwar davon, dass sie frühzeitig Fremdsprachen erlernen sollen. Auch hier fehlen Aussagen zu der Einschätzung der FDP, wie die Erziehung und Bildung von Kindern geschlechtergerecht und chancengleichheitsorientiert gestaltet werden kann und warum manche Kinder mehr Zugangsmöglichkeiten zu Bildung haben als andere. Aussagen zum Recht auf Schwangerschaftsabbrüche und Zugang zu Verhütungsmitteln werden im Programm nicht gemacht.

Es überrascht daher nicht, dass das FDP-Programm keine expliziten Aussagen zu Feminismus und Geschlechterdemokratie macht und nur aus wenigen Programmpunkten FDP-Positionen hierzu abgeleitet werden können. Ausdrücklich wird Kritik an der „Ausweitung der EU- Antidiskriminierungsvorschriften“ geübt. Für die FDP sind diese und besonders ihre „rechtstaatlich problematische Beweislastumkehr“ ein Beispiel für die europäische „Gleichmacherei“ und Bürokratie. Sie führe zu „Unsicherheit und Unaufrichtigkeit“.

Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang die Forderung nach einem „aktiven Eintreten der EU für Menschenrechte“ das an anderer Stelle um die Forderung nach einer bedingungslosen Verbindlichkeit der EU-Grundrechtscharta in allen EU-Mitgliedstaaten ergänzt wird. Da diese auch ein Verbot von Diskriminierung enthält, ist davon auszugehen, dass dies und die geschlechterpolitischen Aussagen der Europäischen Grundrechte Charta dem politischen Willen der FDP entspricht, allerdings auch als ausreichend betrachtet werden.

Es gibt in dem Programm keine Aussagen zu gleichstellungspolitischen Instrumenten, weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene. Gender Mainstreaming, oder der geschlechterpolitischen Reformbedarf der EU selbst werden nicht erwähnt.

Im Programm der FDP wird die Forderung nach einem „umfassenden europäischen Konzept gegen Menschenhandel“ aufgestellt. Allerdings finden sich keine ausdrücklichen Aussagen dazu, wie er europaweit geahndet werden soll. Die Ursachen des Menschenhandels oder sein Zusammenhang mit gewalttätigen Konflikten bleiben unerwähnt. Zum Schutz von Zwangsprostituierten oder ihrer Wahrung vor Abschiebung äußert sich die FDP nicht, auch nicht zu geschlechtsspezifischer Migration. Dies überrascht allerdings nicht, da sich das Programm in seinen Aussagen im Hinblick auf Außen- und Sicherheitspolitik insgesamt nicht auf Migration bezieht, sondern lediglich ein gemeinsames und koordiniertes multilaterales außenpolitisches Handeln fordert.

Im FDP-Programm wird im Zuge der „bedenkenlosen Einführung immer neuer Strafvorschriften und der anlass- und verdachtsunabhängigen Speicherung unseres Kommunikationsverhaltens und zahlreicher weiterer höchstpersönlicher Daten“ u.a. die Speicherung der sexuellen Orientierung kritisiert. Vermutlich geht es der FDP dabei um Datenschutz, da dieser Programmpunkt im Zusammenhang mit der Kritik an der Vorratsdatenspeicherung und Fluggastdatensammlung formuliert ist. Ob die FDP einer geschlechtspezifischen Datensammlung zum Beispiel zur statistischen Erfassung von Diskriminierung und Verbrechen mit homophoben Hintergrund positiv gegenüber steht, geht aus dem Programm nicht hervor.

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