Schöne neue Welt – Von Hosenanzug-Jobs und Minirock-Karrieren

Kommentar

© Kroth

Thesen zum Gespräch "Schöne neue Welt"

Schönheit und ihre Bedeutung für die Karriere von Frauen werden oft überschätzt. Dies hängt mit unserer Mediengesellschaft und mit einer extremen Ökonomisierung des gesamten Medien- und Schönheitsbetriebs zusammen, in dem enorm viel Geld gemacht wird. Das Geld muss durch ständige Stimulierung und Versuche der Manipulation und der Suggestion immer neu und immer wieder verdient werden. Die Nachfrage muss also künstlich angeheizt werden. Hierbei spielen die Medien eine Schlüsselrolle, denn sie produzieren durch die vielfältigen Formate und Sendungen, besonders in den privaten Sendern, einen hohen Verschleiß an „Gesichtern“ und Körpern.

Weibliche Schönheit kann – außer in den Medien, der Mode- oder Schauspielbranche – ein Karrierehindernis sein, zum Beispiel dort, wo Männer dominieren und ein Problem mit ihrer männlichen Identität haben oder dort, wo Frauen Konkurrenz von Mitbewerberinnen fürchten. Denn schöne Frauen wirken auch bedrohlich, und das meint eine Schönheit, die nicht auf glatte Haut und langweilige, aber ebenmäßige Formen abzielt, sondern auf eine Schönheit von innen, die immer auf eine souveräne, starke Person und Persönlichkeit zurück zu führen ist.

Das Setzen auf Aussehen, Schönheit, Sexiness ist legitim. Dieses Verhalten weist jedoch - wenn es zu vordergründig wird - auch auf mangelndes Selbstvertrauen in eigene Fähigkeiten, Leistungen und Kompetenzen hin.

Wichtiger als das Äußere für den Erfolg sind – neben der Qualifikation, Leistungsfähigkeit und -bereitschaft, dem Engagement – auch die Pflege von (Frauen)netzwerken, verschiedene Mentoring-Programme für Frauen, individuelles Verhalten und selbstbewusstes Auftreten. Das heißt mehr als „Hier bin ich, das kann ich“, es heißt Kommunikation und Kontakt. Dazu gehört aber auch die Bereitschaft, sich als „Nummer eins“ zu betrachten, Konkurrenzfähigkeit und eine klare Zielsetzung. Mit Konkurrenzfähigkeit meine ich nicht, andere herabzusetzen, oder aber die so oft zu Unrecht in den Vordergrund geschobene „Stutenbissigkeit“. Mit Konkurrenz meine ich den Willen, seine Vorzüge und sein Können offensiv zu zeigen - nach dem Motto „Klappern gehört zum Geschäft“. Konkurrenz bedeutet aber auch, sich als „die Beste und die Fähigste“ zu behaupten, eine Alpha-Position einzunehmen. Also nicht: „Eigenlob stinkt“, sondern „Eigenlob stimmt!“ Und es gehört auch Mut und Bereitschaft dazu, im richtigen Moment Konflikte einzugehen und auszutragen. Auch solidarisch zu handeln ist wesentlich, d.h. in dem Bestreben, eine „Win-Win-Situation“ herzustellen, sofern das möglich ist.

Für die Karriere wichtig ist außerdem, die sichtbaren und mehr noch die geheimen Codes des Jobs, der Gesellschaftsschicht und gesellschaftlichen Gruppe, in der man sich bewegt (bzw. bewegen und Erfolg haben möchte) zu kennen. Das können Fragen des Stils in Kleider- und sonstigen Selbstpräsentationsfragen sein, des Verhaltens - wohin „man“ geht, wie man auftritt usw. Frauen brauchen eine (selbst)bewusste Vermarktungsstrategie für sich selbst. Und damit sage ich nicht, wer erfolgreich sein will, muss sich den jeweiligen Codes anpassen. Vielmehr müssen Frauen nur wissen, dass und wann Sie diese Codes verletzen und dies (selbst)bewusst tun, wenn sie glauben, Sie können mit spezifischen Qualifikationen und Qualitäten punkten.

Dennoch und gerade für besondere „Außenseiterinnen“ ist das keine Garantie für Erfolg, wie wir an der leidigen Kopftuchdebatte von Musliminnen sehen können. Frauen mit migrantischem Namen bzw. Hintergrund, Frauen, die ein Kopftuch in der Art islamischer Glaubensgemeinschaften tragen, sind dennoch oft draußen vor. Da nützt ihnen auch noch so gutes oder sonst wie gestyltes Aussehen oder sogar spezifische Qualifikationen wenig. Andere Beispiele für Ausschluss sind Frauen mit Behinderungen. Diese haben es zumindest bei dem Versuch schwerer, auf der Karriereleiter nach oben zu kommen. Sie werden als „die anderen“ ausgegrenzt, weil es hier auch um Ängste und die Abwehr von Ängsten vor dem vermeintlich Fremden geht. Ähnliches gilt auch für bekennende Feministinnen, denen in manchen Kreisen per se der Ruf als schwierig, zickig und rechthaberisch vorausgeht – auch eine Form von Abwehr.

Noch ein Satz zu den Feministinnen, die vermeintlich nicht sexy sein wollten. Richtig ist: Feministische Frauen und Frauenbewegung haben in den 70er Jahren viel dafür getan, den Objektstatus und Frauen als Sexobjekte von Männern zu problematisieren und dies auch zu verändern. Aber selbstverständlich wollten auch sie schön, sexy und attraktiv sein, nur anders. Sie haben viel dafür getan, Maßstäbe und Bewertungskriterien zu verändern, aus dem Objektstatus heraus zu kommen, selbst Subjekte des Begehrens und Begehrt-Werdens zu werden. Und sie haben auch Dress- und Verhaltenscodes verändert. Aber auch unter Feministinnen gibt es sie.

Persönliche Randnotiz:
Ich selbst bin ein Beispiel dafür, wie wichtig (Frauen-)Netzwerke und die entsprechende Netzwerkarbeit sind. In meinen unterschiedlichen beruflichen Positionen und meinem ehrenamtlichen Engagement habe ich viel erreicht, weil ich einerseits neben meinen Qualifikationen durchsetzungsfähig und engagiert bin und auch als junge Frau war, große Ziele hatte und habe, andererseits aber immer gemeinsam mit anderen gearbeitet und Projekte voran getrieben habe. Bei aller Erfahrung von (weiblicher wie männlicher) Konkurrenz und Ausgrenzung, die ich natürlich auch gemacht habe, hätte ich viele Erfolge niemals ohne tragfähige und gute Netzwerke und Netzwerkarbeit und solidarisches Zusammenarbeiten errungen.

Gitti Hentschel

Gitti Hentschel ist Kommunikationswissenschaftlerin (M.A.) und Sozialpädagogin. Sie leitet das Gunda-Werner-Institut der Heinrich-Böll-Stiftung zusammen mit Henning von Bargen, davor war sie Geschäftsführerin des ehemaligen Feministischen Instituts der Stiftung. Freiberuflich arbeitet sie als Publizistin und Dozentin unter anderem an der Technischen Universität und der Humboldt Universität in Berlin. Seit 1999 ist sie ehrenamtlich im Vorstand des 4. Berliner Frauenhauses tätig. Sie ist zudem Mitinitiatorin des Frauensicherheitsrats 2003 und Mitglied der FSR-Steuerungsgruppe. Gitti Hentschel ist bzw. war Mitbegründerin der »taz« 1979, anschließend jahrelange taz-Redakteurin und Vorstand des taz-Vereins. Sie war darüber hinaus freiberufliche Journalistin und ehemalige Mitverlegerin der Wochenzeitung »Freitag«, fünf Jahre lang hauptamtliche Frauenbeauftragte der Alice-Salomon-Fachhochschule in Berlin und Bundessprecherin der Hochschulfrauenbeauftragten.