Auslandseinsätze nur mit Geschlechterperspektive

Frieden und Sicherheit für alle Menschen erfordert nachhaltige Konzepte. Eine erfolgreiche Verhinderung von Kriegen und Gewaltkonflikten ist erst möglich, wenn weltweit die Menschenrechte gewahrt und Frauen gleichberechtigt an friedens- und sicherheitspolitischen Planungen und Maßnahmen beteiligt werden.

Gewaltfreie Formen der Konfliktbeilegung zu fördern und Menschenrechtsverletzungen in Konfliktsituationen zu verhindern, ist ein erklärtes Ziel der Aktionsplattform der UN-Frauenkonferenz in Peking. Dafür sollen die Regierungen der unterzeichnenden Nationen sowie internationale und regionale Organisationen Maßnahmen ergreifen, damit geschlechterbezogene Belange bei der Ausarbeitung von Ausbildungsprogrammen auf dem Gebiet des humanitären Völkerrechts berücksichtigt werden und zuständiges Personal über die Menschenrechte aufgeklärt wird. Außerdem soll das an UN-Friedenssicherungseinsätzen und humanitären Hilfsmaßnahmen beteiligte Personal eine solche Ausbildung erhalten, dass Gewalt gegen Frauen verhindert wird.

Auch der UN-Sicherheitsrat teilt die Überzeugung, dass die Integration einer Geschlechterperspektive in die Aus- und Fortbildung für militärisches, also auch polizeiliches Friedenspersonal nötig ist. In Punkt 6 und 7 der Resolution 1325 ersucht er „den Generalsekretär, den Mitgliedsstaaten Leitlinien für die Aus- und Fortbildung sowie Material über den Schutz von Frauen, die Rechte und die besonderen Bedürfnisse von Frauen sowie die Wichtigkeit der Beteiligung von Frauen an Friedenssicherungs- und Friedenskonsolidierungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen und bittet die Mitgliedsstaaten, diese Elemente (...) in ihre einzelstaatlichen Ausbildungsprogramme zur Vorbereitung von Militärpersonal und Zivilpolizisten aufzunehmen, und ersucht den Generalsekretär ferner sicherzustellen, dass Zivilpersonal bei Friedenssicherungseinsätzen eine ähnliche Ausbildung erhält.“ Und er „fordert die Mitgliedsstaaten nachdrücklich auf, ihre freiwillige finanzielle, technische und logistische Unterstützung von Trainingsmaßnahmen zur Sensibilisierung in Geschlechterfragen zu verstärken (...).“

Verschiedene internationale Organisationen haben mittlerweile die Bedeutung von Gender-Aspekten für ihre Arbeit in Krisengebieten erkannt, spezielle Fortbildungsmaßnahmen entwickelt und die Materialien – meist im Internet – veröffentlicht. Ein positives Beispiel ist der vom kanadischen Außen- und Handelsministerium (DFAIT) und dem britischen Entwicklungsministerium (DFID) im Jahr 2000 entwickelte Trainingskurs „Gender and Peace Support Operations“, der auch als Online-Kurs zur Verfügung gestellt wurde. Dieser Kurs richtet sich an ziviles wie militärisches Personal in Friedensmissionen und vermittelt geschlechterbewusste Ansätze sowie Wissen über Menschen- und Frauenrechtsabkommen.

Die UN-Abteilung für Friedensmission (Department of Peacekeeping Operations, DPKO) entwickelte - aufbauend auf diesen Kursmaterialien - das Fortbildungsangebot „Gender and Peacekeeping Operations In-Mission Training“. Dieser Kurs wurde für Beteiligte an UN-Auslandseinsätzen sowie für Militärs und Zivilpolizei auf nationaler Ebene konzipiert. Er wurde in einer Pilotphase getestet und verbessert.

Bei UN-Friedensmissionen wird das Personal mittlerweile vor Ort durch mobile „Mission Training Cells“ geschult, die mit militärischen AusbilderInnen besetzt sind. Bei den Einsätzen in Sierra Leone (UNAMSIL), Eritrea (UNMEE), Osttimor (UNTEAT) und der Demokratischen Republik Kongo (MONUC) war dabei das DKPO-Kursmaterial Teil der Einführung für neue Peacekeeper. Siehe dazu „Gender-Trainings in Osttimor und Eritrea“.

Das Ausbildungs- und Forschungsinstitut der UN (UNITAR) bietet darüber hinaus dreitägige Fortbildungen für ziviles Personal an: ”Training for Civilian Personnel in Peacekeeping Operations on the Special Needs of Women and Children in and after Conflict”. Diese wurden bislang jeweils einmal bei UN-Missionen in Bosnien (UNMIBH), Äthiopien und Eritrea (UNMEE), in der Demokratischen Republik Kongo (MONUC), Kosovo (UNMIK), Osttimor (UNTEAT), Afghanistan (UNAMA), Haiti (MINUSTAH), Burundi (ONUB) und Kambodscha durchgeführt.

Gender-AktivistInnen in den Vereinten Nationen wollen es – zumindest konzeptionell – nicht beim Angebot separater Gender-Trainings belassen, sondern eine Genderperspektive in alle Fortbildungsprogramme integrieren. Sie sehen in der Fortbildung ein wesentliches Instrument des Gender Mainstreaming, um „gender-sensivity“ und „gender expertise“ zu vermitteln, was im Deutschen sinngemäß mit dem Begriff der Genderkompetenz zusammengefasst wird.

Die Vermittlung von Genderkompetenz setzt auf drei Ebenen von Aus- und Fortbildung an: Wollen, Wissen und Können. Erstens muss also die Motivation gestärkt werden, Gleichstellung als Ziel der eigenen Arbeit anzustreben. Dazu bedarf es einer Sensibilisierung für (potenzielle) Diskriminierungsstrukturen. Zweitens muss Wissen über Gender-Aspekte im eigenen Arbeitsbereich vermittelt werden. Drittens müssen die Beteiligten dazu befähigt werden, gleichstellungsorientiert zu handeln.

Die meisten derzeit durchgeführten Fortbildungen sind als separate Gender-Trainings konzipiert und legen den Schwerpunkt auf Sensibilisierung und Wissensvermittlung. Eine nachhaltige Umsetzung von Gender Mainstreaming braucht aber gerade auch die Befähigung zum gleichstellungsorientierten Handeln, unabhängig davon, ob es sich dabei um erste humanitäre Hilfe für die Betroffenen, die Wiederherstellung „öffentlicher Ordnung“ und staatlicher und zivilgesellschaftlicher Strukturen oder langfristige Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit handelt.

Von dem Ziel, eine Geschlechter-Perspektive durchgängig in die Aus- und Fortbildung für militärisches und ziviles Friedenspersonal zu integrieren, ist die Praxis in UN-Mitgliedsstaaten wie Deutschland noch weit entfernt. In ihrem ersten Bericht an den UN-Generalsekretär zur Umsetzung der Resolution 1325 im Jahre 2004 wies die Bundesregierung darauf hin, dass sie der Aufforderung des Sicherheitsrats zur freiwilligen finanziellen Unterstützung von Trainingsmaßnahmen zur Sensibilisierung in Geschlechterfragen nachgekommen sei, indem das Projekt des DPKO zum Thema „Mainstreaming a Gender Perspective in Multidimensional Peace Operations“ im Jahr 2002 mit 60.000 Euro gefördert wurde.

Der erste und auch der zweite Bericht der Bundesregierung zur Verwirklichung der Resolution 1325 aus den Jahren 2004 und 2007 zeigen aber auch, dass die DPKO-Materialien in Deutschland bislang nicht adäquat genutzt werden. Die Bundesregierung setzt sich nach eigenen Angaben zwar für die Durchführung von Gender-Trainings auf internationaler und EU-Ebene ein, dennoch finden diese in Deutschland kaum statt. Die einzig erwähnte Fortbildungsmaßnahme ist das vom Zentrum Innere Führung der Bundeswehr im Jahr 2003 herausgegebene Arbeitspapier „Entscheiden und Verantworten – Konfliktsituationen in Auslandseinsätzen“. Seminarunterlagen sollen dazu beitragen, „die Verhaltenssicherheit der Soldaten und Soldatinnen“ in Krisensituationen bei Auslandseinsätzen zu steigern. Die hier feststellbare und nach außen transportierte Darstellung von Geschlecht als (wenn überhaupt) marginaler Kategorie für Ausbildungsmaßnahmen lässt auf eine äußerst defizitäre Umsetzung sowie auf mangelndes Gender-Bewusstsein der meisten Verantwortlichen schließen.

Dennoch gibt es in Deutschland erste gute Beispiele engagierter Gruppen wie zivik, die sich bemühen, in die regulären Aus- und Fortbildungsangebote ihrer Organisation Gender-Aspekte zu integrieren.. Allerdings sind die von zivik vorgegebenen Kriterien zur Evaluierung von Projekten weiterhin genderblind.