Gender Kicks: Frauen am Ball

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Diskutierten engagiert: Die ehemalige Nationaltrainerin Tina Theune, Moderator Daniel Meuren, ehemalige Nationalspielerin Ana Montenegro, Psychologin Mayerli Vargas und Landtagsabgeordnete Josefine Paul (v.l.n.r.). Foto: Didem Ozan - Bestimmte Rechte vorbehalten

Gegnerinnen-Aufklärung Mexiko-Deutschland unterhielt mit internationalen Gästen und spannender Diskussion

24. Mai 2011
Didem Ozan
von Didem Ozan

Eine sympathische Dokumentation, interessante Gäste und eine spannende Gesprächsrunde im Vorfeld der Frauenweltmeisterschaft 2011 bot die Gegnerinnen-Aufklärung Mexiko-Deutschland. Unter dem Motto „Die Freiheit bricht sich immer Bahn“ wurde in der Leverkusener BayArena das emanzipatorische Potential des Ballsports mit Persönlichkeiten der Frauenfußballwelt diskutiert. Das Event organisierten Heinrich-Böll-Stiftung und DFB-Kulturstiftung.

Schönste Nebensache
Im Medienzentrum mit Blick auf das Stadion brachte die unterhaltsame Dokumentation „Die schönste Nebensache der Welt“ Gäste und Publikum in Stimmung. Der Film von Tanja Bubbel portraitiert die Wegbereiterinnen des deutschen Frauenfußballs. Lebendig werden die Erinnerungen der munteren Pionierinnen, die 1954 bei Fortuna Dortmund ihr Glück versuchten. Die damalige Politik schob dem Frauensport einen Riegel vor: So verbat der Bundestag 1955 den DFB-Vereinen die Gründung von Damenfußballabteilungen und die Überlassung vereinseigener Plätze für deren Spiele. Welchen Weg der Frauenfußball in Ost- und Westdeutschland dann geht, wird ebenso nachgezeichnet wie dessen Rezeption durch die Medien. Im Film zu sehen ist auch die ehemalige Nationalspielerin Petra Landers, die mit der SSG Bergisch Gladbach vier Mal deutsche Meisterin wurde und die inoffizielle Weltmeisterschaft in Taiwan gewann. Als offizielle Gewinnerin der Europameisterschaft 1989 erhielt sie dafür das legendäre Tafelservice des DFB – das sie stolz und verlegen gleichermaßen im Interview präsentiert. Heute ist die deutsche Fußballnationalmannschaft der Frauen neben den USA die erfolgreichste der Welt, zweifache und amtierende Weltmeisterin und siebenfache Europameisterin.

Die Situation in Mexiko
Moderator Daniel Meuren, selbst Sportredakteur der FAZ und Autor, begrüßte im Anschluss an die Doku die beiden mexikanischen Gäste. Die ehemalige mexikanische Nationalspielerin Ana Montenegro und die Psychologin Mayerli Vargas berichteten über die aktuelle Situation in ihrem Land. Mayerli Vargas hat vor drei Jahren das „Street Soccer Mexico“-Projekt für Frauen initiiert und während des „Homeless World Cups“ im letzten Jahr das mexikanische Frauenteam psychologisch betreut. Sie setzt sich für eine stärkere Förderung des Frauensports in Mexiko ein. Der Fußball in Mexiko werde leidenschaftlich, aber immer noch sehr männerdominiert gespielt und verfolgt: „Der Sport hat das Potential, jungen Mädchen aus den Unterschichten eine Perspektive zu verschaffen. Das funktioniert aber in Mexiko aufgrund des dort vorherrschenden Verbandssystems nicht.“ Zwar sei es leichter geworden für junge Frauen, in den Sport einzusteigen. Doch die Vereinsbeiträge seien für die Unterschichten nicht bezahlbar. Zudem müssen die Mädchen gegen Vorurteile in ihren Familien kämpfen. Der Street Soccer, den Mayerli Vargas in einem Projekt betreut hat, wird eher akzeptiert. Trotzdem füllen die „Futbolistas“ Stadien, in Mexiko kicken laut FIFA 1,3 Millionen Spielerinnen (Deutschland: 1,8 Mio.).

Mehr Trainerinnen
Die ehemalige Nationalspielerin Ana Montenegro hat seit dem Ende ihrer aktiven Karriere als Trainerin in verschiedenen Clubs gearbeitet: „Es tut sich was in Mexiko, der Frauenfußball steht dort jedoch noch sehr im Hintergrund.“ Während der Frauenfußball in den 70ern in Deutschland aus dem Abseits geholt wurde, traf er in Mexiko nach dem inoffiziellen WM-Sieg 1971 auf einen erbitterten Widerstand von Männern, die ihn boykottierten und versuchten zu stoppen. Auch sollten laut Montenegro mehr weibliche Trainerinnen eine Chance bekommen. „Nationaltrainer Leonardo Cuéllar leistet sehr gute Arbeit. Aber wenn die Profispielerinnen von einer Spitzenfrau trainiert würden, wäre das ein starkes Signal. Es würde zeigen, dass die Leistungen der Frauen respektiert werden und dass wir auch mit der gesellschaftlichen Emanzipation weiterkommen.“ Stars wie die Rekordtorschützin Maribel Dominguez werden verehrt, aber die Profifußballerinnen können nicht von dem Sport leben. „Aber da müssen wir hinkommen“, fordert die ehemalige mexikanische Profispielerin.

Leistungen des DFB
Der deutsche Frauenfußball ist einige Ligen weiter, weiß Tina Theune. Die ehemalige Nationaltrainerin hat das Frauenteam des Deutschen Fußball Bundes von 1996 bis 2005 betreut. Seit 2005 bildet sie Trainerinnen und Trainier fort, koordiniert die Talentförderung und ist Leiterin der FIFA-Arbeitsgruppe zur technischen Entwicklung im Welt-Frauenfußball. „Wir wären nicht weitergekommen, wenn wir nicht auch engagierte Männer an unserer Seite gehabt hätten, die auf Augenhöhe mit uns gearbeitet haben. Gerade in den Entwicklungsjahren haben engagierte Trainer uns geholfen.“ In diesem Bereich seien die Leistungen des DFB beispielhaft. Was für einen Einfluss darf oder kann die Politik auf die Entwicklung des Frauensports haben? Die grüne Landtagsabgeordnete Josefine Paul, die selbst seit fünfzehn Jahren beim DJK SV Borussia 07 Münster spielt, drückt das klar aus: „Bei den Trainerinnen und bei den Spielerinnen sind wir auf einem sehr guten Weg, aber verbandspolitisch ist in Sachen Gleichstellung Einiges zu verbessern.“ Dort gilt für die sportpolitische Sprecherin der grünen Fraktion im NRW-Landtag dasselbe wie für die Wirtschaft: Mehr Frauen in Führungspositionen. „Momentan wird nur ein einziger Vorstandsplatz der DFB von einer Frau besetzt. Hannelore Ratzeburg ist Vizepräsidentin für Frauen- und Mädchenfußball. Dies ist ein eigens für eine Frau geschaffener Platz.“

Rolle der Medien
Die Ausrichtung der Weltmeisterschaft in Deutschland kann nach Meinung der 29-jährigen Politikerin Wirkung auf die Sichtbarkeit der Frauen in Führung haben. Vorausgesetzt, das Sportereignis wird von den Medien stärker wahrgenommen: „Zwar wurde die U20-WM hier von Privatsendern ausgestrahlt, aber in der Sportschau können wir von Glück sprechen, wenn ein Zwei-Minuten-Einspieler von einem bedeutenden Spiel gezeigt wird.“ Die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern zeige sich auch im Slogan der aktuellen WM „2011 von seiner schönsten Seite“. Die anderen Gäste stimmten dem mit Nachdruck zu.
Warum muss der Frauensport mit einem ästhetischen Attribut versehen werden? „Auch ich ärgere mich“, so Tina Theune, „wenn ich von ´beautiful goals´ höre, von ´schönem Fußball´. Wo ist da die Anerkennung für die Spitzenleistungen, für die besten Fußballerinnen der Welt? Die Männer hatten in der 2006er WM die ´Welt zu Gast bei Freunden´, waren internationale Gastgeber.“ Auch Ana Montenegro sprach sich gegen die Etikettierung des weiblichen Fußballs mit einem ästhetischem Mehrwert aus: „Fußball wird nicht durch schöne Körper, sondern durch ausgereifte Spieltechniken attraktiv. Wichtig ist, dass starke Frauen ein starkes Spiel machen.“

Sport und Leben
Festgefahrene Vorurteile zeigen sich auch in der absoluten Tabuisierung gleichgeschlechtlicher Outings im Profifußball. „Wenn junge Frauen im Fußball einen Weg finden, das eigene Leben frei zu leben“, so Josefine Paul, „gehört dazu auch, dass sie ihr Leben ihren Neigungen entsprechend gestalten und einen Teil ihrer Persönlichkeit nicht verstecken müssen.“ Die WM sei eine gute Chance, das in der Öffentlichkeit zu thematisieren.
So kann sich der emanzipatorische Kick des Spiels entfalten, der für Mayerli Vargas nicht nur im Profibereich, sondern auch im Breitensport liegt: „Frauen in dieser männerdominierten Sportart entwickeln eine einmalige Energie, sie zeigen, dass sie was können und sie wollen auch so wahrgenommen werden.“ Was rät Ana Montenegro jungen Frauen, die sich für diesen Sport interessieren? „Eine Frau, die diesen Weg gehen will, muss sich durchkämpfen. Es ist schwierig, weil es noch nicht so viele Vorbilder gibt. Aber wenn sie mit Leidenschaft spielt, lohnt es sich.“

 
 
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Didem Ozan - ©privat/alle Rechte vorbehalten

Didem Ozan

hat ihr journalistisches Ballgefühl bei der taz münster und dem Sender Freies Berlin entdeckt und arbeitet seit über zehn Jahren als freie Autorin für regionale Medien in Münster und Umgebung. Die promovierte Sprach- und Kulturwissenschaftlerin geht für die Chancengleichheit der Geschlechter gerne in die Offensive und in der Halbzeit auch mal selbst auf den Bolzplatz.

 
 
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GENDER KICKS 2011