Veranstaltungsbericht: „Die antifeministische Männerrechtsbewegung“ in Köln (03.02.2012)

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Podiumsteilnehmer_innen v.l.n.r.: Hinrich Rosenbrock, Thomas Gesterkamp, Ilse Lenz, Verena Schäffer, Isolde Aigner. Foto: GWI - Lizent: CC-BY-NC-ND

 

Marie Friese

 

Von Marie Friese

„Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Antifeministische Männerrechtler und Männerrechtlerinnen, liebe Freunde“, begrüßte Ilse Lenz, Soziologieprofessorin an der Ruhr-Universität Bochum, die Teilnehmenden zur Vorstellung und Diskussion der Expertise „Die antifeministische Männerrechtsbewegung. Denkweisen, Netzwerke und Online- Mobilisierung“ am 03.02. in Köln. Die von Hinrich Rosenbrock erarbeitete Expertise löste schon im Vorfeld ein reges Interesse in den Medien aus und sorgte auch in den Foren der Männerrechtler_innen für Gesprächsstoff. Es war also mit einer angeregten und kontroversen Diskussion während der dreistündigen Veranstaltung zu rechnen. Mit Spannung wurden ebenfalls die anwesenden Männerrechtler_innen und ihre Gegenargumente zu den Ergebnissen der Expertise erwartet.

Auf Spurensuche nach Männerrechtler_innen: Wer sind sie und woher kommen sie?

Von Anfang an wurde klar gestellt, dass es, genauso wenig, wie es „die Frauen“ geben kann, die hinter „der Frauenbewegung“ stehen, es eine homogene Einheit von Männern gibt, welche die antifeministische Männerrechtsbewegung ausmacht. Antifeministische Männerrechtler sind in verschiedenen politischen Strömungen wiederzufinden, so Rosenbrock. Was sie verbindet sind die antifeministischen Denkweisen und der Glaube an die Benachteiligung des Mannes durch Feminismus, Gleichstellungsförderung der Geschlechter und geschlechterdemokratische Prozesse. Auch wenn nicht alle Männerrechtler_innen als radikal eingestuft werden können, fand die Expertise heraus, dass viele Argumentationsweisen und Kommunikationsstrategien eine deutliche Verbindung zum Rechtspopulismus ziehen lassen - eine Schnittmenge die Männerrechtler_innen im öffentlichen Diskurs gerne von sich weisen.

Hiermit wurde deutlich, warum die Expertise, wie auch eine öffentliche Diskussion über die antifeministische Männerrechtsbewegung unabdingbar ist, denn obwohl es nur „ein paar hundert Männer und einige Frauen“ sind, aus denen die Männerrechtler_innen sich bis dato zusammensetzen, so besteht die Gefahr von Anschlussfähigkeit für Teile der Mitte der Gesellschaft. Es sei in diesem Zusammenhand auch auf die Studie von Heitmeyer „Deutsche Zustände“ und von Decker und Brähler „Mitte in der Krise“ verwiesen, erläutert Wolfang Faller von der Heinrich-Böll-Stiftung Rheinland-Pfalz. Eine Zunahme von antifeministischen und teilweise rechtspopulistischen Einstellungen, die auf dem Nährboden der Verunsicherung und Unzufriedenheit der Gesellschaft wachsen, bringen die Gefahr einer Umsetzung in menschenverachtende Handlungen mit sich.

Männer als Opfer der Gleichstellungspolitik

Auf den ersten Blick mag es so scheinen, als ob Männerrechtler_innen das fordern, wofür Frauen kämpften und noch immer kämpfen: geschützte Räume, eine Wahrnehmung in der Öffentlichkeit für Diskriminierungen aufgrund ihres Geschlechtes und Förderungen um dieser entgegenzuwirken. – Abgesehen davon, dass die Gesellschaft nun einmal so strukturiert ist, dass es z.B. in vielen Teilen der Gesellschaft bereits Räume gibt, in denen Männer unter sich sind und Frauen der Zutritt verwehrt wird, würden die meisten geschlechterdemokratisch eingestellten Teilnehmenden der Veranstaltung sicher zustimmen, dass auch Männer zu bestimmten Themen, in manchen Lebenslagen oder aufgrund weiterer Identitätskategorien, wie Herkunft oder sexuelle Identität, eine Unterstützung gewährleistet werden sollte. Auch Thomas Gesterkamp, Herausgeber der Expertise „Geschlechterkampf von rechts“ stimmt dieser Forderung zu:„ Es gibt viele berechtigte Anliegen von Männerpolitik, die ernst genommen werden müssen und auch Frauenpolitik muss männerpolitische Anliegen anerkennen- im Sinne eines Geschlechterdialogs.“ Zum Thema Männerpolitik sei z.B. das Bundesforum Männer erwähnt, welches einen (profeministischen) Interessenverband für Jungen, Männer und Väter darstellt und eine Plattform für die von ihnen für relevant befundenen Themen bietet.

Doch Männerrechtler_innen gehen in ihrer Argumentationsweise weiter: sie wollen nicht nur Förderung von „Männern“, sondern jegliche Frauenförderung und Schutzräume für Frauen zerstören/auflösen. Eine Meldung eines Männerrechtlers aus dem Publikum macht dies deutlich: Frauenhäuser werden von ihm als Luxusherbergen für Frauen betitelt, die dem Zweck dienen, den Männern dort den Kontakt zu ihren Kindern zu entziehen und den Väter ihre Kinder zu entfremden. Verena Schäffer, Landtagsabgeordnete der Grünen Nordrhein-Westfalen klärt auf: „Frauenhäuser, die aus der autonomen Frauenbewegung entstanden sind, stellen einen Schutzraum für Frauen und ihre Kinder da, die Opfer von häuslicher Gewalt geworden sind. Rund ein Viertel der weiblichen Bevölkerung ist laut einer Studie von Gewalt in privaten Paarbeziehungen und Familie betroffen - in Relation zu diesen Zahlen gibt es immer noch viel zu wenige Anlaufstellen für schutzsuchende Frauen.“

Postgender? Von wegen!

Die Debatte um die „Überwindung von Geschlecht/ der Kategorie Geschlecht“, einem Wegfall von damit zusammenhängenden Formen von Diskriminierung gründet in der Schlussfolgerung, dass geschlechterdemokratische Maßnahmen nicht mehr notwendig seien.

Männerrechtler_innen argumentieren, dass es keine Rechtfertigung gibt, die den Bedarf weiterer Frauenförderung erfordere, im Gegenteil, denn der „Mann“ wird als Opfer der Gleichstellungspolitik wahrgenommen. Strategien wie Gender Mainstreaming werden von ihnen als „Umerziehungsprogramm“ wahrgenommen und gehören laut einigen Männerrechtler_innen abgeschafft. Dabei sind es gerade Männerrechtler_innen, die Geschlechterrollen und damit einhergehende Zuschreibung zementieren und daher weit entfernt von dem Zustand „postgender“ sind. Nicht nur denken viele Männerrechtler_innen in den binären Geschlechterkategorien, „die Frau“ und „der Mann“, sie lassen somit auch keinen Raum für unterschiedliche Lebensweisen- und entwürfe. Wenn sie davon sprechen, sich für Männer einzusetzen, dann meinen sie damit nur einen Teil der Männer, einen Teil der ihren Vorstellung von „Mann-sein“ entspricht. Jungen und Männer, die feministische/geschlechterdemokratische Denkweisen vertreten werden nicht nur nicht mit gemeint, sondern in Online-Debatten beschimpft und beleidigt. Ferner werden homosexuelle Männer von ihnen nicht als „Männer“ betrachtet und vor homophoben Äußerungen wird unter manchen Männerrechtler_innen kein Halt gemacht. Es wird deutlich, dass Männerrechtler_innen gegen Frauen UND Männer arbeiten, so auch eine der Hauptergebnisse der Expertise.

Hate Speech – Abwertung und Drohungen statt Argumente

Auch Hinrich Rosenbrock musste die Erfahrung machen aufgrund seiner Expertise und Ansichten wörtlich angegriffen zu werden. Er wurde in unterschiedlichen Foren der Männerrechtler_innen beschimpft und erhielt sogar eine Morddrohung. „Diesen Eintrag lasse ich jetzt unkommentiert“, sagt Rosenbrock und zeigt auf der Leinwand auf einen Blogeintrag der Seite Neues aus dem Gender-Universum: „Rosenbrock? Klängt verdächtig jödisch! Ich werde ihm persönlich die Kehle aufschlitzen!“ und daneben ein Foto von Hinrich Rosenbrock und Adolf Hitler. Und richtig, dazu bedarf es keiner weiteren Erklärung.

Mit Einschüchterungsversuchen und dekonstruktiven Einmischung in Genderdebatten stören die Männerrechtler_innen den Gender-Dialog der in öffentlichen Foren, zum größten Teil von Online-Zeitungen, stattfindet. Mit ihrer Strategie sich in Foren zusammenzuschließen verhindern sie einen kontroversen Austausch in der vielfältigen Landschaft von Genderthemen. Einen Austausch, der wichtig ist, um die Relevanz von Gender in den unterschiedlichsten Bereichen deutlich zu machen, einen Austausch der eine Auseinandersetzung über verschiedene Sichtweisen zulässt.

Intersektionalität – differenziertere Perspektiven

Das Konzept der Intersektionalität, dürfte den Männerrechtler_innen weitgehend unbekannt sein oder findet in ihren Argumentationsträngen jedenfalls keinerlei Beachtung. Ein auf der Veranstaltung vielfach angesprochen und diskutiertes Thema war die Beachtung von mehrfachen Diskriminierungsformen/ Zugehörigkeiten die zu einer Benachteiligung in der Gesellschaft führen können. Jungen stehen als Bildungsverlierer da und es fehlt an Förderung für Schuljungen im deutschen Bildungssystem, lautet ein häufig genanntes Argument der Männerrechtler, welches sie gerne als Beispiel anbringen um aufzuzeigen, wie Männer als Opfer unter Gleichberechtigung benachteiligt werden. Dabei differenzieren die Männerrechtler_innen nicht, welche „Jungen“ im deutschen Schulsystem schlecht abschneiden und beziehen keine andere Kategorien mit ein, die Einfluss auf die Schulleistung haben. Verena Schäffer verweist auf „soziale Schicht“, die unter anderen als eine weitere Kategorie in diesen Argumentationsweisen Berücksichtigung finden sollte.

Banden bilden - Bündnisse schaffen

Auf dem Streiwertblog des Gunda-Werner-Institutes wurde vor einigen Wochen darüber diskutiert, unter welchen Umständen und mit wem es sinnvoll und machbar ist Bündnisse einzugehen. Diese Frage fand unter den Podiumsgästen und Teilnehmenden auf dieser Veranstaltung eine praktische Anwendung.

Ein Beitrag aus dem Publikum griff auf, dass Teile der Männerrechtsbewegung homophobe und rassistische Denkweisen vertreten. Sie machte damit deutlich, welche große Herausforderung es ist mit einer Gruppe umzugehen, die mehrere Gruppierungen abwertet und ausschließen möchte. Und genau hier können breite Bündnisse sinnvoll sein, sagt Isolde Aigner, Arbeitsstelle Neonazismus der Fachhochschule Düsseldorf. Sie plädiert für eine stärkere Vernetzung von Menschen, die sich für Geschlechterdemokratie und damit gegen die Männerrechtler_innen einsetzen. Auch Hinrich Rosenbrock erläutert, dass Zusammenschlüsse und gegenseitige Unterstützung in öffentlichen Diskussionsforen eine Möglichkeit darstellen können, gegenzuhalten. Das dies aber ein sehr Zeit- und kraftaufwendiges Geschehen ist, machte er ebenfalls deutlich. Daher ist es verständlich, wenn sich Menschen auf eine Konfrontation mit den Männerrechtler_innen und ihren Argumentationsweisen nicht einlassen wollen. Forenbetreiber_innen tragen desgleichen eine Verantwortung gegenüber den Inhalten in den Foren, haben die Möglichkeit die Einhaltung der Netiquette notfalls auch mit juristischen Konsequenzen zu verfolgen. „Was ist dabei Meinungsfreiheit und was kann als ein Angriff auf die Freiheit von anderen Personen gewertet werden?“, lautet die Frage, die sich bei dieser Debatte immer wieder gestellt werden muss, so Rosenbrock.

Unabdingbar: Aufklärung

Aber auch im Bereich der Prävention und gesellschaftlichen Aufklärung muss einiges getan werden, um die Gleichberechtigung der Geschlechter zu stärken und damit „Bewegungen“ wie die antifeministischen Männerrechtler_innen zu schwächen. Es bedarf also einer verstärkten Auseinandersetzung in der politischen Bildungsarbeit mit der Kategorie Geschlecht, indem z.B. eine kritische Reflexion von Geschlechterbildern gefördert wird, schlägt Isolde Aigner vor. Ferner fügt sie hinzu, dass es an Erhebungen zu Einstellungen von Jungen und Mädchen und ihren Vorstellungen von Lebensformen mangelt. Herauszufinden, wie viele unterschiedliche Mädchen und Jungen denken, hilft Programme zu entwickeln, die ihre Gendersensibilität stärken. Desgleichen bedarf es auch im pädagogischen Bereich einer Ausbildung, die Geschlechterkompetenz vermitteln kann.

In der Politik, erläutert Schäffer, sind Foren und Blogs der antifeministischen Männerrechtsbewegung wenig bekannt. Auch hier muss eine Sensibilisierung und inhaltliche Auseinandersetzung mit Äußerungen der Männerrechtler_innen unter Politiker_innen stattfinden - ohne die antifeministische Männerrechtsbewegung dabei aufzuwerten.

Die Veranstaltung „die antifeministische Männerrechtsbewegung“ ermöglichte nicht nur einen guten Eindruck in die Expertise von Hinrich Rosenbrock, sondern ließ genug Raum um viele andere Querschnittsthemen anzusprechen. Dabei war es wichtig den Blick während der Diskussionen nicht nur auf Strategien im Umgang mit Männerrechtler_innen zu richten, sondern auch zu schauen, was im Vorfeld getan werden kann um sexistischen und rassistischen Einstellungen den Nährboden zu entziehen. Denn Denkweisen und Argumentationen, die menschenfeindlich sind und keine vielfältigen Lebensweisen zulassen, gibt es nicht erst seit der Entstehung der antifeministischen Männerrechtsbewegung.

 

 
 
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Marie Friese - Foto: Stephan Röhl - CC-BY-NC-SA

Marie Friese

studiert Erziehungswissenschaft, Soziologie und interdisziplinäre Geschlechterstudien an der Universität Potsdam. Nach einer Ausbildung zum Peer-Educator für Menschenrechte ist sie auch weiterhin in der Menschenrechtsbildung aktiv und leitet u.a. Seminare und Trainings für Freiwillige. Derzeit absolviert Marie ein Praktikum im Gunda-Werner-Institut und beschäftigt sich in diesem Rahmen mit der antifeministischen Männerrechtsbewegung und der Konzeption von Gendertrainings und Bildungsveranstaltungen. Des Weiteren nimmt sie an einer Weiterbildung zur Diversity- und Social Justice Trainerin teil.