„Den Atem der Frau im Nacken“: Die frauenpolitischen Versprechungen der Volksparteien

Peer Steinbrück
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Peer Steinbrück: „ein Kanzlerkandidat der SPD wird sich in der Breite der Themen aufstellen müssen“, dazu gehören dann wohl oder übel auch die Frauenthemen.

Da stehen die Frauen und staunen: Eine der beiden „Volksparteien“ wird uns nach 2013 auf jeden Fall regieren, vielleicht auch beide zusammen. Aber was sie der weiblichen Hälfte ihrer Wähler*innenschaft zu bieten haben, ist erstaunlich. Erstaunlich dürftig. Dabei hat der Feminismus einen Aufschwung genommen, sogar junge Frauen bekennen sich wieder – und stellen Ansprüche. Ob Netzfeministinnen, proQuote-Journalistinnen oder Doris Schröder-Köpf: Sie wollen etwas sehen in der Frauenpolitik. Deshalb ist es dieses Mal so besonders deprimierend, den beiden großen Parteien bei ihrer Aufstellung in Sachen Frauen zuzusehen.

Etwa der SPD, die ihren Spitzenkandidaten an die ihm offenbar bisher verborgen gebliebene Hälfte der Wählerschaft heranführen will. Die zeigt nämlich bisher wenig Begeisterung gegenüber Peer Steinbrück. In sein Wahlkampfteam berief er Männer – auf Generalsekretärin Andrea Nahles, die qua Amt für den Wahlkampf zuständig wäre, könne er gern verzichten, tat er so ziemlich als erstes kund. Steinbrück hat denn auch sehr vage Vermutungen über das Rätsel Frau: „Ich weiß, dass ich auf Frauen viel zu rational wirke“, teilte er gerade der taz mit. Klar, Frauen wollen von Politikern nichts als pure Emotion, deshalb lieben sie auch Angela Merkel so sehr, diese Gefühlsbrumme.

Beim Thema häusliche Arbeitsteilung spürt er „den Atem meiner Frau im Nacken“. „Wenn ich mich jetzt vergaloppiere, habe ich sie am Hals.“ Langsam dämmert einem, wie Steinbrück funktioniert. Frauen muss man nach dem Mund reden, sonst hat man sie am Hals. So geht er auch die Frauenthemen an: „Ein Kanzlerkandidat der SPD wird sich in der Breite der Themen aufstellen müssen“, hat er erkannt. Dazu gehören dann wohl oder übel auch die Frauenthemen. Und bei Steinbrück wird das noch nicht mal gespielt aussehen, verspricht er: „Das wird nicht inszeniert, nicht geschauspielert wirken“. Warum steigt in einem der Verdacht auf, dass Steinbrück sein schauspielerisches Talent irgendwie überschätzt?

Brav vertritt er denn auch die Quotenforderung seiner Partei für die Wirtschaft. Dass die SPD selbst in ihrer Spitze immer ein Männerclub geblieben ist, siehe Troika, ist für ihn allein das Problem der Frauen: Da wollte ja keine. Warum gibt es nochmal die Quote? Weil Männerrunden sich sonst immer weiter reproduzieren, da ist die SPD-Spitze keine Ausnahme. Frauen nicht hochkommen lassen und sich dann wundern, dass keine da ist: So schlicht argumentiert nicht mal mehr die Privatwirtschaft.

Mit anderen Worten: Die SPD hat ein frauenpolitisch korrektes Programm, aber der Spitzenkandidat weiß nicht, wofür das nochmal gut war. Das erinnert nun doch sehr aufdringlich an seinen Vorgänger, Gedöns-Schröder. Der hatte auch ein Gleichstellungsgesetz für die Wirtschaft im Koalitionsvertrag. Gekommen ist es dann nicht.

Die Union dagegen sonnt sich im Licht der Kanzlerin. Ja, sie kommt an bei den Frauen. Aber nicht bei denen, die etwas wollen. Die erste Frau an der Spitze des Landes führt die Herdprämie ein, obwohl die Kitaplätze noch lange nicht ausreichen. Und sie sperrt sich gegen eine Quote für die Privatwirtschaft, obwohl das Fenster der Möglichkeiten nie so sperrangelweit offen stand wie jetzt: Andere europäische Länder legen vor, von der EU kommt eine Quotenrichtlinie: Merkel müßte nur noch zugreifen, mit überschaubarem Risiko. Aber das tut sie nicht. Im Gegenteil. Sie blockiert. Und stellt sich damit sogar gegen die Frauen in ihrer eigenen Partei, die kein Betreuungsgeld aber eine Quote wollen.

Ja, eine Spitzenpolitikerin in Deutschland darf weiterhin so wenig wie möglich daran erinnern, dass sie eine Frau ist. In der Tat ist das riskant: Die Stereotypen, die Weiblichkeit mit Schwäche verbinden, regieren ungebrochen unser Unbewußtes. Aber ohne Risiko kein Fortschritt.

So, und nun stellen Sie sich noch eine große Koalition aus diesen beiden Parteien vor. Ach, Sie sind schon eingeschlafen?