Bedingungsloses Grundeinsingen. Ein chorisches Coaching.

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Bedingungsloses Grundeinsingen. Ein chorisches Coaching.

An vier Terminen der Veranstaltungsreihe "Diskotieren fürs Grundeinsingen" wurde mit verschiedenen Gästen gesungen und diskutiert. Bernadette La Hengst hat für jede dieser Veranstaltungen kanon-artige Songs geschrieben, die das Thema des jeweiligen Gastes aufgriffen und mit dem Publikum zu Beginn, in der Mitte und am Ende gemeinsam gesungen wurde. Ziel dieses neuartigen Formates war es, durch gemeinsames Singen und das Sitzen in einer großen Tischrunde eine größere Nähe zwischen den einzelnen Diskussionsteilnehmenden zu schaffen und einen synästhetischen Zugang zu den jeweiligen Themen zu ermöglichen.

Die erste Veranstaltung stand im Zeichen des 2008 von Stefan Heidenreich veröffentlichten Buches „Mehr Geld“ (Merve):

“Deshalb, das sei nebenbei gesagt, ist der Zeitgewinn, den die Kommunikationstechnologie dem Markt, der Aktivität der Börsennotierungen, den Bewegungen der chrematistischen Spekulation sichert, kein sekundärer oder zufälliger Vorzug; es ist, könnte man sagen, die Entfaltung der Essenz des Geldes selbst als Zeit (Geld ist Zeit), als Beschleunigung der sozialen Zeit, als Quantifizierung und Ökonomie der Zeit.”1

Knackpunkt der Diskussion war die Frage, ob denn das Grundeinkommen etwas an unserem Verhältnis zum Geld ändert und wie sich die Geschwindigkeit virtueller Märkte und Kommunikation ändert bzw unser Zugang dazu. Bernadettes Kanon hiess passenderweise „Zeitmaschine“2.

Die zweite Veranstaltung mit Sascha Liebermann diskutiert mögliche Veränderungen des Demokratiebegriffs, dass das Grundeinkommen (hypothetisch) auslösen könnte.

“Es leuchtet sofort ein, dass es eine Bedingungslosigkeit im strengen Sinne nicht geben kann.Das führt uns zu einer Bedingtheit des Grundeinkommens, die zugleich eine Einschränkung mit sich bringt: Dass ein solches Gemeinwesen nur für sich selbst legitimiert ist, über die Einführung eines Grundeinkommens zu befinden, nicht aber über andere richten kann. Das Grundeinkommen ist also an eine Vergemeinschaftung gebunden.”

Die spekulative Annahmen, dass bGE-Empfängerinnen grundsätzlich eine andere Form der Vergesellschaftung bzw Vergemeinschaftung erfahren und bilden, wurde von den Diskutierenden kritisch eingeschätzt. Es bleibt zu hoffen, jedoch regelt und beeinflusst allein der Bezug einer bedingungslosen Grundsicherung nicht das Verhalten einzelner Bürger zu ihrer eigenen „Vergemeinschaftung“. Bernadettes Chorstück hieß dann dementsprechend „Die Bedingungen der Bedingungslosgkeit“3.

Die dritte Veranstaltung hatte mit Konstantin Faigle einen Filmemacher zu Gast, der gerade einen Dokumentarfilm mit dem Titel „Frohes Schaffen – ein Film zur Senkung der Arbeitsmoral“ veröffentlicht hat. In der Diskussion zeigte sich ziemlich deutlich, dass seine Kritik an der Arbeitsmoral durch einen männlichen Blick geprägt war. Die anwesenden, feminstischeren Teilnehmenden wiesen zu Recht darauf hin, dass ein Grundeinkommen und ein damit spekulativ verbundenes „Weniger Arbeiten“ nicht die Geschlechterdifferenzen in der Care Arbeit aufhebt oder zu einer Zunahme männlicher Teilhabe an diesem Teil der gesellschaftlich relevanter Arbeit. Bernadette konnte mit „Wir singen zur Senkung der Arbeitsmoral“4 die Wogen ein bisschen glätten.

Die vierte und letzte Veranstaltung war mit über 70 Besucherinnen die am besten besuchte. Arfst Wagner und Friederike Habermann stritten über das Veränderungspotential, dass das Grundeinkommen auf das Wirtschaften, Tauschen, Beitragen und Handeln haben kann. Friederikes These bestand darin, dass sich Produktionsverhältnisse und die darin eingeschriebenen Geschlechterverhältnisse nicht notwendigerweise mit dem Grundeinkommen verändern. Es muss flankierend zu einer anderen Sozialpolitik auch eine andere Wirtschaftsphilosophie Einzug halten, die auf Beitragen und dem Gedanken des Gemeinwesens (commons) verpflichtet ist. Arfst Wagner konnte dafür berichten, wie das bGE in den verschiedenen Fraktionen im Bundestag diskutiert wird und, dass eine öffentliche Debatte bei allen Parteien (ausser den Piraten) vermieden wird, um die großen heißen Themen wie demografischer Wandel, Kritik am Sozialstaat, Ende der Arbeitsgesellschaft, Postwachstum zu vermeiden.

Einen Einblick an die Veranstaltung „Diskotieren fürs Grundeinsingen“ geben die Videos und einige Pressestimmen:

1. Downloadlink: https://ssl.rheinmedia.de/merve/incoming-data/corpori/9783883962177.pdf

2. leider der einzige Kanon, der nicht als Video verfügbar ist.

3. online unter: http://youtu.be/Vo3qmV6eUGc

4. online unter http://www.youtube.com/embed/BVns0hS1HxY

Titel: Wir singen zur Senkung der Arbeitsmoral

Titel: Die Bedingungen der Bedingungslosigkeit