Barack Obama goes Lilo Pulver - Wie Sexismus und Rassismus funktionieren.

Als Obama vergangene Woche in Berlin war, war es die taz-Wahrheitsseite, die sich in Humor versuchte: Sie druckten – selbstredend in höherer, in satirischer Absicht - eine „Rede“ Obamas ab, die aus Roberto Blanco-Zitaten bestand. Das Bild dazu: ein Porträt von Roberto Blanco.

Barack Obama
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Barack Obama bei seiner Rede vor der Siegessäule 2008.

Uups, they did it again. Erinnert sich die Leserin noch, wie die taz anlässlich von Barack Obamas Wahlsieg das Weiße Haus zeigte und titelte: „Onkels Baracks Hütte“? Es hagelte Beschwerden. Gelernt haben sie nix draus. Als Obama vergangene Woche in Berlin war, war es die taz-Wahrheitsseite, die sich in Humor versuchte: Sie druckten – selbstredend in höherer, in satirischer Absicht - eine „Rede“ Obamas ab, die aus Roberto Blanco-Zitaten bestand. Das Bild dazu: ein Porträt von Roberto Blanco.

Heide Oestreich ist Redakteurin der taz, die tageszeitung und betreut dort vor allem die Geschlechter- und Gesellschaftspolitik. 2004 erschien von ihr das Buch "Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam". 2009 wurde sie vom Journalistenverband Berlin Brandenburg für ihre langjährige Berichterstattung über unbewußte Geschlechterklischees mit dem Preis "Der lange Atem" ausgezeichnet.

Drei Fragen: Worin besteht der Zusammenhang? Dass beide schwarz sind. Was soll daran witzig sein? Dass beide schwarz sind. Weshalb ist das rassistisch? Dass zwei Menschen, die nichts, aber auch überhaupt nichts miteinander zu tun haben, darauf reduziert oder darüber identifiziert werden, dass sie schwarz sind.

Was hat das in einer feministischen Kolumne zu suchen? Dass ich an die Sexismus-Debatte denken musste, die wir zu Beginn des Jahres Äußerungen des FDP-Oberhaupts verdankten. Manchmal habe ich den Eindruck, dass entscheidende Merkmale einer sexistischen Formulierung/Handlung/Geste noch nicht allgemein verstanden werden. Es geht nicht darum, ob die Andere Person unbedingt bedroht wird. Ein Problem liegt auch nicht per se darin, dass Sex ins Spiel kommt. Es geht höchstens darum, dass Sex dort ins Spiel kommt, und sei es auch nur als Andeutung, wo es vermutlich nicht von beiden gewollt wird, oft sogar provozieren oder irritieren soll. Allgemeiner gesagt: Sexismus liegt da vor, wo die Betreffende auf ihren Sex, auf ihre Körperlichkeit, auf ihre Weiblichkeit o.ä. verwiesen oder mit ihr identifiziert wird, wo sie doch in einer ganz anderen Rolle wahrgenommen werden will.

Und auch das Recht dazu hat.

Also zum Beispiel: Wenn Merkel ein ganzes Land regiert und ihr Dutzende von Leuten zuarbeiten, spielt es keine Rolle, ob sie in einem aprikosenfarbenen Kostüm Achselschweiß hatte.
Wenn sich eine junge Journalistin mit einem alten Spitzenpolitiker zum Interview trifft, hat sie keinen Bock darauf bestätigt zu bekommen, dass sie einen tollen Busen hat. Es wurde oft gefragt, ob wir fiesen Feministinnen denn alles Flirten verbieten wollen. Nein, wollen wir nicht! Aber Flirten ist das Antippen erotischer Kontexte in Situationen, in denen beide damit spielen wollen. Oder in denen zumindest begründete Hoffnung besteht, die andere Person könnte den Wechsel ins frivole Fach positiv aufnehmen. Diese Hoffnung bestand hier nicht. Ebenso gibt es natürlich auch Kontexte, in denen Busen-Komplimente hoch willkommen sind. Aber nicht, wenn der Busen voll bedeckt und der Kontext unpersönlich und rein beruflich ist.

Sexismus ist auch, wenn in einem Zeitungsporträt einer Wissenschaftlerin als Wissenschaftlerin ellenlang erörtert wird, wie sie das mit den Kindern handhabt – es sei denn, der Schwerpunkt der Serie liegt auf der Frage, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Familie handhaben.

Rassismus ist, wenn ein amerikanischer Präsident in Berlin eine Rede hält und vornehmlich daran erinnert wird, dass er schwarz ist. - Jemand fragte, polemisch, zur Verteidigung der taz, ob es denn auch rassistisch sei, wenn Angela Merkel auf der Wahrheitsseite mit Lieselotte Pulver verglichen würde. Doch dieser Witz würde ja gar nicht funktionieren. Man würde nicht Vergleiche zwischen beiden anstellen und denken: Hihi, stimmt, die sind ja beide weiß! Rassismus und Sexismus entstehen aufgrund asymmetrischer sozialer Bedingungen, deswegen lässt sich das nicht einfach herumdrehen. Wo Weiß-Sein hegemonial ist, ist Schwarz-Sein „anders“, erwähnenswert und potentiell komisch.

Aber wäre es auf Dauer nicht besser, die Person mit dem anzuhören, was sie uns jetzt gerade sagen will – statt sie auf das festzulegen, was sie unserer Meinung nach vermeintlich ist?