Fühl dich sicher – vor der Scham?! Menstrualität zwischen Markt, Macht und Verletzlichkeit

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„Fühl dich sicher. Always“ So bewirbt der milliardenschwere Konzern Procter & Gamble eines der bekanntesten Periodenprodukte weltweit, die Binde Always. Sicherheit und Schutz sind zentral im Marketing von Periodenprodukten und prägen auch darüber hinaus Menstrualitätsdiskurse. Doch was ist damit eigentlich gemeint?

Schnell wird deutlich: Gemeint ist nicht gesundheitliche Sicherheit, sondern Unsichtbarkeit. „Nichts spüren. Nichts sehen. Nichts riechen“ (vgl. Ullrich 2004) – so lautet das ungeschriebene Gesetz. Ein Periodenprodukt etwa erachten wir als ‚sicher‘, wenn es viel Blut auffangen und lange halten kann, ohne undicht zu werden. Der ‚Schutz‘ einer Binde ist der Schutz vor dem Blutfleck auf der Hose – und damit vor Scham und Stigmatisierung. In diesem Beitrag zeige ich die patriarchale Geschichte dieses Sicherheitsversprechens auf und skizziere daraus resultierende Konsequenzen für Menstruierende. Anhand der Beispiele Periodenarmut und Endometriose illustriere ich, wie Menstruierenden hingegen alltäglich Schutz versagt wird und plädiere abschließend für einen Umgang mit Menstrualität, der Fürsorge und soziale Gerechtigkeit zentral setzt.

Der ‚Schutz‘ einer Binde ist der Schutz vor dem Blutfleck auf der Hose – und damit vor Scham und Stigmatisierung.

Sicherheit und Schutz: Made in Patriarchy 


Die dominanten Ideen von Sicherheit und Schutz im Kontext von Menstrualität sind zutiefst verankert in einer patriarchalen Geschichte der Kontrolle, Stigmatisierung und Pathologisierung von Frauen und Menstruierenden. Im westlich-europäischen Kontext galt und gilt der männliche, weiße, nicht-blutende Körper als Norm – die Menstruationsblutung, aber etwa auch Ausfluss oder Milch hingegen als ‚Sonderfall‘. Vor diesem Hintergrund wurde die Blutung seit der Antike zur Begründung von Ungleichbehandlung von Menstruierenden und deren Ausschluss aus dem öffentlichen Leben instrumentalisiert. Erst im 20. Jahrhundert, unter anderem im Zuge der industriellen Herstellung von Periodenprodukten, änderte sich dies – unter der Bedingung, dass die Blutung unsichtbar bleibt (vgl. Vostral 2008; Freidenfelds 2009). Die Maxime der Unsichtbarkeit von Menstruationsblut, aber auch die Geschichte des blutenden Körpers als Abweichung von der Norm prägen nach wie vor den alltäglichen und gesellschaftlichen Umgang mit Menstrualität, unsere Körperbilder und -praktiken (vgl. Bauer 2025). Folglich richten sich alltägliche Praktiken auf die maximale Verschleierung von Menstrualität, etwa durch Periodenprodukte mit einem möglichst hohen Fassungs- bzw. Saugvermögen oder ein umfassendes Menstruationsmanagement mittels Apps und Medikamenten. Sicherheit und Schutz werden also vor allem mit Kontrolle und Unsichtbarkeit assoziiert – mit psychischen und körperlichen Konsequenzen für Menstruierende. Gesichert werden damit nicht Gesundheit und Selbstbestimmung, sondern in erster Linie der Umsatz von globalen Konzernen wie Procter & Gamble.

Alles andere als sicher: Menstrualität im Alltag


Die Erzählung von Sicherheit kontrastiert scharf mit den Erfahrungen vieler Menstruierender. Zwei Beispiele machen das deutlich: Periodenarmut und Endometriose.


Periodenarmut


Periodenprodukte werden als Sicherheitsgarant für eine hygienische, selbstbestimmt gestaltete und angenehme Menstruationsblutung erachtet. Doch die Verfügbarkeit von Tampons, Binden & Co ist für viele Menstruierende alles andere als selbstverständlich. In Deutschland geben einer Umfrage zufolge 23% aller Menstruierenden an, dass die Versorgung mit Periodenprodukten für sie eine finanzielle Belastung darstelle (vgl. Plan International & WASH United 2022). Periodenarmut, so der Fachbegriff für dieses Phänomen, kann gravierende Folgen haben. Wenn Tampons beispielsweise als ‚Sparmaßnahme‘ möglichst lange nicht gewechselt werden, steigt das Risiko des lebensgefährlichen Toxischen Schocksyndroms (vgl. Vostral 2018). Periodenarmut kann sich etwa durch eine eingeschränkte Mobilität auch auf die Ausgestaltung des Soziallebens, Schulbesuche oder die Arbeit auswirken. Trotz dieser Brisanz fehlen bisher insbesondere für Deutschland aussagekräftige Studien und flächendeckende Gegenmaßnahmen. 
Und selbst wer sich Produkte leisten kann, ist nicht unbedingt sicher. Denn Menstruationsprodukte können beispielsweise mit sogenannten „forever chemicals“ belastet sein, langlebigen, gesundheitsschädlichen Substanzen – dies zeigte unter anderem eine von der New York Times beauftragte Untersuchung an wiederverwendbaren Artikeln (vgl. Redd 2023). So sieht ‚Schutz‘ im Marktregime aus.

Menstruierenden wird grundlegender Schutz im Sinne von Gesundheitsversorgung und Anerkennung von Leid systematisch verwehrt.

Endometriose


Noch deutlicher wird die Kluft zwischen Sicherheitsrhetorik und Realität bei Endometriose. Denn obwohl von einer sogenannten „Volkskrankheit“ gesprochen werden müsste (vgl. Kourabas 2023), warten Betroffene von Endometriose in Deutschland durchschnittlich 10 Jahre auf die Krankheitsdiagnose (vgl. Kohring et al. 2024). Endometriose ist eine systemische Krankheit, bei der sich gutartige Wucherungen der Gebärmutterschleimhaut im gesamten Bauchraum ansiedeln und etwa auch Organe befallen können. Bandbreite und Intensität der Symptome variieren und reichen etwa von umfassenden Verdauungsbeschwerden und Unverträglichkeiten über Unfruchtbarkeit hin zu starken, zyklusabhängigen Schmerzen mit Schwindel und Ohnmachtsanfällen. Die hohe Dunkelziffer in der Erkennung von Endometriose ist auf unterschiedliche Faktoren zurückzuführen, zum Beispiel die fehlenden Abrechnungsmöglichkeiten in der zeitaufwändigen Diagnostik bei den Krankenkassen und die strukturelle Unterforschung von ‚frauenspezifischen‘ und gynäkologischen Krankheiten wie Endometriose oder PCOS, aber auch der Prävalenz von Menstruationsschmerzen. Relevant ist aber auch die Normalisierung und Bagatellisierung von Menstruationsschmerzen durch medizinisches Personal, Familie, Freund*innen oder Arbeitsumfeld (vgl. Bauer 2025). Der (Nicht-)Umgang mit Endometriose zeigt: Menstruierenden wird grundlegender Schutz im Sinne von Gesundheitsversorgung und Anerkennung von Leid systematisch verwehrt.

Und stattdessen? 


Die Beispiele verdeutlichen: Sicherheit und Schutz werden im Kontext von Menstrualität in erster Linie als Marketingtools eingesetzt, doch wirklicher Schutz für Menstruierende fehlt. Sie sind also keine tragenden Bezüge für einen feministischen und emanzipativen Umgang mit Menstrualität. Stattdessen brauchen wir eine Perspektivverschiebung hin zu einem gesundheitsfördernden Logik der Fürsorge und Gerechtigkeit. 

Der Fokus auf ‚Sicherheit‘ ist Ausdruck eines Ideals von Leistungsfähigkeit und Kontrolle. Doch menschliche Körper sind verletzlich.


Konkrete Maßnahmen für einen solchen Umgang liegen auf der Hand: Die Forschungsförderung zu Menstruation und Menopause, Endometriose und PCOS; die kostenlose Bereitstellung von Periodenprodukten in öffentlichen Einrichtungen; oder der Ausbau einer Infrastruktur öffentlicher, kostenfreier und sauberer Sanitäranlagen. Doch die Bedingungen für einen selbstbestimmten und gerechten Umgang mit Menstrualität sind komplexer. Denn sie betreffen beispielsweise auch unsere Geschlechter- und Körperbilder, unsere Arbeitsverhältnisse oder unseren Umgang mit Gesundheit und Krankheit. Der Fokus auf ‚Sicherheit‘ ist Ausdruck eines Ideals von Leistungsfähigkeit und Kontrolle. Doch menschliche Körper sind verletzlich. Gerade menstruierende, schmerzende Körper machen dies sichtbar. Von ihnen können wir lernen, Verletzlichkeit als gesellschaftlichen Wert anzuerkennen – und Fürsorge, nicht Kontrolle, ins Zentrum zu stellen. Nur so schaffen wir einen Umgang, der Menstruation nicht verstecken muss, um ‚sicher‘ zu sein.