Was macht Schwangerschaftsabbrüche „sicher“?

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Wenn der Zugang zu „sicheren“ Schwangerschaftsabbrüchen gefordert wird, sind nicht nur medizinische Aspekte relevant. Ein feministischer Sicherheitsbegriff im Kontext von Schwangerschaftsabbrüchen muss weitere Faktoren einbeziehen. 

Illustration: Vor grünem Grund ist ein blutender Uterus mit zwei Progressiv-Queerflaggen.

Eine Schwangerschaft zu beenden ist in Deutschland in den allermeisten Fällen rechtswidrig, bleibt aber straffrei, wenn die schwangere Person einige Hürden nimmt: Sie muss sich von einer staatlichen anerkannten Beratungsstelle beraten lassen, mindestens drei Tage bis zum Abbruch warten und die Schwangerschaft darf maximal 14 Wochen alt sein. Ein Schwangerschaftsabbruch kostet mehrere hundert Euro: Die Kosten werden nicht von den Kassen übernommen, aber bei geringem Einkommen kann man vor dem Abbruch einen extra Antrag auf Kostenübernahme stellen. 

Etwa jede 7. Ärzt*in, die Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland durchführt, hat schon mindestens einmal Patient*innen behandelt, bei denen sie einen selbstinduzierten Schwangerschaftsabbruch vermutet hat oder davon wusste.


Manche Menschen können oder wollen diesen steinigen Weg nicht gehen, um ihr Recht auf körperliche Selbstbestimmung zu verwirklichen. Sie entscheiden sich mehr oder weniger freiwillig dafür, die Schwangerschaft außerhalb der regulären Gesundheitsversorgung zu beenden. Das sind in Deutschland keine Einzelfälle: Die gerade veröffentlichte ELSA-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass etwa 3 von 100 Personen, die bereits eine ungewollte Schwangerschaft bzw. einen Schwangerschaftsabbruch in ihrem Leben hatten, mindestens einmal selbst versucht haben eine Schwangerschaft abzubrechen oder dafür eine Webseite oder andere Personen kontaktiert haben (ELSA-Abschlussbericht 2025, Seite 321). Etwa jede 7. Ärzt*in, die Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland durchführt, hat schon mindestens einmal Patient*innen behandelt, bei denen sie einen selbstinduzierten Schwangerschaftsabbruch vermutet hat oder davon wusste (ELSA-Abschlussbericht 2025, S. 716). Im Jahr 2021 wendeten sich mehr als 2.000 Personen aus Deutschland mit einer Hilfsanfrage an die Nichtregierungsorganisation Women On Web (Hahn & Thonke 2023, S. 198). Women on Web unterstützt seit 20 Jahren Schwangere weltweit dabei, Zugang zu den zwei Medikamenten zu bekommen, die für das Beenden einer Schwangerschaft benötigt werden. Mithilfe von Onlinebegleitung können sie die Schwangerschaft dann zuhause oder am Ort ihrer Wahl beenden. 


Solche alternativen Wege eines Schwangerschaftsabbruchs werden häufig als unsicher angesehen. Schwangerschaftsabbrüche in der regulären Versorgung gelten dagegen per se als „sicher“. Wenn jedes Jahr am 28. September weltweit der „International Safe Abortion Day“ stattfindet, ist die zentrale Forderung die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Auch hier ist eine Gleichsetzung von legal=sicher bzw. illegal=unsicher impliziert. Das gilt auch für das feministische Argument, dass Abtreibungsverbote keine Abbrüche verhindern, sondern sie nur unsicher machen. 


Die Sicherheit von Schwangerschaftsabbrüchen hat aber erst einmal nichts damit zu tun, ob sie innerhalb oder außerhalb der regulären Gesundheitsversorgung stattfinden oder ob sie legal oder illegal sind. 


Nach der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist ein Schwangerschaftsabbruch dann sicher, wenn eine von der WHO für den Zeitpunkt der Schwangerschaft empfohlene Methode angewandt wird und die Durchführenden über die nötigen Fähigkeiten verfügen. Dieser Begriff von Sicherheit ist eng und betrachtet lediglich die medizinischen Aspekte. 


Geht man nur danach, sind die telemedizinisch begleiteten Schwangerschaftsabbrüche, die Women On Web anbietet, genauso sicher wie Abbrüche, die in der regulären Gesundheitsversorgung stattfinden. 

Das belegen auch zahlreiche Studien. Andersherum werden derzeit in Deutschland etwa 8 % aller Schwangerschaftsabbrüche in der regulären Versorgung mit einer Curettage (Ausschabung) durchgeführt (Statistisches Bundesamt 2025). Dabei handelt es sich um eine veraltete Methode, die von der WHO seit 2003 nicht mehr empfohlen wird, da die deutlich schonendere Absaugmethode zur Verfügung steht. Streng genommen dürften diese Abbrüche nach WHO-Definition nicht als sicher betrachtet werden. 


Aus einer feministischen Perspektive ist es aber sowieso sinnvoll, „Sicherheit“ im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbruch nicht nur auf medizinische Fragen zu beziehen. Stattdessen sollte die „Sicherheit“ von Schwangerschaftsabbrüchen auch Kontextfaktoren wie Zugangsbarrieren und den Schutz vor Stigmatisierung betreffen.


Wie bereits beschrieben, existieren in Deutschland viele Barrieren im Zugang zum Schwangerschaftsabbruch. Neben den gesetzlich vorgeschriebenen Barrieren – Pflichtberatung, Wartezeit, die enge Frist – spielen auch viele Barrieren in der Versorgungspraxis eine Rolle: So zeigt die ELSA-Studie, dass viele Schwierigkeiten haben, an die nötigen Informationen zu kommen. In manchen Regionen müssen Betroffene weite Wege zur Einrichtung für den Abbruch zurücklegen. All diese Barrieren können einen Schwangerschaftsabbruch unsicher machen. Das gilt insbesondere für Personen, die mit einem gewaltausübenden Partner oder in einer kontrollierenden Familie leben. Wenn sie den Schwangerschaftsabbruch vor ihrem Umfeld geheim halten wollen, kann es sicherer für sie sein, Women On Web zu kontaktieren, um sich Wege und Termine zu ersparen, die nicht erklärt werden können. Darüber hinaus gibt es Menschen in Deutschland, die überhaupt keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung haben, weil sie beispielsweise illegalisiert sind. Sie sind angewiesen auf alternative Wege, um eine Schwangerschaft zu beenden. 

 

Eine Schwangerschaft außerhalb der regulären Versorgung abzubrechen, bedeutet meist nicht weniger Sicherheit, sondern ganz im Gegenteil: Es ist für die Betroffenen meist die sicherere Option.


Zudem sind Schwangerschaftsabbrüche in dieser Gesellschaft stigmatisiert. Viele ungewollt Schwangere haben Angst davor, schlecht behandelt zu werden, weil sie eine Schwangerschaft beenden wollen. Und das zurecht: In der ELSA-Studie berichtet jede 4. Person, dass sie schon einmal von anderen stigmatisiert wurde – z. B. in Form von Vorwürfen, übler Nachrede bis hin zu Belästigung in der Öffentlichkeit (ELSA-Abschlussbericht 2025, S. 266). Einige suchen genau deshalb nach alternativen Wegen. Sie wollen nicht das Risiko eingehen, solche Erfahrungen zu machen. Sie fühlen sich sicherer, wenn sie nicht mit ihrer Gynäkolog*in über den Schwangerschaftsabbruch reden müssen, weil sie gar nicht genau wissen, wie die*ser dazu steht. Sie wollen ihre Schwangerschaft lieber zu Hause, vielleicht umgeben von Freund*innen, beenden. 
Eine Schwangerschaft außerhalb der regulären Versorgung abzubrechen, bedeutet meist nicht weniger Sicherheit, sondern ganz im Gegenteil: Es ist für die Betroffenen meist die sicherere Option. Weil sie so mit weniger Zugangsbarrieren konfrontiert sind, keine Stigmatisierung fürchten müssen oder es vor ihrem Umfeld besser geheim halten können. 


Im Kontext von Schwangerschaftsabbrüchen macht es wenig Sinn, den Sicherheitsbegriff über Bord zu werfen. Denn aus feministischer Perspektive sind der Skandal die Verhältnisse, die Schwangerschaftsabbrüche unsicher machen – und zwar insbesondere diejenigen, die innerhalb der regulären Gesundheitsversorgung stattfinden. Dazu gehören die vielfältigen Zugangsbarrieren, die in manchen Regionen schlechte Versorgungslage und die gesellschaftliche Stigmatisierung. 

Das Bedürfnis der Menschen nach sicheren Schwangerschaftsabbrüchen gilt es anzuerkennen und für sichere Wege zu kämpfen, Schwangerschaften zu beenden – und dazu gehören momentan Wege innerhalb und außerhalb der regulären Gesundheitsversorgung.