Männlichkeiten, Konflikt und UNSCR 1325

Inszenierung von Männlichkeit bei einer Parade der britischen coldstream guards.
Teaser Bild Untertitel
Members of the British Coldstream Guards display a very different kind of military masculinity when parading in front of Buckingham Palace in bearskin hats compared to when on patrol in Afghanistan
Gibt man Robert Morrell frei wieder, so ist die Geschichte von Konflikten meist als Geschichte von Männern aufgezeichnet worden, wobei Männer zugegebenermaßen in dieser Geschichte selten zugegen waren – als Männer. In gewisser Hinsicht hat die Koalition der Bewegungen, die zur Verabschiedung der Sicherheitsratsresolution 1325 im Jahre 2000 geführt hat, diese Situation verändert – Frauen und Mädchen werden zunehmend Teil der Konfliktnarrative, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung. Dennoch behaupte ich, dass Männer und in gewissem Maße auch Jungen tendenziell eher abwesend waren und sind – als Männer, als Jungen, als geschlechtsgeprägte soziale, ihre Männlichkeiten inszenierende Subjekte.

Obgleich ein wachsendes Interesse an der Problematik der Bedeutung von Männlichkeiten in Konfliktsituationen in den letzten Jahren zu verzeichnen ist, konzentrieren sich die meisten Diskussionen zum Thema Geschlecht und Konflikt nach wie vor auf das, was Cynthia Enlow als «womenandchildren» bezeichnet hat, ein Ansatz, bei dem Männer und Männlichkeiten in der Debatte außen vor bleiben. Dies ist in gewisser Weise faszinierend, wenn man sich die zentralen Rollen, die Männer und ihre Männlichkeitsauslagen in Konflikten weltweit generell spielen, vor Augen führt. Wird das Thema ‚Männer und Männlichkeiten in Konflikten’ diskutiert, geschieht dies meist in parodierter, simplifizierter Form – sei es als hypermaskuline, militarisierte ‚Rambos’, als wahnsinnige, mit Medikamenten vollgepumpte Hooligans der ‚new wars’ auf dem Balkan und in Subsahara-Afrika nach dem Ende des Kalten Krieges, als misogyne Fundamentalisten oder mildtätige und beschützende (und meist westliche) Friedenswächter. Zudem gibt es laufende - wenn auch nicht unbedingt hilfreiche - Diskussionen darüber, wer in Konflikten mehr leidet – Männer und Jungen oder Frauen und Mädchen.    

Auch auf die Gefahr, etwas augenscheinlich Selbstverständliches bei einer Gender-Konferenz zu sagen, müssen Männlichkeiten und Weiblichkeiten meiner Ansicht nach als komplexe, veränderliche und oft widersprüchliche Konstrukte betrachtet werden, die von den spezifischen persönlichen, sozialen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Parametern zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort abhängen. Greift man auf geschlechtsspezifische Stereotypen des, sagen wir, „militarisierten männlichen Wesens“ zurück, gehen dieser Fluss und diese Komplexität oft verloren. Ein mörderischer paramilitärischer Kommandeur kann z.B. gleichzeitig ein liebender Vater von vier Kindern sein oder ein Berufssoldat kann jenseits der Dienstwelt Gewalt verabscheuen. Ebenso wenig sind militärische oder militarisierte Männlichkeiten homogen – die Art und Weise, wie ein Logistiker seine Männlichkeit am Arbeitsplatz zur Schau stellt, kann bei einem Kampfpiloten oder Heckenschützen ganz anders sein. Wie militärische / militarisierte Männlichkeiten (1) zur Schau gestellt werden, hängt außerdem vom Kontext ab – Mitglieder der British Coldstream Guards legen, wenn sie vor dem Buckingham Palace in Bärenfellmützen vorbeimarschieren, eine ganz andere Art der militärischen Männlichkeit an den Tag, als wenn sie in Afghanistan auf Patrouille sind. Die Darstellungen von militarisierten und militärischen Männlichkeiten finden außerdem nicht in einem Vakuum statt. Sie sind für ein Publikum gedacht, welches u.a.  die Gegner, die benachbarte Zivilbevölkerung, die Heimatfront, die eigenen Familien, Kameraden und nicht zuletzt auch die eigene Person umfasst. Militärische oder militarisierte Darstellungen von Männlichkeit hängen ebenso von dem sozialen, moralischen, politischen, persönlichen und wirtschaftlichen Beistand und Raum ab, den andere Männer, Frauen, Mädchen und Jungen gewähren.       

Eine meiner größten persönlichen Enttäuschungen ist die fehlende Verbindung zwischen den drei Ebenen der Debatte – der theoretischen, der politischen und der praktischen Ebene. Auf der theoretischen, wissenschaftlichen oder AktivistInnenebene bleibt UNSCR 1325 und ihre Umsetzung in Ermangelung einer umfassenden Sicht auf das Thema Gender und aufgrund ihrer stückhaften Ansätze und Kompromisse zum Wohle des Machbaren weit hinter den gewünschten Ergebnissen zurück. In den wenigen Debatten, die ich auf politischer Ebene verfolgen durfte, ist die wissenschaftliche oder AktivistInnenebene oft als unausführbar und die vielfältigen, kleinteiligen Besorgnisse der praktischen Ebene als nutzlos abgetan worden. Und schlussendlich werden auf der Umsetzungsebene die Sorgen der theoretischen und politischen Ebene oft für unbedeutend gehalten – entweder weil sie als unerreichbar eingestuft werden oder – in einigen glücklichen Fällen - als etwas, das durch Ereignisse vor Ort verdrängt wurde. Ob diese Kluft zwischen den Ebenen jemals überbrückt werden kann, bleibt abzuwarten.

(1) Die Trennungslinie verläuft hier zwischen ‘regulärem’ Militär im Sinne von Mitgliedern eines stehendes Heeres einerseits, und eher ad-hoc organisierten, nicht regulären‚ ’aktiv militarisierten’ Mitgliedern von Guerilla- oder paramilitärischen Gruppen oder Mitgliedern von privaten Militärfirmen andererseits, wobei diese Linie nicht immer klar zu ziehen ist.