38. Green Ladies Lunch: Status: Weiblich, Migrantin und Journalistin

Flyer der Neuen Deutschen Medienmacher "Für mehr Vielfalt in den Medien"
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Flyer der Neuen Deutschen Medienmacher "Für mehr Vielfalt in den Medien"

Rückblick

38. Green Ladies Lunch: Migrantinnen in den Medien: Fremd- und Selbstbilder

Unter dem Titel „FremdBilder – SelbstBilder: Migrantinnen in den Medien“ hat das GWI zur offenen Diskussion zwischen Frauen geladen um das Bild von Migrantinnen in den deutschen Medien zu diskutieren. Die Gesprächsrunde ist angenehm klein, etwa 20 Teilnehmerinnen sind erschienen, dafür ist das Thema von großer Bedeutung. Mit zwei Zeitungszitaten verdeutlicht GWI-Leiterin Gitti Hentschel den unvorsichtigen Gebrauch von Stereotypen in den Medien: „Frauen als Sexsklavinnen missbraucht“ oder „rassige Frauen und rasante Rhythmen“. Aber sind das die einzigen Medienbilder von Migrantinnen? Was bedeuten sie für unsere Gesellschaft und wie definieren wir Migrantinnen überhaupt? Die zwei geladenen Referentinnen sollen aus ihren Perspektiven darauf antworten und sie anschließend mit den Gästen des Green Ladies Lunch diskutieren.

Den forschungsbegründeten Ansatz stellt Dr. Christine Linke vor. Im Projekt „Migrantinnen in audiovisuellen Medien“ untersucht das Forscherinnenteam, bestehend aus Prof. Dr. Margreth Lünenborg als Projektleiterin sowie Christine Linke, Lisa Konrad und Katharina Fritsche wie Migrantinnen im deutschen Fernsehen repräsentiert werden und in welcher Weise dabei bestimmte Klischees und Hintergründe miteinander verbunden, verstärkt oder durchbrochen werden. Um diesem Anspruch gerecht zu werden haben die Forscherinnen verschiedene TV-Formate, von Nachrichtensendungen bis zu den täglichen Serien, angeschaut und analysiert. Indem das Projekt theoretisch und empirisch das Verhältnis von audiovisuellen Medien, Geschlecht und Migration in den Blick nimmt, verschafft es Wissen über ein Feld, das in der deutschsprachigen Kommunikationswissenschaft bislang kaum Berücksichtigung gefunden hat. Dabei wurden verschiedene empirische Methoden angewandt. Christine Linke berichtete etwa auch von einer quantitativen Medienanalyse des Casting-Formats „Germany`s Next Topmodel“ dessen fünfte Staffel hinsichtlich der Repräsentation von jungen Frauen analysiert wurde. Die in der Sendung vorgenommene Typisierung auf Basis von Herkunft, Sprache und Kultur gilt es demnach zu problematisieren. Linke betonte weiterhin, dass für die Thematik auch eine Betrachtung der Aneignung und Rezeption von Fernsehtexten durch die Rezipient_innen bedeutsam ist. Eine Publikation der Befunde steht 2012 an. Das Projekt ist an der Arbeitsstelle Journalistik des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Freien Universität Berlin angesiedelt und wird finanziert vom Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen.

„Sie werden als Feigenblatt gezeigt“

Die Perspektive der Migrantinnen als Medienmacher stellt hingegen die Journalistin Konstantina Vassiliou-Enz vor. Vassiliou-Enz war Moderatorin beim Radio „Fritz“ und „Multikulti“ und ist nun im Vorstand des Netzwerkes „Neue Deutsche Medienmacher“ in Berlin tätig. Ihr Beitrag setzt nicht an Forschung an, sondern verbindet Erfahrungen und externe Studien um anschließend das Gesamtbild zu interpretieren. Dabei werden mehrere Aspekte angesprochen. Eines ist die unangemessene Repräsentation von den hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund als Medienschaffende. Wo bleibt die Vielfalt, kann man fragen, wenn laut dem Statistischen Bundesamt 20% der BundesbürgerInnen einen Migrationshintergrund, aber nur 2,5 bis maximal 5 Prozent der JournalistInnen einen Migrationshintergrund haben. „Den Zahlen nach sind es also wenige. Sie werden aber als Feigenblatt gezeigt.“ Das sei eine Diskrepanz, die sich „natürlich direkt auf die Berichterstattung auswirkt“, so Vassiliou-Enz. Als „krasses Beispiel“ nennt sie, dass während der Integrationsdebatte das Phänomen des deutschen Kindes, das von seinen Schulkameraden mit Migrationshintergrund diskriminiert wurde, aufkam. Einer der öffentlich-rechtlichen Sender wollte unbedingt so ein Kind „haben“, sagt Vassiliou-Enz, aber es gab keins. „Da muss man sich doch fragen, ob diese Nachricht tatsächlich die Medien tagelang dominieren sollte.“ Eine Redakteurin mit Migrationshintergrund hätte auf diesen Missstand hingewiesen, sagt die griechisch-stämmige Vassiliou-Enz.

„Das ist keine Minderheit mehr“

Die Diskrepanz gebe es auch zwischen dem Gesendeten und dem Wahrgenommenen. Laut einer Studie vom Privatsender „RTL“ werten 49% der deutschen Bundesbürger die Darstellung der Migranten im Fernsehen als „klischeehaft, nicht richtig und nicht wahr“. Da RTL vorrangig eine jüngere Zielgruppe hat, wurden mehrheitlich junge Menschen befragt. Diese erfahren jeden Tag den Umgang mit ihren SchulfreundInnen mit Migrationshintergrund, die an Berliner Schulen einen Anteil von 50% ausmachen. Konstantina Vassiliou-Enz sagt: „Das ist keine Minderheit mehr.“ Auch die Zuschauer wüssten, dass im Fernsehen nur Stereotypen gezeigt werden, die mit der Realität nichts zu tun haben. „Jeder zweite Zuschauer weiß also besser über das Leben Bescheid als die Journalisten, die darüber berichten“, sagt Vassiliou-Enz. Vielmehr sei die Vielfalt in der Berichterstattung gewollt, gaben 74% der Befragten an. Sie wünschten sich mehr über die verschiedenen Typen. Das sei von gesellschaftlicher Bedeutung – um an einer der zu Anfang gestellten Fragen anzuknüpfen. Die Kluft zwischen dem Gesendeten und dem, was gesendet werden soll, kann durch einen höheren Anteil von Journalisten mit Migrationshintergrund überbrückt werden.

Migranten, Zugvögel und Immigranten

Der zweistündigen Gesprächsrunde ist es – trotz der vielen Meinungsübereinstimmungen – nicht gelungen über die problematische Begrifflichkeit hinwegzusehen. Eine Wortmeldung weist auf eine Definition hin, die Migranten als Zugvögel beschreibe und fragt, warum nicht von ImmigrantInnen gesprochen wird. Linke antwortet, dass der Begriff „MigrantIn“ lediglich ein gemeinsamer Nenner ist, der klären soll von wem wir sprechen, räumt aber ein, dass das nicht ausreichen kann. Die Betroffen selber, fügt Linke noch hinzu, würden sich selbst als AusländerInnen oder ImmigrantInnen bezeichnen. Für das Forschungsprojekt wurde der Migrationshintergrund anhand der anderen Sprache oder Kultur oder der expliziten Nennung der Herkunft bestimmt. Das sei „ein Hilfsmittel“ gewesen. Außerhalb der Methodik bezeichne „Migrationshintergrund“ vor allem sozial benachteiligte Menschen „oder die, von denen wir das glauben“, erwidert Vassiliou-Enz. Sie vermutet „soziale Hierarchien“ hinter diesem Konstrukt, indem als MigratInnen v.a. diejenigen bezeichnet werden, die aus armen Verhältnissen kommen.

Auf lange Sicht müsse dieses Anhängsel „mit“ oder „ohne“ Migrationshintergrund verschwinden. Abschließend lässt sich festhalten, dass weiterhin eine differenzierte Berichterstattung und der Einstieg von MigrantInnen in den Journalismus gefördert werden muss. Das versucht das Netzwerk „Neue Deutsche Medienmacher“. „Nur an Geld fehlt es uns noch“, sagt Vassiliou-Enz. Für Linke ist zudem wichtig, dass die Forschung vorangetrieben wird, sie rechnet damit, dass das Problem komplexer und deshalb wichtiger wird.

Grundsätzlich müsste weiterhin auf dieses Thema Aufmerksam gemacht und dafür sensibilisiert werden. Mit dem 38. Green Ladies Lunch hat das Gunda-Werner-Institut den notwendigen Diskussionsrahmen geboten.