Hatespeech im Internet

Teaser Bild Untertitel
„Das Internet hat Sexismus und Rassismus nicht befördert. Es ist ein Instrument, um solche Einstellungen zu äußern, aber nicht die Ursache.“

Am 31.05.2016 fand die Tagung des Gunda-Werner-Instituts “Gegner*innenaufklärung – In-formationen und Analysen zu Anti-Feminismus” statt. Im Rahmen der Veranstaltung wurden mehrere Tagungsberichte von Stipendiat_innen der Heinrich-Böll-Stiftung verfasst.

Stalking, Beleidigungen, Gewaltandrohung bis hin zu Vergewaltigungen und Tod - unter dem Begriff Hate Speech werden solche Taten und Drohungen im Internet zusammengefasst. Zu diesem Thema hat Jasna Strick am Nachmittag einen Workshop gehalten. Als Autorin, Online-Redakteurin und feministische Aktivistin, die an den Kampagnen #aufschrei und #ausnahmslos[1] mitgewirkt hat, ist sie selbst Opfer von Gewalt im Netz. In ihrem Workshop hielt sie zunächst einen Input, um Hate Speech und ihre Folgen zu erklären. In der anschließenden Diskussion lag der Fokus auf einem Austausch von Strategien, wie Betroffene mit dieser Gewalt umgehen können.

Ihren Vortrag startete Jasna Strick mit einer Definition. Nach Jörg Meibauer[2] ist Hate Speech „(…) der sprachliche Ausdruck von Hass gegen Personen oder Gruppen (…), insbesondere durch die Verwendung von Ausdrücken, die der Herabsetzung und Verunglimpfung von Bevölkerungsgruppen dienen“. Hate Speech trifft nicht alle Menschen gleichwertig, sondern besonders diejenigen, die auch außerhalb des Internets gesellschaftlich diskriminiert werden. Das erklärt die Amadeu-Antonio-Stiftung in ihrer Broschüre „Geh sterben!“: „Grundlage für Hate Speech ist immer eine bestehende Diskriminierung von Gruppen auf Grund von Hautfarbe, Gender, Sexualität, ethnischem Hintergrund oder Religion. Hate Speech funktioniert nur, wenn sie eine kollektiv verankerte Abwertung anspricht und in Einklang mit gesellschaftlicher Diskriminierung steht.“ Deshalb sei es für unterschiedliche Menschen auch unterschiedlich gefährlich, sich öffentlich im Internet politisch zu äußern.

Dabei betonte Strick: „Das Internet hat Sexismus und Rassismus nicht befördert. Es ist ein Instrument, um solche Einstellungen zu äußern, aber nicht die Ursache.“ Diese gesellschaftlichen Probleme gab es schon vor dem Internet. Deshalb kann es auch niemals eine Lösung sein, sich wieder vom Internet abzuwenden. Gesellschaftliche Probleme müssen anders bekämpft und gelöst werden.

Dass von Hate Speech sehr viele betroffen seien, zeigte Strick mit einer Statistik der Agentur der EU für Grundrechte: 11 Prozent aller Frauen in der EU sind bereits Opfer von Onlinebelästigung geworden. Unter den 18- bis 29-Jährigen ist es jede Fünfte.

Auch die Arbeitsweise der Verfasser von Hate Speech versuchte Strick zu erklären: „Anti-feministische Gruppen sind im Internet sehr gut organisiert“, betonte sie. Durch gegenseitige Verlinkungen schafften sie es, dass anti-feministische, hasserfüllte Seiten wie WikiMANNia auch bei Suchmaschinen wie Google weit oben gelistet und so von vielen Menschen gefunden und gelesen werden. Außerdem seien die Hater meist sehr gut juristisch informiert und kennen Tricks, wie sie rechtliche Konsequenzen vermeiden. „Zum Beispiel wird im Impressum dann Istanbul als Ort angegeben. Da greifen keine deutschen  Gesetze“, erklärte Strick. Die strafrechtliche Verfolgung von Hate Speech sei sowieso sehr schwierig. Weil es um kontextabhängige Äußerungen geht, können keine konkreten Sätze und Wörter verboten werden. Die Möglichkeit der strafrechtlichen Verfolgung hängt stark von der Einschätzung der Behörden ab.

Für Jasna Strick sei Hate Speech ein „bedrohliches Grundrauschen“ in ihrem Alltag geworden. Dazu gehören Stalking, Beleidigungen und Gewaltandrohungen bis hin zu Vergewaltigung und Tod. Die Verfasser von Hate Speech speichern zahlreiche Informationen über die bedrohte Person und veröffentlichen diese, oft auch erst zu einem späteren Zeitpunkt. Hate Speech käme nicht nur als Antwort auf politische Äußerungen, „sondern auch, wenn ich Bilder von mir oder meinem Essen poste“, erzählte Jasna Strick. Außerdem wird sogenantes Doxing betrieben, das Recherchieren von persönlichen Daten wie Arbeitgeber*in, Adresse oder der privaten Handynummer. Oft passiert das auf illegalen Wegen durch das Knacken von Passwörtern. Hate Speech bleibt dadurch nicht nur im Internet, sondern wirkt sich auch unmittelbar in der realen Welt durch Anrufe am Arbeitsplatz oder persönliches Auflauern aus.

Strick lehnt es aus diesem Grund ab, Hate Speech nur als virtuelle Bedrohung zu betrachten und forderte Konsequenzen für die nicht-virtuelle Welt. „Wir brauchen bei feministischen Veranstaltungen Sicherheitskonzepte“, verlangte die Autorin. Dass anti-feministische Online Hater eine reale Bedrohung seien, hätten die Fälle von Anders Breivik und Elliot Rodger, der in Kalifornien 2014 sechs Menschen tötete, gezeigt. Beide hatten ihre Taten vorher mehrfach im Internet angekündigt. „Dass irgendwann eine Person mit Gewaltfantasien an der nächsten Straßenecke lauert, ist für mich kein undenkbarer Fall“, sagte Strick.

Gegen Ende ihres Vortrags ging Jasna Strick auf Folgen von Hate Speech ein. Schwierig sei es, konkrete Äußerungen zu treffen, da Folgen bisher kaum erforscht sind. Denkbare Folgen seien Angstzustände, Verfolgungsgefühle, Zwangserkrankungen und Essstörungen. Zieht man parallelen zu den Folgen von Mobbing sei auch Suizidgefahr nicht ausgeschlossen. Es sei sehr wichtig, gegen Hate Speech gesamtgesellschaftlich aktiv zu werden, forderte Strick zum Abschluss ihres Input-Vortrags.

DISKUSSION: WIE UMGEHEN MIT HATE SPEECH?

Nach dem Vortrag tauschten sich die Teilnehmer*innen über eigene Erfahrungen und Strategien gegen Hate Speech aus. Einige hatten selbst Erfahrungen mit Hate Speech gemacht. Eine Person berichtete von Mails, die persönlich an sie gerichtet waren. Auch wenn ihr klar sei, dass es rein beleidigend und bedrohend gemeint war, hätte das Folgen auf ihr weiteres Handeln und Denken gehabt. Zum einen hätte sie an sich selbst gezweifelt. Außerdem sie sei vorsichtiger geworden mit öffentlichen Äußerungen.  Der Gedanke, sich zunehmend selbst zu zensieren, trete bei vielen Betroffenen ein, berichtete Strick. Eine Teilnehmerin berichtete, dass sie auch auf aggressive Kommentare immer noch versuche, nett zu reagieren, um nicht zu provozieren.

Die Teilnehmenden sammelten gemeinsam weitere Strategien, wie mit Hate Speech umgegangen werden könne. Die bedrohlichen Nachrichten können ignoriert werden, was für Betroffene aber oft schwierig ist. Man könne sie löschen, bei den Verantwortlichen der Seite oder des sozialen Netzwerks melden.  Sei man selbst für die Seite verantwortlich, könne man die Diskussion moderieren. Man könne die Äußerungen politisieren. Oft eigne sich dafür ein anderer Ort als der Ort, an dem die Hate Speech ausgeübt wurde, berichtet Jasna Strick aus ihrer Erfahrung: „Wenn ich auf Twitter angegriffen werde, hilft es nicht so viel, mich dort zu wehren, sondern das beispielsweise bei einem Vortrag zu thematisieren.“ Diskutiert wurde auch, wie sinnvoll es ist, humorvoll zu kontern. Als positives Beispiel wurde die ironische Anleitung von Renate Künast zum Schreiben von Hasskommentaren genannt[3].

Ein konkreter Tipp sei, sich gegen Hate Speech und Hacker mit sicheren Passwörtern zu schützen. Auf feministischen Homepages gäbe es Anleitungen für sichere Passwörter. Eine juristische Möglichkeit ist, Anzeige zu erstatten. Auch wenn strafrechtlich oft keine Erfolgschance bestehe, sei es zumindest eine Möglichkeit, sich konkret zu wehren. 

Wichtig sei es, Hate Speech sichtbar zu machen. Sich als Betroffene eigene Räume zu schaffen, in denen sicher kommuniziert werden könne und sich klar zu machen, dass man nicht mit jedem diskutieren muss. Sich so solidarisch zu organisieren und der Hate Speech entgegen zu stellen sei sehr hilfreich. Eine Idee, die seit dem Talk von Kübra Gümüsay auf dem Kongress Republika unter dem Schlagwort #OrganisierteLiebe kursiert. Dazu sei es auch wichtig, Wünsche an sein eigenes Umfeld zu formulieren. Die Teilnehmenden wünschten sich, dass sich Menschen an Betroffene im Privaten wenden und einfach fragen, wie man der Person helfen könnte. Telefonisch könnten Argumente gemeinsam abgeklärt werden, um eine gemeinsame Strategie zu fahren. Oft helfe das auch schon präventiv.

Außerdem wünschten sich die Teilnehmenden, öfter öffentlich Komplimente zu bekommen. Eine weitere Idee war, sich das Mailpostfach von Freund*innen filtern zu lassen, um nicht selbst all die Hassmails lesen zu müssen. Bei gemeinsam betriebenen Blogs könnten jeweils die anderen die Moderation der Kommentare unter dem eigenen Text übernehmen. Eine weitere Hilfe sei, wenn Autor*innen nicht ihre eigene Adresse im Impressum angeben müssten, sondern Institutionen ihre Adresse zur Verfügung stellen würden. Auch könnten Betroffene zu Veranstaltungen begleitet werden, um sich sicherer zu fühlen.

Und auch Wünsche an die Medien wurden formuliert. Es müssten unbedingt professionelle Leute für die Moderation der Kommentarspalten eingestellt werden, denen auf Grund der hohen Belastung auch eine psychologische Betreuung zur Seite stünde.

 

[1] #aufschrei ist eine Online-Kampagne zur Sichtbarmachung von Alltagssexismus, #ausnahmslos eine Initiative von verschiedenen feministischen Aktivist*innen nach den Vorfällen in der Kölner Silvesternacht 2015 mit dem Ziel, die Debatte verstärkt intersektional zu betrachten, also auch unter einer konsequent anti-rassistischen Perspektive.

[2] Jörg Meibauer: Hassrede – von der Sprache zur Politik.