Wie wählen die amerikanischen Frauen?

Feministischer Zwischenruf

Trump kann sich nach neuen Vorwürfen der massiven sexuellen Belästigung nicht mehr darauf herausreden, er habe lediglich ein loses Mundwerk. Er könnte die Frauen, diese erstaunlich disparate Gruppe, gegen ihn einen. Doch werden Sie alle Hillary Clinton wählen?

Menschenmenge, Frau deutlich zu erkennen
Teaser Bild Untertitel
Die Frauen könnten zum Zünglein an der Wahlurne werden.

Alles geheuchelt, die ganze Aufregung über Trump. Das meint eine seiner Anhängerinnen, von der FAZ befragt. Sexismus, Übergriffe – das habe man doch alles schon gewusst. Jetzt eine große Geschichte daraus zu machen, sei der Gipfel der Scheinheiligkeit. Eine andere sagt, sie heiße natürlich nicht alles gut, was Trump mache oder sage. Aber ihr seien eben andere Themen wichtiger: die illegale Einwanderung etwa oder die Bedrohung durch Russland. All die schmutzigen Geschichten über Trump seien bloß ein Ablenkungsmanöver der Demokraten.

Frauen stimmen nicht nach Identität ab. Das war ein alter Irrtum von Hillary Clinton, die noch heute  darauf setzt, dass alle anderen Frauen ebenso begeistert von der Idee seien, eine erste Frau ins Weiße Haus zu bringen, die glücklicherweise auch noch gerade Hillary heißt, wie sie selbst. Schon im Vorwahlkampf stellte sich heraus, dass dieses Thema bei den jüngeren Frauen nicht mehr verfängt. Sie sehen sich so oder so auf dem Vormarsch. Ob nun Hillary die erste wird, oder eine andere Frau bei der nächsten Wahl, das ist ihnen nicht so wichtig. Die Glasdecke, so ist ihr Empfinden, ist nicht so dick, wie Hillary sie gerne ausmalt – und es bedarf keiner Super-Hillary, die sie mit vereinten weiblichen Kräften für uns alle durchbricht.

Heide Oestreich ist Redakteurin der taz, die tageszeitung und betreut dort vor allem die Geschlechter- und Gesellschaftspolitik. 2004 erschien von ihr das Buch "Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam". 2009 wurde sie vom Journalistenverband Berlin Brandenburg für ihre langjährige Berichterstattung über unbewußte Geschlechterklischees mit dem Preis "Der lange Atem" ausgezeichnet.

Sie könnten sich irren, die jungen Frauen, mehr noch, sie könnten tatsächlich selbst einer Art Sexismus aufgesessen sein. Denn die Behauptung,  es sei für die Frauen alles bereits zum Besten bestellt und kein weiterer Kampf nötig, das ist ein patriarchaler Trick, um weitere Emanzipation auszubremsen. Von dem anderen patriarchalen Trick, weibliche Kandidaten als unsympathisch darzustellen, brauchen wir gar nicht mehr zu reden. Das Mannweib, die Zicke, die Unauthentische – obwohl jeder weiß, dass es kein genuines Bild von mächtiger Weiblichkeit gibt und jede Frau mit Macht erstmal gewöhnungsbedürftig und also „unauthentisch“ wirkt – das sind Urteile und Vorurteile, die auch Frauen mit Freuden weiter tragen.

Besonders irre wirkte das in der Mitte des Wahlkampfes, als die Medien immer betonten, die beiden Kandidaten seien ähnlich unbeliebt – und die Sachebene völlig außen vor ließen. Clinton ist die kompetenteste Kandidatin aller Zeiten? Egal, aber sie ist unsympathisch und damit auf einer Ebene mit Trump.

Auch diese Figur hat mittlerweile ihre Schuldigkeit getan und kann abgeheftet werden. Der Schluss des Wahlkampfes versinkt im Morast. Trump kann sich nach neuen Vorwürfen der massiven sexuellen Belästigung nicht mehr darauf herausreden, er habe lediglich ein loses Mundwerk. Sein Sexismus hat zu einer nationalen Debatte geführt, die vielen Frauen deutlich macht, dass die weibliche Emanzipation in den USA keinesfalls abgeschlossen ist.  Auch Trumps Versuch, Bill Clinton als ähnlichen Schwerenöter darzustellen wie er einer ist, dürfte scheitern. Denn zur Wahl steht immer noch Hillary und nicht Bill. Ein potenzielles Opfer, kein potenzieller Täter.

Trump könnte damit geschafft haben, was zuvor keineswegs klar war: Er könnte die Frauen, diese erstaunlich disparate Gruppe, einen. Und wenn sie geeint sind, dann haben sie die Macht: Wahlanalytiker rechnen damit, dass etwa 54 Prozent der Wählenden Frauen sein werden. Sie können Clinton ins Amt bringen. Und dabei sind die vielen von Trump abgestoßenen Männer noch gar nicht mitgezählt…