Es geht voran: Meine liebsten Serien-Ermittler*innen

Feministischer Zwischenruf

Sowohl im Kino als auch in Serien gibt es immer mehr selbstbestimmte Frauen, wenngleich noch allzu häufig in Nebenrollen.

Eine Schüssel mit Popcorn
Teaser Bild Untertitel
Programmvorschläge für den nächsten Serien-Marathon

Die große Leinwand ist reif für selbstbestimmte Frauen. Die „Ghostbusters“, „Ocean’s 8“ und „Doctor Who“ kündigen mit ihren weiblichen Hauptrollen das Ende der Ära des weiblichen Sidekicks an. Schluss mit Frauen als ewige Gespielinnen, Ehefrauen oder Sekretärinnen, die nur das männliche Zentrum stabilisieren. Diese Entwicklung macht sogar vor James Bond nicht Halt. Natürlich waren Traditionalist*innen von einer Jane Bond empört, was Gillian Anderson, die mögliche Kandidatin, aber wenig beeindruckte.

Auch auf dem „kleinen Screen“ rocken die Frauen zunehmend die spannenden Geschichten, wenngleich noch allzu häufig in Nebenrollen.

Die Sherlock Holmes Serienadaption „Elementary“ hat mit Joan Watson schon umgesetzt, was Jane Bond bisher verwehrt bleibt. Lucy Liu spielt seit 2012 die ehemalige Ärztin Joan Watson zwar immer noch als zweite Hauptrolle neben dem weltberühmten Detektiv, aber mit deutlich mehr Selbstbewusstsein und Integrität als man es von dessen rechter Hand John Watson sonst gewohnt ist. Ein Jammer, dass „Elementary“ bislang im Schatten der rein männlich besetzten und sehr erfolgreichen Version „Sherlock“ steht, die zwei Jahre zuvor startete. Andernfalls fiele es viel mehr auf, dass in der Rolle der Joan Watson überraschenderweise Intellekt und Sex-Appeal nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Der Thriller ist weiblich

In anderen Serien haben sich die Ermittlerinnen schon durchgesetzt und die Hauptrollen ergattert. Stella Gibson in „The Fall“, wird von der bereits erwähnten Gillian Anderson umwerfend präzise gespielt. Als erfahrene Polizistin wird sie zu einer laufenden Serienkiller-Ermittlung hinzugezogen. Ihre Autorität wird dabei nie in Frage gestellt. Ihr weibliches Geschlecht führt nicht automatisch zu Betroffenheit in den Ermittlungen gegen den Frauenmörder. Stattdessen erscheint sie als charismatische Strategin mit glasklarer Analyse und selbstbewusster Sexualität, die mit Margaret Atwoods berühmten Zitat „Men are afraid that women will laugh at them. Women are afraid that men will kill them,“ mal eben die Gewaltförmigkeit der Geschlechterverhältnisse umreißt.

Als Kontrast zu Gibson lässt sich die Rolle der Sarah Linden, dargestellt von Mireille Enos, in „The Killing“ lesen. Zwar ist Linden auch ihrem männlichen Ermittlungspartner überstellt, lässt ihn dies aber immer wieder spüren. Sie ist chaotisch, suchtstrukturiert, wütend und herb. Mit ihrem privaten Leben ist sie vielfach überfordert und entscheidet sich in der Vereinbarkeitsfrage intuitiv immer wieder dafür, die Arbeit über ihre Familie stellen und riskiert damit den Verlust des Sorgerechts ihres jugendlichen Sohnes. Folge um Folge verfinstert sich die Lebenssituation der Kommissarin dramatisch. Trotzdem ist ihre Leidenschaftlichkeit für ihren Job packend und weitgehend frei von weiblichen Stereotypen.

Sookee ist Rapperin und Feministin, politisch und in Partylaune, kämpferisch und harmoniebedürftig. Widersprüche sind eine ihrer leichtesten Übungen, wie sich auf 6 Solo-Releases und dutzenden Kollabos nachhören lässt. Sookee lebt in Berlin und streut von dort aus Idealismus und kritische Analysen auf internationale Bühnen, Podien, Squats, Feuilletons und in die Biographien vieler Menschen.

Die vier ungewöhnlichen Ermittlerinnen in „The Bletchley Circle“ kommen gar nicht erst dazu, ihre Charaktere exzentrisch zu entfalten, denn das gesellschaftliche Korsett der 1950er Jahre zwingt sie ihre Kenntnisse und ihren Wissensdurst im Verborgenen zu halten. So ermitteln die einstigen Kryptoanalytikerinnen, die im Zweiten Weltkrieg an der Entschlüsselung des deutschen Nachrichtenverkehrs arbeiteten, an einem Fall, den die Polizei nicht zu lösen im Stande ist, erfolgreich auf eigene Faust.

Die neue Frau in den 1920ern

Auch die von Liv Lisa Fries gespielte Figur der Charlotte Ritter in „Babylon Berlin“ kämpft mit den sozialen Barrieren, die es ihr als Frau in den 1920er Jahren über bald zwei Staffeln verunmöglichen, offiziell als Polizistin zu arbeiten. Nichtsdestotrotz heftet sie sich an die Fersen der eigentlichen Ermittler, die versuchen einen Putsch zu verhindern, und ist ihnen stets weit voraus. Gleichzeitig stemmt sie noch zwei weitere Jobs, um ihre Familie über Wasser zu halten. Leider spielt auch sie nicht die Hauptrolle. Eine Figur, die in diesem historischen Setting derart emanzipiert, willensstark, gewitzt, großschnäuzig und autonom auftritt, verdient definitiv einen eigenen Spin-Off.

Zwar auch nur Nebenrollen im Plot, aber unbedingt nennenswert sind die beiden Polizistinnen Teri Darego und Eunice Noon in der Dramedy-Serie „The End of The Fucking World“. Selten wurde eine lesbische Konstellation so unaufgeregt und entgegen des pornographisierenden Male Gaze erzählt wie hier. Irgendwo zwischen schrägen Momenten im Dienst nach einer betrunkenen Nacht und tatsächlichem Hingezogensein bewegt sich das ungleiche Paar parallel zu dem absurd-mörderischen Roadtrip der jugendlichen Protagonist*innen. Auf den zweiten Blick erkennt man im Übrigen Gemma Whelan als Eunice Noon, die bereits in „Game of Thrones“ die queere Yara Greyjoy eindrücklich allem Genderkonformismus zuwider spielte.

Das Beste zum Schluss

Die komplexeste und imposanteste Ermittlerin im gegenwärtigen Serien-Kosmos ist zweifellos die Anwältin Professor Annalise Keating in „How To Get Away With Murder“. Viola Davis ist mehrfach für die Darstellung dieser steinharten, zweifelnden und verzweifelten Figur ausgezeichnet worden. Zurecht, sie hat Fernsehgeschichte geschrieben. Keating ist einerseits als machtbewusste, kompromisslose und autoritäre Superfrau angelegt, von der man aber andererseits auch nach und nach erfährt, wie abgründig sie vom Leben gezeichnet ist. Sie immer wieder volltrunken am Boden der Tatsachen zerschellen zu sehen ist schmerzhaft, aber auch das gehört in die Welt einer Figur, die sich ohne Rücksicht auf Verluste aus den Fesseln Vorhersehbarkeit löst.