Let’s talk about reproduktive Rechte

Feministischer Zwischenruf

Schwangerschaftsabbrüche müssen legal werden. Auch in Deutschland. Ein feministsicher Zwischenruf.

Mit Kreide steht auf Asphalt geschreiben: You got this
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Schwangere müssen selber entscheiden können, was der richtige Weg für sie ist

Die Ir*innen haben am 25. Mai mit überwältigender Mehrheit gegen das scharfe Abtreibungsverbot gestimmt: 66,4 % sagten Yes und sprachen sich damit für einen straffreien Abbruch innerhalb der ersten zwölf Wochen aus. Der Premierminister sprach von einer „leisen Revolution“: von nun an würden Frauen nicht mehr als Bürgerinnen zweiter Klasse behandelt.

Auch bei #MeToo kann man nicht vom seven-month-itch sprechen, eher von seven-month-jetzt-erst recht. Und wer „mein“ und „Körper“ und „gehört“ und „mir“ sagt, muss auch irgendwann „Weg mit dem §218“ sagen.

Kleine Geschichtsstunde

Erinnert Ihr Euch noch, als tausende Frauen* in den 70ern und 80ern und 90ern auf die Straße gegangen sind, um gegen den Abtreibungsparagraphen zu demonstrieren? Trotzdem steht auf der Webseite des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend noch immer: „Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland nach §218 Strafgesetzbuch (StGB) grundsätzlich für alle Beteiligten strafbar“. Die wenigsten, zumal Jüngeren, sind sich der harschen Regelung in Deutschland bewusst, denn gnädigerweise gewährt der Staat „Ausnahmen“. Sekunde! Ist darauf hinweisen schon Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch?

Dann würde das unter §219a fallen. Der besagt, dass, wer öffentlich über Schwangerschaftsabbrüche informiert, „mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“ werden kann. So geschehen im November 2017, als die Gießener Gynäkologin Kristina Hänel zu 40 Tagessätzen à 150 Euro, insgesamt 6.000 Euro, Strafe verurteilt wurde, weil sie auf ihrer Webseite darüber informierte, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführt.

Seitdem bleibt Menschen (ja, hier steht Menschen und nicht Frauen, da nicht nur Frauen schwanger werden können), die eine*n geeignete*n Ärzt*in suchen, vor allem babykaust.de. Dort werden neben Fotos zerstückelter Föten die Namen und Adressen der „Kindstöter“ aufgelistet, damit es einfacher ist, gegen diese Anzeige wegen Verstoß gegen §219a zu erstatten. Zu empfehlen ist stattdessen: abtreibung.at Hier gibt es alle nötigen Informationen und Adressen – legal, weil der Provider sich in Österreich befindet und nicht in Deutschland.

Dass es den § 219a überhaupt gibt, wussten bislang nur wenige und es entspricht auch nicht dem mehrheitlichen Lebensgefühl, es fühlt sich so an wie Irland vor dem Referendum. Also versprachen SPD, Grüne, FDP und Die Linke, den anachronistischen §219a abzuschaffen. Was kann da schiefgehen? Immerhin haben sie zusammen die Stimmmehrheit im Bundestag. Doch es ging schief, denn die CDU pfiff die SPD zurück. Die große Koalition einigte sich darauf, dass es spätestens bis zum Sommer einen neuen Regierungsentwurf geben würde. Daraus wurde ... kein neuer Regierungsentwurf. Als Zugeständnis soll nun (eventuell) eine Liste der Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten an „geeigneter Stelle“ veröffentlicht werden, etwa bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. 

Die gesundheitliche Versorgung ist nicht mehr gesichert

Wenn das so weitergeht, ist das aber gar nicht mehr notwendig, da immer weniger Ärzt*innen Abtreibungen anbieten. In Niederbayern ist es nur noch einer - in Zahlen: 1 -  und der würde mit seinen 70 Jahren gerne in Rente gehen, doch da sein*e nächste*r Kolleg*in 120 Kilometer entfernt praktiziert, macht Dr. Michael Spandau weiter.

Dass das so ist liegt nicht oder zumindest nicht nur an den Bayern. Im Studium lernen angehende Ärzt*innen bundesweit nahezu nichts über Abbrüche, immerhin einen der häufigsten gynäkologischen Eingriffe. An der Berliner Charité, immerhin Europas größer Uniklinik, gibt es ein einziges 90minütiges Modul dazu, das über – und jetzt kommt‘s – ethische und rechtliche Konflikte informiert. Also organisiert die Hochschulgruppe Medical Students for Choice selbst Workshops, um mehr über den Eingriff zu lernen – und zwar an Papayas. Das ist das nächste zu einer Gebärmutter, das sie haben. Und wenn sie die Instrumente zu weit einführen, kommen diese hinten wieder heraus, genauso wie bei einer Gebärmutter! Mehr Informationen wären nicht nur in Ordnung, sondern medizinisch indiziert. Und da haben wir noch gar nicht über medikamentöse Abbrüchen gesprochen, die deutlich schonender sind, oder über die Notwendigkeit, mehr Forschung in weitere Alternativen zu stecken.

Auch Geburten sind Jens Spahn zu teuer

Da Abbrüche so schwer zu haben sind, liegt der Schluss nahe, dass dann wenigstens Gebährende in Deutschland in Plüsch und Luxus gebettet werden. Ha, bloody ha. Immer mehr Geburtsstationen schließen. Sylt hat gar keine mehr. Woraufhin Jens Spahn seine Qualifikation als Gesundheitsminister mit dem (später von ihm dementierten) Satz bewies: "Eine Geburt passiert ja nicht plötzlich und auch nicht alle zwei Wochen. Da kann man schon mal bereit sein, weiter zu fahren." 

Doch, genau das tun Geburten. Nur eines tun sie relativ selten, zum ausgezählten Zeitpunkt stattfinden. Und mit Wehen Fahrad, Straßenbahn, Zug oder auch nur Auto fahren zu müssen gehört zu den Dingen, die ich unter Folter zählen würde. Aber auch wenn sie Kreißsäle haben, lehnen immer mehr Krankenhäuser Gebährende ab, weil sie schlicht ausgelastetet sind. Weshalb immer mehr Kinder im Auto geboren werden. Die Elterninitiative Mother Hood hat eine Reisewarnung für Schwangere ausgesprochen: Fahrt oder wohnt nicht in Bayern oder Hessen oder Meckenburg Vorpommern oder Berlin oder Hamburg und erst recht nicht in Sylt, Föhr und Fehrmarn.

Da die Bundesregierung verständlicherweise damit ausgelastet ist, diesen Missstand umgehend zu beheben, möchte ich sie entlasten und hiermit meinem Entwurf für eine Gesetzesnovelle vorstellen. Abbrüche werden legal, daher auch nicht mehr im Strafrecht geregelt. Doch übernehmen wir der Einfachheit halber die altbekannte Ziffer 218.

§218 Schangerschaftsabbruch (neu)

  1. Wer eine Schwangerschaft abbrechen will, muss dafür angemessene Unterstützung und medizinische Betreuung erhalten.
  2. Wer eine Schwangerschaft abbrechen will, ist verpflichtet, sich zeitnah um eine Terminierung zu bemühen. Ebenso muss diese zeitnah zur Verfügung gestellt werden.
  3. Eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren ist die Strafe, wenn eine Person

1. eine Abtreibung gegen den Willen der*des Schwangeren vornimmt oder

2. leichtfertig die Gefahr des Todes oder eine schwere Gesundheitsschädigung der*des Schwangeren verursacht. Dies ist ebenfalls gegeben, wenn diese Gefahr durch mangelnde Ausbildung zustande kommt, haftbar sind dann die Ausbildungsstätten. Medizinische Universitäten sind daher verpflichtet, umfassende Lerneinheiten zu Schwangerschaftsabbrüchen zu unterrichten. 

(4) Bei jedem Schwangerschaftsabbruch muss eine Hebamme gestellt werden, die Vor- und Nachsorge übernimmt und bei Wunsch der*des Abtreibenden auch eine Hausabtreibung durchführt. Da es gegen die Sorgfaltspflicht verstößt Patient*innen nach einem solchen Eingriff alleine zu lassen, ob dies in Anspruch genommen wir, ist dem Ermessen der*des Abtreibenden überlassen.

§ 218a besondere Notlagen
So eine*r Schwangere*r eine Schwangerschaft aus einer Notlage heraus terminieren will, müssen ihr*ihm alle möglichen Unterstützungen gegeben werden, die Schwangerschaft, so dies ihr*sein Wunsch ist, austragen zu können.

§219 Beratung
Ein*e Schwangere*r sollte umfassende Beratungs- und Unterstützungsangebote bekommen. Dabei steht der Wille und Würde der schwangeren Person im Mittelpunkt der Beratung. Die Beratung ist freiwillig.

§219a Informationen über den Schwangerschaftsabbruch

Informationen über Schwangerschaftsabbrüche – Methoden und Anbieter – sind für Gesundheitsämter und gynäkologische Praxen verpflichtend. Ausnahme sind Gewissensentscheidungen von Mitarbeiter*innen oder Ärzt*innen, doch dann ist das Amt oder die Klinik verpflichtet, Patient*innen an Kolleg*innen zu verweisen, die die Informationen zur Verfügung stellen. Selbstbestimmte Entscheidungen können nur auf Basis von umfasser Information erfolgen.