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Estland

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Geschlechterpolitische Situation in Estland

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Kurzbeschreibung und -bewertung

Das Thema Gleichstellung war vor den politischen Transformationsprozessen Ende der 1990ziger Jahre kein Thema bzw. wurde es nicht wie heute Gegenstand der Analyse. Gleichstellung bedeutete, dass Frauen und Männer voll erwerbstätig waren; aber die traditionellen Rollen der Mutter und des Vaters blieben im Privaten bestehen. Die estnischen Frauen waren (und sind es bis heute) doppelt vergesellschaftet. D.h., dass sie sowohl in die Erwerbs- als auch in die Familienarbeit voll eingebunden sind.

Estland ist seit 2004 Mitglied der Europäischen Union. Gleichstellungsrechte auf nationaler, politischer Ebene konnten sich durch europäische und internationale Ressourcen institutionalisieren. Zwar wurde ein modernes Gleichstellungsgesetz verabschiedet, doch bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass dieses praktisch in der Gesellschaft umgesetzt und gelebt wird. Im Gegenteil, es scheint in Estland einen Trend zur Re-Traditionalisierung der Geschlechterverhältnisse zu geben. Eine geschlechterstereotype Arbeitsteilung spiegelt sich bis heute in einer geschlechterspezifischen Segregation des Arbeitsmarktes wider. Zudem hat Estland europaweit das höchste Lohngefälle, also der größte sogenannte „Pay-Gap“. Siehe: Tackling the gender pay gap in the European Union (PDF, 28 Seiten, 5,3 MB, englisch)

Die meisten Aktivitäten in Richtung Gleichstellung wurden und werden von der EU und den nördlichen Nachbarstaaten finanziert. In der estnischen Gesellschaft wird diese Hilfe meist missverstanden – man muss die Direktiven erfüllen, um auch an den Rest der europäischen Unterstützung zu kommen. Hier besteht großer Aufklärungsbedarf bei den Medien und den Menschen.

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Rechtslage

Rechtslage

Gegenwärtige Situation

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Umsetzung des unionsrechtlichen Besitzstandes im Bereich der Geschlechtergleichstellung sind insgesamt zufriedenstellend. Außerdem zeichnet sich Estland durch einige begrüßenswerte Neuerungen wie zum Beispiel das staatlich finanzierte Elterngeld aus. Der entsprechende Rechtsrahmen ist jedoch relativ neu, und zahlreiche Inhalte müssen erst noch in der Praxis umgesetzt werden. Ein Bereich, den internationale Stellen als problematisch bezeichnet haben, ist die Finanzierung der verschiedenen Aktivitäten, zum Beispiel der Einrichtung der/des Beauftragten für Geschlechtergleichstellung und Gleichbehandlung, deren/dessen Aufgabe vor allem darin besteht, die Einhaltung des Geschlechtergleichstellungsgesetzes zu überwachen. Insgesamt hat aufgrund der Pflicht zur Umsetzung der EU-Gleichstellungsrichtlinien und insbesondere aufgrund der Einrichtung des Amts der/des Beauftragten für Geschlechtergleichstellung und Gleichbehandlung das Bewusstsein für Diskriminierungsfragen in der Öffentlichkeit zugenommen.

Nach der estnischen Verfassung sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich; niemand darf diskriminiert werden, auch nicht aufgrund des Geschlechts. Fragen der Geschlechtergleichstellung sind vorwiegend im Gesetz über die Gleichstellung von Frauen und Männern (GlG) von 2004 geregelt. Das GlG findet auf alle „Bereiche des gesellschaftlichen Lebens“ Anwendung, mit zwei Ausnahmen: (1) Glaubensbekenntnis und Glaubenspraxis sowie Arbeit von Geistlichen in eingetragenen religiösen Vereinigungen und (2) Familienbeziehungen bzw. Beziehungen im Privatleben.

Der Geltungsbereich des GlG ist damit breiter als der der EU-Richtlinien, da er alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens erfasst.

Das GlG enthält die Definitionen der wichtigsten Begriffe. Es verbietet unmittelbare und mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person aufgrund ihres Geschlechts weniger günstig behandelt wird als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Eine weniger günstige Behandlung einer Person im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt, Kindererziehung und der Ausübung familiärer Pflichten sowie sexuelle Belästigung stellen ebenfalls eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar. Mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien, Verfahren oder Aktivitäten Angehörige des einen Geschlechts gegenüber Angehörigen des anderen Geschlechts benachteiligen, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist durch ein legitimes Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind angemessen und erforderlich. Das Gesetz erlaubt, dass besondere Maßnahmen zur Förderung der Geschlechtergleichstellung getroffen und dem unterrepräsentierten Geschlecht Vergünstigungen eingeräumt werden. Die Anweisung zur Diskriminierung einer Person gilt ebenfalls als Diskriminierung.

Darüber hinaus verbietet das Gesetz sexuelle Belästigung und Belästigung aufgrund des Geschlechts. Als sexuelle Belästigung gilt jede Form einer unerwünschten verbalen, nicht-verbalen oder physischen Verhaltensweise oder Aktivität sexueller Natur, die bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein beunruhigendes, von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Als Belästigung aufgrund des Geschlechts gilt eine unerwünschte auf das Geschlecht einer Person bezogene Verhaltensweise oder Aktivität, die bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein beunruhigendes, von Einschüchterungen, Anfeindungen,

zitiert aus: Prechal, Burri, van Ejken „Geschlechtergleichstellungsrecht in 33 europäischen Ländern“, Europäische Kommission, Generaldirektion Justiz, Referat JUST/D/2, Thema Gleichstellungsrecht, 2011

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Antidiskriminierungsgesetz

Im GIG sind Diskriminierungsgründe geregelt.

Die Europäische Kommission hat am 20. November 2009 beschlossen, ihre beim Europäischen Gerichtshof anhängige Klage gegen Estland wegen Nichtumsetzung von EU-Vorschriften zum Verbot von geschlechtsspezifischen Diskriminierungen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (Richtlinie 2004/113/EG) zurückzuziehen, da Estland neue Änderungen an seinem Gleichstellungsgesetz angenommen und damit die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht abgeschlossen hatte.

Die Kommission hatte Estland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt, da es nicht alle notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie gemäß Artikel 226 EG-Vertrag mitgeteilt hatte.

Diese Richtlinie untersagt geschlechtsspezifische Diskriminierungen außerhalb des Arbeitsmarktes, indirekte und direkte Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sowie Belästigung und sexuelle Belästigung. Die Richtlinie gilt für Güter und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen und die außerhalb des Bereichs des Privat- und Familienlebens angeboten werden. Sie gilt jedoch nicht für Medien- und Werbeinhalte oder für die Bereiche Bildung, Beschäftigung und Beruf. Erfasst sind dagegen beispielsweise Bereiche wie Verkehr, Wohnungssektor, Hotelunterbringung, Gesundheitsversorgung sowie Bank- und Versicherungswesen.

Quelle:

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Gesetze zu Quoten v.a. im politischen und wirtschaftlichen Bereich

Es sind keine Regelungen vorhanden.

Diskussion zur Quote am Beispiel von Frauen in wirtschaftlichen Entscheidungspositionen:

Estland zählt nicht mehr als 20 börsennotierte Unternehmen , daneben gibt es allerdings eine beträchtliche Zahl von Privatbetrieben und Organisationen in Staatseigentum. Insgesamt fällt die weibliche Teilhabe an Spitzenpositionen schwach aus. Bei der Bereinigung des geschlechtsspezifische n Ungleichgewichts in den obersten Führungsgremien von Unternehmen stellen sich zahlreiche Hürden, allen voran die allgemeine Wahrnehmung von Frauen in der Geschäftswelt und die Verstärkung dieses Bilds in den Medien. Ein Teil des Problems rührt daher, dass freie Plätze in Vorstands- und Aufsichtsgremien sowohl im privaten als (bis zu einem gewissen Grad) auch im öffentlichen Sektor vielfach nicht publik gemacht werden, sondern über – tendenziell männerdominierte – Netzwerke und im Verborgenen besetzt werden. Das geltende Gleichstellungsgesetz bezieht sich nicht explizit auf die Zusammensetzung von Leitungsgremien; es heißt lediglich, dass diese Gremien „wenn möglich“ gemischtgeschlechtlich zusammengesetzt werden sollen – die optionale Beschaffenheit dieser Erfordernis hat sich offenbar weithin durchgesetzt. Das deklarierte Ziel lautet hierbei, dass es Unternehmen frei gestellt sein soll, im Interesse der Unternehmensleistung die am besten geeigneten Vorstandsmitglieder auszuwählen. Insofern findet die jüngste Debatte über die Einführung einer Quotenregelung nur wenig Unterstützung.

Quelle: http://ec.europa.eu/justice/gender-equality/files/exchange_of_good_practice_no/summary_report_no_2012_de.pdf

Die Stimmung hinsichtlich der vom Europäischen Parlament angestrebten 40% Quote für Vorstände und Aufsichtsräte ist auf nationaler Regierungsebene weniger positiv: news.err.ee: Social Affairs Minister Blasts Gender Quotas

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Weitere Gesetze/rechtliche Regelungen + Regierungsprogramme

Die Geschlechtergleichstellung ist im Sozialministerium verankert. (www.sm.ee)

Es existiert ein Nationaler Aktionsplan zu Gleichstellung der Geschlechter (PDF, 20 Seiten, 850 KB, englisch).

Es existiert „Estonia’s Action Plan for the Implementation of UN Security Council Resolution 1325“ (PDF, 20 Seiten, 850 KB, englisch).

Auf die Seiten für Gleichstellung der Geschlechter kommt man über “Tegevus” und dann “sooline võrdõiguslikkus“. Die meisten Informationen sind auf estnisch vorhanden ebenso wie das Programm „Die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter 2011-2013“.

Es gibt eine etwas schmalere englische Version der Ministeriumsseite, auf der man unter dem Stichwort Gender Equality ganz gute Suchergebnisse erzielen kann.

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Aktueller politischer Diskurs

 

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Akteur_innen

Akteur_innen

NGO’s: Parteien, zivilgesellschaftliche Organisationen

Estonian Women`s Associations Roundtable (EWAR)/ Eesti Naisteühenduste Ümarlaud
Estonian Women’s Associations  Roundtable (EWAR) ist ein offenes und demokratisches Frauennetzwerk, das auf Kooperationen basiert. Es hat den Anspruch gemeinsame Positionen in Bezug auf wichtige gesellschaftliche Fragen, die Frauen betreffen, zu beziehen. Zudem will die Frauenvereinigung die partizipative Demokratie und die Gleichstellung zwischen Männern und Frauen vorantreiben.

Die konkreten Themen sind u.a. Gewalt gegen Frauen, Gehaltsgefälle zwischen Frauen und Männern, fehlende Beteiligung der Männer bei der Kindererziehung und fehlende Frauen in Entscheidungspositionen. Dazu werden Projekte, Unterstützungs- und Protestaktionen organisiert.

www.enu.ee (ist auf estnisch und zum Teil russisch und englisch verfügbar)

Kontakt:
Narva mnt 25-410 Tallinn 10120
e-mail enu@enu.ee 
+3725265927, eha.reitelmann@enu.ee

Estonian Association of Business and Professional Women/Eesti Ettevõtlike Naiste Assotsiatsioon (EENA)
Die Non-Profit-Organisation EENA wurde 1992 gegründet mit dem Anspruch, Frauen in der Arbeitswelt zu ermutigen, miteinander zu kooperieren; Ideen und Meinungen auszutauschen. Ziel ist es, Berufs-, Geschäfts- und Führungspotenzial der Frauen durch Mentoring, Vernetzung, Kompetenzerwerb, Interessenvertretung sowie Stärkung der Projekte auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene zu stärken.

www.bpw-estonia.ee (auf estnisch, schmalere Version auch auf englisch)

Faehlmanni 3-2
10125 Tallinn
E-mail: info@bpw-estonia.ee

ETNA Estonia
Die NGO ETNA Estonia will Frauen aus ganz Estland zusammenführen, die Interesse an Geschäftsgründungen haben. Der Fokus liegt hierbei auf einem Ausgleich der städtischen und der ländlichen Entwicklung. Die Ziele von ETNA sind u.a. das weibliche Unternehmerinnentum im ländlichen Raum zu unterstützen, Netzwerke aufzubauen, zu entwickeln und zu koordinieren und das alles unter den Grundsätzen der Geschlechtergleichstellung und des Gender Mainstreaming.

www.fem.ee

Kontakt:
MTÜ ETNA EESTIMAAL
Kesk 3-7,
Tapa 45106, Lääne-Virumaa 
fem@fem.ee%20

ENUT
The Estonian Women’s Studies and Resource Centre/ Eesti Naisuurimus- ja Teabekeskus ist ein gemeinnützige, öffentliches Forschungszentrum an der Tallinn Universität.

Kontakt:
Narva mnt. 25-410
10120 Tallinn
Tel./ Fax (372) 6409 173
enut@enut.ee

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Wissenschaft

Wissenschaft

Universitäten

Unit of Gender Studies (Institute of Sociology and Social Policy, University of Tartu) (http://www.ut.ee/gender) (auf Englisch und Estnisch verfügbar)

Es ist anzumerken, dass diese Website unregelmäßig gepflegt wird; die letzte Aktualisierung erfolgte Anfang 2012, aktuelle Informationen (u.a. zur Forschung und zu Kursen) lassen sich hier nicht finden.

Kontakt
Unit of Gender Studies
Institute of Sociology and Social Policy
University of Tartu
36-405 Lossi St., 51003 Tartu, ESTONIA
Phone: +372 7 375930
E-mail: gender@ut.ee

Centre for Gender Studies an der Universität Tallin (Institute of International and Social Studies, University of  Tallin) (http://www.tlu.ee/en/institute-of-international-and-social-studies) (Englisch)

Es lassen sich jedoch auf Englisch keine Inhalte, Aktivitäten, Publikationen finden. Lediglich der Kontakt:

Tallinn University Institute of International and Social Studies
Uus-Sadama 5
10120 Tallinn
Estonia

E-mail: sotsioloogia@tlu.ee

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Quellen

Beschreibung der Quellenlage

Die Quellenlage ist durchschnittlich. Die Schlüsseldokumente zum Thema Gleichstellungspolitik sind ausschließlich auf estnisch verfügbar. Dabei ist das zentrale Suchwort für Geschlecht im Sinne von Gender  auf estnisch „sugu“, bzw. Gleichstellung „võrdsus“, Geschlechtergerechtigkeit „sooline õiglus”. Es ist kaum was zu finden unter englischen Schlüsselwörtern.

Benennung der relevanten Quellen

Internetadressen wurden immer direkt im Kontext genannt, bzw. direkt verlinkt.

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Relevante Weiterführende Dokumente

Literaturhinweise

Interessant

Weit weg von der Gleichstellung  - Homosexuelle in Estland, Beitrag D-Radio vom 8.4.2013,
http://www.deutschlandradiokultur.de/weit-weg-von-der-gleichstellung.979.de.html?dram:article_id=242876

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Ergebnisse einer Recherche von Tanja Berger und Pamela Dorsch 2010 im Auftrag des Gunda-Werner-Instituts der Heinrich-Böll-Stiftung. Zuletzt aktualisiert: 2014.


Alle Bilder, sofern nicht anders gekennzeichnet: Public Domain CC0