Monika Hauser in der Unterausschuss-Sitzung Zivile Krisenprävention am 13.12.10

Monika Hauser am Redner_innenpult

Rede als Sachverständige

Dr. Monika Hauser, medica mondiale e.V. Köln

Auf die Frage nach den Haupthindernissen für die Umsetzung der Inhalte der UN-Res. 1325

kann ich Ihnen nur sehr deutlich sagen: es fehlt das grundlegende Verständnis für die große sicherheits- und friedenspolitische Bedeutung des Themenbereichs Frauen, Frieden und Sicherheit. Frauen- und Genderthemen gelten noch immer als unangenehmer Nebenschauplatz.

Die Umsetzung der Resolution wird nicht als wirkliche Chance zur Konfliktbearbeitung und Konfliktprävention gesehen, die zu Veränderungen auf der regionalen, nationalen und globalen Ebene führen könnte! Und zwar zu nachhaltigen Veränderungen im wirklichen Sinn von Peacekeeping, die zu mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern führen könnten, welches mit Sicherheit Einfluss hätte auf zwischen- und innerstaatliche Konflikte, was im Fernziel unabdingbar zu friedlicheren Gesellschaften führen würde!

Bis dahin ist es allerdings ein langer Weg - ich wäre schon froh, wenn hierzulande ein Verständnis für die außen- und sicherheitspolitische Relevanz der Res. 1325 gegeben wäre, und dass es einer systematischen und bereichsübergreifenden Implementierung mittels eines Nationalen Aktionsplanes mit realistischen Indikatoren, angemessenen finanziellen und personellen Ressourcen und verbindlichen Zeitvorgaben bedarf. Leider sehe ich hierzu keinen politischen Willen noch eine Ernsthaftigkeit - ich würde mir wünschen, dass diesem Thema mindestens ebenso viel Bedeutung beigemessen wird wie dem Anti-Terrorkampf.

Wie sehr es sich rächt, keine kohärente Strategie zu haben, zeigt die Situation heute in Afghanistan. Hätten wir von Beginn an - als das window of opportunities noch geöffnet war, als die Bundesrepublik noch ein hohes Ansehen vor Ort hatte, als die militärische Situation noch nicht so verfahren war, - hätten wir also von Beginn an ein Primat der friedenspolitischen Maßnahmen gehabt, sprich konfliktbearbeitenden Maßnahmen, die eng mit den Leitlinien von 1325 gekoppelt gewesen wären, sähe die Situation heute sicher anders aus! Der Aufbau gleichberechtigter Strukturen und entsprechender Umsetzungen im Sicherheits- und Justizsystem und dem Wiederaufbau wäre handlungsleitend gewesen. Demokratisch gesinnte Kräfte, über 30% davon Frauen, hätten von vorneherein den Friedensprozess und somit die Geschicke ihres Landes mitgestaltet; der Aufbau von Good Governance und von tragfähigen Strukturen in der Zivilgesellschaft wäre dabei prioritär gewesen; um das zu realisieren, wären von Beginn an massive Ressourcen in den Aufbau einer demokratisch eingestellten Polizei geflossen, ein hoher Frauenanteil hätte dank breit angelegter aufklärerischer Öffentlichkeits-Kampagnen gewonnen werden können; zur tatsächlichen Verankerung der Gleichstellung der Geschlechter wäre das Augenmerk nicht nur auf die Verfassung gerichtet worden, sondern auf den frühzeitig hohen Frauenanteil im Justizapparat, und darauf, ob und wie die Gesetze implementiert werden. (Elopement?) Statt wilder Einzelaktionen bezüglich der gezielten Ausbildungs-Förderung der weiblichen Bevölkerung wäre eine Koordination anhand klarer Kriterien erfolgt; die Bekämpfung von jeglichen Gewaltformen gegen Frauen und Mädchen hätte auf allen Ebenen eine hohe Priorität gehabt, usw.

Und dabei wären Sie natürlich nicht umhin gekommen, den mühsamen Weg des Capacity Buildings zu beschreiten - nichts anderes haben wir gemacht: doch die Ausbildung und Stärkung von Human Ressources ist der Hauptteil unserer Arbeit. Aber es lohnt sich: nach nun 8 Jahren intensiver Begleitung ist das Projekt vor Ort mit 70 einheimischen Mitarbeiterinnen an den Standorten Kabul, Mazar und Herat fähig, in nationaler Eigenregie vorwärtszugehen.

Aber was Sie natürlich auch von Beginn an hätten machen müssen, ist die Auseinandersetzung mit der Frage der Warlords - Männer wie Dostum & Co hätten auf die Anklagebank nach Den Haag gehört und nicht an den Verhandlungstisch auf den Petersberg! Die Widersprüche, die sich daraus ergeben haben, zusammen mit denen der Antiterrorallianz mit den USA, waren und sind nicht vereinbar mit den Leitlinien einer konfliktpräventiven Politik und nichts anderes ist die Res. 1325. Mit der maßgeblichen Partizipation von Frauen auf der internationalen Seite - jenseits des militärischen Primats und der emotional gesteuerten US-Antiterrorpolitik, als auch auf afghanischer Seite - jenseits der auf Machterhalt ausgerichteten Interessenspolitik der Clanchefs und Warlords, können wir davon ausgehen: es wären andere politische Inhalte zustande gekommen!

Ein Hauptproblem der auf Machterhalt ausgerichteten Politik ist die Straflosigkeit, die so verheerende Auswirkungen hat - wie wollen Sie denn eine Reform der Sicherheitssektors bewerkstelligen, wenn Kriegsverbrecher und Vergewaltiger ungestraft davon kommen? Die Täter fühlen sich bestärkt, was wiederum eine gewaltfördernde Wirkung bei großen Teilen der männlichen Bevölkerung hat, und eine völlig demoralisierende bei der weiblichen. Die Ende 2008 von Karzai beschlossene Amnestie - völlig entgegen seinem eigenen nationalen Aktionsplan zu Übergangsjustiz und Versöhnung - verhöhnt und retraumatisiert doch die Hunderttausenden von schwer traumatisierten Überlebenden. Auf welchem Fundament soll denn Befriedung in diese Gesellschaft kommen, wenn Gerechtigkeit bedeutet, dass die Vergewaltiger der Kriegsjahre frei ausgehen und nun ungestraft weiter vergewaltigen können? Hier hätte doch der Aufschrei der IG kommen müssen - gerade die deutsche Nachkriegsgesellschaft weiß doch, dass sich auf Gewalt und unbewältigten Traumata keine friedliche Gesellschaft aufbauen lässt!? Dies ist auch in der Res. 1320 (und 1820) festgeschrieben, weil sie davon ausgeht, dass Sicherheit viel komplexer zu betrachten ist - ohne Bestrafung der Vergewaltiger, ohne Benennung der Taten wird Gewalt gegen Frauen weiterhin und potenziert vorkommen!

Fördern Sie zur strafrechtlichen Verfolgung sexualisierter Kriegs- und Nachkriegsgewalt eine unabhängige, nicht-korrupte und genderbewußte Justiz. Dazu gehört systematische und kontinuierliche Aus- und Fortbildungen von Justizpersonal, gehört, dass Justiz auch in ländlichen Gebieten zugänglich gemacht wird - dieser Beitrag zum Aufbau von Rechtsstaatlichkeit ist übrigens auch unmittelbar konfliktpräventiv, denn das Fehlen von Rechtsstaatlichkeit war und ist vielerorts eine Kriegsursache. Nutzen Sie dazu die Expertise von medica mondiale bei der strafrechtlichen Verfolgung sexualisierter Kriegsgewalt - letzte Woche haben wir gemeinsam mit Margot Wallström, der UN-Sonderbeauftragten „zur Prävention von sexualisierter Kriegsgewalt" in Sarajewo eine Runden Tisch veranstaltet, an dem wir die Erkenntnisse unserer aktuellen Zeuginnenstudie mit bosnischen Fachleuten diskutiert haben.

Was ich hier unbedingt ansprechen will, ist die Problematik der einsatzvorbereitenden Ausbildung für all jene, die in Missionen militärisch oder zivil tätig sind. Hier müssen Gender-Trainings zu den Inhalten geschlechterbasierte Gewalt und sexuelle Ausbeutung in Krieg und Nachkriegsgesellschaften, zu militarisierter Männlichkeit und der Reflektion von eigenem Verhalten obligatorisch und zum Standard werden, (und noch stärker konzeptionell als Querschnittsthema in Aktionspläne und Leitlinien eingebunden werden). Zero-Toleranz gegenüber sexuellem Fehlverhalten muss Ausbildungsinhalt sein, v.a auch unter Berücksichtigung der negativen Folgen für die Frauen, Mädchen und Männer der lokalen Gesellschaften. Seit bald über 10 Jahren versucht mm mit dem Bundesverteidigungsministerium dazu ins Gespräch zu kommen - leider ohne wirklichen Erfolg, es herrscht eine völlige Intransparenz zu den einsatzvorbereitenden Schulungen. Gerade auch im Hinblick auf die Bundeswehrreform ist hier seitens der Verantwortlichen dringend mehr Ernsthaftigkeit geboten.

Machen Sie Ihre Konzepte nicht ohne systematische Beratungen durch die Expertinnen, die Sie hierzulande dazu haben, wie zB den Frauen-Sicherheitsrat. Medica mondiale wird international angefragt - die Bundesregierung scheint jedoch nicht sonderlich interessiert an unserem bald 18-jährigen Wissen zu sein. Nutzen Sie vor Ort das Wissen der einheimischen Frauenrechtsaktivistinnen, das bedeutet für diese neben Stärkung und Anerkennung auch erhöhten Schutz. Konsultieren Sie die Zivilgesellschaft in angemessener Weise, allerdings nicht dergestalt, wie Sie das für diese Anhörung getan haben - die seitenweise Beantwortung Ihrer Fragen ohne entsprechende Honorierung halte ich nicht für einen wertschätzenden Kooperationsstil.

Abschließend möchte ich Ihnen sagen, dass es sich definitiv lohnt, heute mit der Umsetzung der Res. 1325 zu beginnen und jetzt endlich gezielt und systematisch vorzugehen. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch, wir haben endlich mit Margot Wallström eine engagierte UN-Verantwortliche mit einem klaren Mandat, mit der strategisch kooperiert werden kann - Sie können sich damit nicht nur international ein hohes Renommee verschaffen, sondern Sie können vor allem für die Frauen und Mädchen vor Ort den Unterschied machen!

Im Dezember 2010

Dr. Monika Hauser
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied und Gründerin von medica mondiale e.V.
Trägerin des Alternativen Nobelpreises 2008

medica mondiale e.V.
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