Feministische Perspektive auf den Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

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Im Auftrag des GWI haben Jana Günther und Magdalena Freudenschuß den Gleichstellungsbericht der Bundesregierung aus einer feministischen Perspektive betrachtet und gravierende Leerstellen und Einseitigkeiten festgestellt

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Erstellt im Auftrag des Gunda-Werner-Instituts

Abstract

Aus feministischer Perspektive ist das Gutachten der Sachverständigenkommission (Gleichstellungsbericht) als ein positiver Schritt in Richtung Geschlechtergleichstellung einzuordnen. Allerdings zeigen sich aus queer-feministisch interdependenter Perspektive auch gravierende Leerstellen und Einseitigkeiten.

So folgt der Gleichstellungsbericht insgesamt einer Logik der Machbarkeit innerhalb eines zurückgebauten Sozialstaates und forciert das Leitbild eines „Adult Worker Models“. Das Hauptaugenmerk liegt auf den Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Ausbildung/Berufstätigkeit, um die Erwerbsarbeitsbeteilung auch von Frauen in höherem Ausmaß zu ermöglichen. Der Gleichstellungsbericht setzt damit Erwerbsarbeitsbeteiligung und ökonomisches Wachstum als zentrale Maßstäbe für Gleichstellung ein. Diesen Ökonomismus durchbricht der Bericht nur vereinzelt.

Der Bericht arbeitet mit dem Konzept der Verwirklichungschancen und fächert diese breit auf. Dieser theoretisch-konzeptionelle Anspruch bleibt allerdings uneingelöst. Politische Partizipationschancen bleiben ebenso unberücksichtigt wie Selbstbestimmungsmöglichkeiten jenseits des ökonomischen Rahmens. Dabei werden einige aus feministischer Sicht zentrale Fragen vernachlässigt: Welche institutionellen Voraussetzungen braucht Selbstbestimmung neben der Möglichkeit zur eigenständigen Existenzsicherung? Welche Auswirkungen auf Verwirklichungschancen produzieren Interdependenzen sozialer Ungleichheitskategorien wie Klasse, Geschlecht und Herkunft? Welche Rolle spielt die symbolische Ordnung für Gleichstellungspolitik?

Die Frauen- und Geschlechterforschung macht seit geraumer Zeit auf die Verschränkungen von verschiedenen Strukturkategorien (Intersektionalität/Interdependenz) aufmerksam; der Bericht blendet diese allerdings weitgehend aus. Er privilegiert die Verwirklichungschancen von weißen, heterosexuellen, deutschen Subjekten, die in klassischen Familienkonstellationen leben, und entwickelt damit gleichstellungspolitische Perspektiven, die dem Pluralismus der deutschen Gesellschaft nicht gerecht werden.

Die Empfehlungen dieser feministischen Expertise zum ersten Gleichstellungsbericht beziehen sich insbesondere auf diesen Punkt: Sie betonen die Notwendigkeit einer interdependenten Analyse gesellschaftlicher Ungleichheitsverhältnisse rund um die Kategorie Geschlecht, sodass sich gleichstellungspolitische Empfehlungen nicht allein an der Dominanzgesellschaft ausrichten. Nur so können Maßstäbe entwickelt werden, die die Ökonomisierung des Sozialen kritisch zu hinterfragen ermöglichen.

Komplette Expertise von Jana Günther und Magdalena Freudenschuß zum ersten Gleichstellungsbericht als »PDF download.