CDU-Frauen und die Quote – kein Zwang zur Geschlechtersolidarität

Feministischer Zwischenruf

Vergangene Woche gab es ein ziemliches Tohuwabohu um die Frauen in der CDU, insbesondere wegen der Quote. Für das normale Wahlvolk waren die Konfliktlinien nicht sofort ersichtlich. Ein Gesetz zur Frauenquote wurde doch abgeschmettert, nein? Sogar von der Leyen hatte mit ihrer Partei gegen die Quote gestimmt, insofern hat sie ihr eigenes Projekt verraten – richtig?

Grünes Licht für die Frauenquote – ab 2020
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Grünes Licht für die Frauenquote – ab 2020
Nicht ganz. Die Frauenquote wird zwar nicht im Gesetz, aber doch immerhin im Wahlprogramm der CDU verankert: Ab 2020 soll es in den Aufsichtsräten von börsennotierten Unternehmen eine 30-Prozent-Quote geben. Das ist natürlich eine popelige Bestimmung für ein Land, in dem man sich wünschen würde, dass alle einflussreichen Posten bereits heute ungefähr geschlechterparitätisch besetzt wären. Aber lassen wir das. Wenn frau sich in die CDU eindenken will, muss sie Abstriche machen. Diese popelige Bestimmung also werteten nicht nur viele CDU-ler, sondern auch viele Zeitungs-Kommentatoren als Sieg von der Leyens.

Einige CDU-ler waren ihr dafür dankbar, andere hingegen schwer beleidigt. Und zwar wurde es je nachdem als „Taktieren“, „Hintergehen“, „Hinterhältigkeit“ oder gar „Erpressung“ bezeichnet, dass von der Leyen dafür sorgte, dass der Gesetzesentwurf wieder zur Vorlage kam – und zwar anscheinend nach Absprachen mit Gleichgesinnten anderer Parteien, so auch Renate Künast. Außerdem habe sie die unausgesprochene (?) Drohung, für die Quote zu stimmen, benutzt, um das Thema immerhin im Wahlprogramm zu verankern.

Ich brauche wohl nicht extra darauf hinzuweisen, dass die Vorwürfe des Taktierens, Hintergehens, Erpressens etc. bei einem männlichen Politiker nicht zur Anwendung kommen. Mit diesem Vorwurfshagel hat von der Leyen endlich jenen Grad der Anerkennung erreicht, den bisher nur Angela Merkels „genoss“. Seit Jahren lässt sich der Kanzlerin bekanntlich alles auf einmal vorwerfen, zum Beispiel: Sie sei eine Marionette der Lobbies – oder sie benutze ihre Mitspieler wie Marionetten. Sie sitze Entscheidungen aus – und sie werfe alles plötzlich um. Sie richte sich stets nach dem Willen der Mehrheit – und sie treffe Entscheidungen im Alleingang. Wo der Double Standard so fröhlich wütet, liegt die Quintessenz eigentlich ganz woanders, und zwar: Merkel und von der Leyen beherrschen das Spiel der Macht. Das nimmt man ihnen übel. Und so wirft diese Quoten-Chose vor allem ein Licht darauf, in welcher Welt sich Spitzen-Politikerinnen wie von der Leyen und Merkel bewegen, und dennoch bewähren.

Vergleichen wir nun mit Kristina Schröder. Ebenfalls vergangene Woche wurde berichtet, dass sie nicht erneut als Ministerin antreten wolle; sie vermisse ihr Töchterchen und wolle sich mehr der Mutterschaft widmen. So etwa stand es, ohne Schröders eigenen Wortlaut, aber mit Zitaten von einigen ihrer hessischen Parteikollegen, im Focus. Ich schrieb die Pressestelle des Ministeriums an und erhielt die Antwort, man bitte um Verständnis, man wolle nicht kommentieren.

Wie ungeschickt, denn so oder steht Schröder schwach da: Entweder sie kapituliert vor der berüchtigten Unvereinbarkeit von Beruf und Familie – ausgerechnet sie, deren Aufgabe es gewesen wäre, die Vereinbarkeit zu institutionalisieren. Oder aber sie hat den CDU-Kollegen, die ihr Selbiges unterstellen, nichts entgegenzusetzen und lässt zu, dass sie dasteht wie eine Ministerin mit verlorener Stimme auf verlorenem Posten. Oder aber sie versteckt sich hinter solchen Kollegen – zu feige, selbst zu sagen, wo sie hin will.

Ich würde das gern zusammenfassen mit: Schröder verhält sich wie ein Mädchen. Über diesen Satz habe ich lange nachgedacht. Er ist natürlich unmöglich. Es ist ja keine Schande, ein Mädchen zu sein; wie also ließe sich dieses Wort als Schimpfwort verwenden? Dennoch rücken beharrlich Wörter auf meine Zunge (oder Fingerspitzen), die ich eben noch als sexistisch kritisierte. Unter anderem empfinde ich Schröder als „Verräterin“ – und zwar an der Gruppe berufstätig (sein wollender) Frauen.

Aber was soll das denn nun wieder heißen?! Ich nenne keinen Mann einen Verräter, der Frau und Kinder allein zu Hause lässt. Ich würde auch keinen Mann kritisieren, der das Handtuch würfe, weil er sich nach seinem Kind sehnte. Ganz im Gegenteil: Bejubeln würden wir ihn, ihm hawaiianische Blumenkränze flechten! Und so muss ich wohl die feministische Fairness zu Ende denken und zugestehen: Jede Frau hat das Recht, als Ministerin ebenso zu versagen wie ihre männliche Kollegen. Auch Kristina Schröder.

Verraten, Hintergehen und Taktieren: Es gibt keinen Zwang zur Geschlechtersolidarität. Schröder hat nie welche gezeigt. Von der Leyen hat welche bewiesen, als sie parteiübergreifend für die Quote agierte. Und Merkel? Merkel handelt seit eh und je, als gäbe es die Frage des Geschlechts gar nicht. Ganz im Ernst: Ich finde, gerade bei einer Kanzlerin ist auch das eine politische Leistung, eine feministische Tugend.