„The World must change, not the women“

Weltkugel vor dem UN-Hauptgebäude in New York
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Weltkugel vor dem UN-Hauptgebäude in New York

Vom 9. bis 20. März tagt in New York die UN-Frauenrechtskommission (FRK) zum 59. Mal. Sie überprüft nach nun mehr 20 Jahren die Umsetzung der Pekinger Aktionsplattform von 1995 die auf der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking Maßstäbe gesetzt hat für die Gestaltung und Durchsetzung von Frauenrechten weltweit.

 

8. März  2015

Gestern (07.03.2015) : Ankunft in New York nach einem ruhigen, angenehmen Flug – im gleichen Flugzeug Kooperationspartnerin und Mitstreiterin Anna v. Gall, und zufällig auch zwei Vertreterinnen des deutschen Frauenrats, natürlich auch auf dem Weg zur FRK. Pünktliches Ankommen bei freundlich-sonnigem, wenn auch kaltem Wetter. Und dann 2 Stunden Schlange stehen in stickiger und riesiger Wartehalle am JFK-Flughafen zwecks Einreisekontrolle. Menschenmassen werden in Schlangen von barschem US-Sicherheitspersonal durch Absperrungen gelotst, geschätzte 800 bis 1000. Was, wenn hier eine Panik ausbricht? Auffällig: alle Schalterbeamten mit Stempelvollmacht sind Weiße, sämtliche Aufseher_innen Schwarze oder people of coulor. Endlich am Schalter, Fingerabdrücke von beiden Händen, alle Finger,  Foto vom Auge. Schließlich durch. Aufatmen. Jede einreisende Person - eine potentiell Kriminelle? Erfreulich dann: keine weiteren Kofferkontrollen, wir sind in New York. Inzwischen ist es dunkel geworden, und die Skyline zeichnet sich auf der Fahrt nach Manhattan beeindruckend im vom Sonnenuntergang noch rötlichen Abendhimmel ab.

Mein Hotel ist sehr zentral gelegen, ca.  15 Minuten Fußweg vom UN-Gebäude entfernt, und auch nicht weiter zum Central Park.

Besonderes zum internationalen Frauentag

Heute Frauentag: eine besondere Einstiegs-Veranstaltung für zahlende Teilnehmer_innen. Der Ort ist schön und außerhalb von den zentralen und kühlen UN-Tagungsorten in Manhattan: das APOLLO Theater in Harlem,  Ein Theater in neo-klassizistisch schnörkeliger Bauweise, mit halbrunden Balkonen an den Seiten zur Bühne hin und Zuschauertribünen über 4 Stockwerke.

Fürs Netzwerken und informellen Austausch schwierig für die sicherlich mehr als 1000 Frauen und einige Männer, die gekommen sind, aber überall mit perfektem Blick auf die Bühne.

Und wenn auch die „alten“ Feministinnen, Kämpferinnen schon vor 20 Jahren in Peking, in der Mehrheit zu sein scheinen, sind doch - für mich überraschend – erfreulich viele  jüngere und  sehr junge Frauen dabei. Gute Voraussetzungen für den angesagten Intergenerationellen-Dialog.
 

„The World must change, not the women“

„The World must change, not the women“, postulieret Phumzile Mlambo-Ngcuka, die UN-Vize-Generalsekretärin und Geschäftsführerin von UN Women in ihrem Eingangsstatement, bevor Ruchira Gupta spricht, die Hauptrednerin des Vormittags. Eine indische Aktivistin und Journalistin, die seit mehr als 25 Jahren gegen sexuelle Ausbeutung, v.a. Zwangsprostitution, Mädchen-und Frauenhandel kämpft, und dadurch von zahlreichen Regierungen und internationalen Organisationen ausgezeichnet wurde. Anschaulich und plastisch beschreibt sie ihren Weg von der engagierten Journalistin, die in Bombay über Kinderprostitution kleiner Mädchen und junger Frauen recherchiert und berichtet hat, hin zur vehementen Kämpferin gegen deren Versklavung und sexuelle Ausbeutung schlimmster Art. Sie fordert die konsequente Strafverfolgung von Mädchenhändlern, Bordellbetreibern, sowie von Freiern, und problematisiert den für sie verharmlosenden Begriff des „Sex work“, der Sexarbeit, den die Prostituiertenbewegung entwickelt hat. Und nennt Prostitution generell unter großem Beifall Ausbeutung. Auch wenn sie für die Abschaffung der Prostitution kämpft, plädiert sie dafür: UN Women soll eine Position für eine breite Bewegung erarbeiten, die die unterschiedlichen und kontroversen Positionen einschließt, keine Frauen,  v.a. auch die Prostituierten nicht, ausgrenzt und den Fokus deutlich auf jede Art von Zwangsprostitution legt.

Peking+20 Errungenschaften und Herausforderungen

Danach ein Panel mit Aktivistinnen aus 8 verschiedenen Ländern, Kenia, Jordanien, Sri Lanka, Schweiz, Argentinien, Schweden, Peru und Kroatien, die für ihre Regionen und Kontinente sprechen.

Aktivistinnen aus 8 verschiedenen Ländern, Kenia, Jordanien, Sri Lanka, Schweiz, Argentinien, Schweden, Peru und Kroatien

Es ging um Errungenschaften seit der Peking Plattform vor 20 Jahren, und um Herausforderungen: was steht am dringendsten an zu tun? Bei aller Unterschiedlichkeit und Verschiedenheit nach Regionen zeigt gerade dies, wie stark Frauengruppen in ihren Regionen und Ländern geworden sind, fasst Charlotte Bunch zusammen, feministische Pionierin und Strategin, internationale Aktivistin, und US- -Professorin. Die Palette der Handlungsfelder und Aktivitäten ist breit geworden, und damit die Frauenbewegung, zu der eben alle gehören: Frauen jeder Herkunft, jeder Altersgruppe und Identitätszughörigkeit. Sie sieht und setzt zugleich auf ein Lernen von einander, in Respekt vor den Differenz in Positionen und Perspektiven.

In vielen Ländern gibt es inzwischen Gesetze und formulierte Standards für die Gleichberechtigung der Frauen und gegen Diskriminierungen, doch an der Umsetzung hapert es fast überall, wenn auch unterschiedlich. Woran liegt das, was sind die fundamentalen Widerstände und wie begegnen wir ihnen, fragt Bunch und widerlegt das verbreitete Argument: fehlende Mittel: Für Militär und Waffen sind sie ja da.

Eine Hauptherausforderungen für sie: gemeinsam dem vielfach konstatierten Roll Back zu begegnen, der v.a. in einzelnen Regionen in Militarismus und religiösen Fundamentalismus präsent ist. Es gelte, sich dagegen mit anderen Bewegungen, auch mit Männern mehr zusammen zu schließen.

Frauen an den Schaltheblen der Macht

Hauptrednerin des Tages nach dem Essen: Gertrude Mongella, erste Parlamentspräsidentin der Afrikanischen Union aus Tanzania; und altgediente Frauenaktivistin mit einer beindruckenden Lebensgeschichte und Lebensleistung.

Gertrude Mongella

Und so ist sie auch: beeindruckend, wie sie auf der Bühne steht, eine große alte Dame; die sich selbst „Mama Mongella“ nennt und Optimismus verbreitet: was haben wir in 20 Jahren alles erreicht, und was sind 20 Jahre, angesichts Jahrhunderte langer Unterdrückung und Diskriminierung. Mit Humor und in Bildern stellt sie Frauen in den  nächsten 20 Jahren als Hauptakteurinnen heraus, lastet Männern Missmanagement, Kolonisation und Kriege an und fragt: wollen wir wirklich gleich sein mit ihnen. Sie fordert ein Umdenken im Wording, Sprache, und Strukturen – die andauernde Revolution: wir brauchen  nicht neue Regierungen, die Frauenrechte durchsetzen, sondern: wir brauchen Frauen an den Schalthebeln der Macht. Nicht irgendwelche, sondern die Richtigen, ebenso wie die richtigen Männer als Verbündete. Die jungen Frauen fordert sie auf, sich dazu aufzumachen, die Altfeministinnen ihre Erfahrungen weiter zu geben. Danach: standing ovation für Gertrude Mongella.

Marsch zum 8. März

Wie gern hätte ich noch den anschließenden Intergenerationen-Dialog verfolgt. Aber das Timing ist aus dem Ruder gelaufen und in der City startet der Marsch zum 8. März, für Geschlechtergleichheit und Frauenrechte. Als ich mit zwei Mitstreiterinnen auf den Frauenmarsch stoße, haben sie sich gerade aufgemacht. Ich bin froh, mich so entschieden zu haben: Frauen, auch Männer in einer solchen Unterschiedlichkeit und Vielfalt, wie ich sie schon lange nicht erlebt habe, mit Plakaten und Parolen alle Art, Trommlern und Spruchbändern, Musikgrüppchen, mal alle durcheinander, mal nach Organisationen zu unterscheiden, und immer wieder Hallo und freudige Begrüßungen, wenn alte Bekannte sich treffen.

Auf dem Marsch zum 8.März in New York: "Rape is a weapon of war - Stop it now" - "Vergewaltigung ist eine Kriegswaffe - Schluss damit!"

Ein riesig langer, beeindruckender Marsch durch die Hauptgeschäftstraßen von Manhattan, 5th Avenue, Broadway…, mitten durch das belebte Geschäftsviertel, denn Sonntags haben die Geschäfte auch auf. Und dann noch herrlicher Sonnenschein. Was für ein Wintertag. Und Konferenzauftakt. Kaum zu schätzen, wie viele dabei sind, das werde ich morgen hören. Nach zweieinhalb Stunden Marsch bin ich platt, der Jetlag schlägt voll zu. Ich schaffe es gerade noch, mich für die Konferenz im UN-Gebäude zu akkreditieren.