Am 31.05.2016 fand die Tagung des Gunda-Werner-Instituts “Gegner*innenaufklärung – In-formationen und Analysen zu Anti-Feminismus” statt. Im Rahmen der Veranstaltung wurden mehrere Tagungsberichte von Stipendiat_innen der Heinrich-Böll-Stiftung verfasst.
Zunächst referierten die Panelist*innen kurz die Highlights ihrer Workshops, insbesondere Strategien gegen Antifeminismus. Danach gab es in der Fishbowl eine offene Debatte zum Thema „Bündnisse & Rahmenbedingungen“.
Input der Panelist*innen aus den Workshops: Strategien gegen Antifeminismus
Dr. Andreas Heilmann (Geschlechterforschung): Angriffe auf die Geschlechter-forschung kommen vor allem von Nicht-Wissenschaftler*innen. Häufig werden dabei nicht nur Gender-Studies angegriffen, sondern eine bestimmte Art (sozial- und geisteswissenschaftlich) Wissenschaft zu betreiben. Strategien:
- Bündnisse mit betroffenen Wissenschaftler*innen außerhalb der Gender-Studies; Fachgesellschaften und Forschungsverbänden als Ort der Solidarisierung
- Dialog mit der Politik suchen: Politiker*innen werden auch angegriffen und wünschen sich mehr Positionierungen aus der Wissenschaft
- Auf Differenzierung setzen und in Argumentationshilfen bestimmte Argumentationen durchspielen (Was würde die Umsetzung im Alltag bedeuten?)
- Genderforschung in einen größeren Kontext stellen (z.B. Tagesspiegel-Reihe)
- Stärkere Analyse der Gegenpositionen.
Dr. Imke Schmincke (Besorgte Eltern): Analyse, wie die Kämpfe gegen Geschlechter-gerechtigkeit, die Gleichstellung von homosexuelle Partnerschaften und Sexual-aufklärung anhand der Figur des „bedrohten Kindes“ verwoben werden. Strategien:
- Differenzieren zwischen den Initiator*innen, die eindeutige Interesse haben und denen, die von diesen Initiator*innen angesprochen werden: An welche Ängste wird mit dem Diskurs um sexuelle Vielfalt und Genderdifferenz angeschlossen?
- Ins Angstvakuum pädagogisch intervenieren (z.B. durch eigene Broschüren).
- Es geht nicht nur um Aufklärung, sondern auch darum die Rhetorik der Gegner*innen nicht implizit zu übernehmen und die irrationale Verknüpfung nicht indirekt zu bestätigen.
Jasna Strick (Hatespeech im Internet): Gewalt im Netz ist reale Gewalt mit realen Konsequenzen. Strategien:
- Medienkompetenz entwickeln (sichere Passwörter, technische Möglichkeiten kennen)
- Technische Möglichkeiten (melden, blockieren, moderieren) nutzen.
- Hatespeech Kommentare zu ironisieren und ignorieren kann problematisch sein. Manchmal ist es der richtige Weg, einen Kommentar zu ironisieren.
- Kommentare transparent machen und Diskussionen politisieren.
- Abwägen zwischen was ist eine kluge Reaktion auf Hatespeech und was ist für mich richtig und wichtig: Akzeptieren, wenn andere Menschen andere Strategien nutzen. Bevor man gegen Hatespeech vorgeht, sich mit den Betroffen absprechen.
- Von „Umstehenden“ wird Solidarität und organisierte Liebe (https://re-publica.de/16/session/organisierte-liebe) gewünscht.
Andreas Kemper (Keimzelle der Nation): Methoden der Rechtspopulist*innen: Falschdarstellungen (Hoaxs), Vereinfachungen, Verschwörungsideologien. Netzwerke, Strömungen und Vorläufer im Bezug auf Gender: Neoliberale (z.B. Alice Weidel), christlich-fundamentalistische (z.B. von Storch und ihr Netzwerk), völkisch (z.B. Höcke) + Unterstützung aus dem Ausland. Offene Fragen: Hat die Presse die AfD groß gemacht? Wie ist das Verhältnis zum Islam?
Dr. Thomas Gesterkamp (Medien): Kurzintervention gegen Verschwörungstheorien: Gender-Berichterstattung schwankt zwischen Ignoranz, Ironie und Kampagne. Journalist*innen betreiben Rudelbildung und schreiben von einander ab, aber keine Steuerung. „Hostile-Media-Effekt“: Je mehr man etwas über ein Thema weiß, desto konträrer zur eigenen Position nimmt man die Berichterstattung wahr. Strategien: Nicht nur darüber sprechen, Rechtspopulist*innen die Bühne zu nehmen, sondern Bühnen selbst wahrnehmen und Themen setzen.
Juliane Lang (Strategien): Es wurden hauptsächlich Strategien im Bezug auf AfD diskutiert. Strategien:
- Da die AfD dem Diskurs entspringt und sich nicht selbst außerhalb ihn stellt, kann man sie nicht ignorieren. Wichtiger als Dialog ist aber der Streit mit der AfD.
- Bei AfD-Funktionär*innen gilt: Nur den Streit suchen, wenn mensch rhetorisch geschult ist und d*ie Moderator*in in der Lage ist, die Diskussion einzugrenzen.
- Eigene Themen und Felder wieder diskutieren und Begriffe mit Inhalten füllen. Dabei die Waage zwischen Komplexität und Vermittelbarkeit finden.
- Breite Bündnisse nicht als Selbstzweck: Gegebenenfalls breite Bündnisse zu Gunsten einer klaren eigenen Position aufgeben.
Judith Rahner (Jugendarbeit): Wie durchdringen rechtspopulistische Thesen den Mainstream und umgekehrt? Vieles was von Rechtspopulist*innen an Themen gesetzt wird, war als „Wissen“ in der Gesellschaft schon vorhanden und muss wieder „verlernt“ werden. Strategien:
- Eigene Annahmen (einer diskriminierungsfreien Jugendarbeit) müssen in der Praxis geprüft werden (z.B. Kulturalisierung vermeiden, wenn muslimische Mädchen ein Angebot weniger stark wahrnehmen als Jungen).
- Fortbildung von Pädagog*innen und Leiter*innen.
- Einrichtungen/Mitarbeiter*innen müssen Selbstverständnisse entwickeln.
Francesca Schmidt (Anti-Feminismus im Internet): Strategien:
- Bildet Banden und vernetzt Euch! Solidarität zwischen Feminist*innen auch im Netz, zum Beispiel durch positive Rezensionen auf Amazon.
- Internet als Raum für Öffentlichkeit sichtbar machen. Feministische Vereine, Projekte ins Internet bringen und ihre Webseiten Suchmaschinen optimieren.
- Komplexitätsreduktion („bei gleichbleibender Komplexität“) à Transfer von Wissenschaft, auch in einfacher Sprache.
- Juristische und Technische Möglichkeiten nutzen.
Strukturierung durch die Moderatorin (Katharina Debus):
Bündnisse, Wissen (entwickeln, sammeln, vermitteln), Selbstverständnis (Verständigung, Schärfen von Inhalten), Öffentlichkeitsarbeit (ernst nehmen der nicht-Funktionär*innen), Proaktiv agieren nicht nur als Reaktion, Angriffe ernst nehmen und nicht normalisieren („das passiert eh im internet“), Selbstschutz (technisch, wie funktioniert Solidarität?), Umgang mit Gegner*innen à Diskussion über Bündnisse und Rahmenbedingungen.
Fishbowl zu Bündnissen:
Klassische Bündnisarbeit:
- Komplexe Inhalte müssen „übersetzt“ werden. Wissen und Bündnisse hängen zusammen. Journalist*innen mit einbeziehen.
- Bündnisse mit Politiker*innen, die auch angegriffen werden, anstreben.
- Mehr gemeinsame Räume wie diese Konferenz schaffen.
- Bestehende Bündnisse (z.B. „Aufstehen gegen Rassismus“) nutzen
- Bündnisse möglichst breit aufstellen und z.B. auch Rentner*innen mit einbeziehen
- Bündnisse müssen nicht homogen sein, Bildungsarbeit an Schulen stärken!
Intersektionalität:
- Minderheitenrechte einfordern und proaktiv erklären, warum unsere Positionen wichtig und richtig sind.
- Wichtiger als Bündnisse ist Solidarität: Wogegen wird Stimmung gemacht? Solidarität mit angegriffenen Muslimen zeigen!
- Nicht nur über Feminismus aus einer weißen Perspektive reden, sondern Intersektionalität und Diversity beachten!
- Recht und Sprache hat viel mit Klasse zu tun.
Feminismus:
- Wenn man von Bündnissen spricht muss man darüber sprechen, dass „der Feminismus“ sich permanent „zerfleischt“. Wenn der hauptsächliche Kampf innerhalb des Feminismus stattfindet, kann man kein breites Bündnis schaffen.
- Über ideologische Gräben hinweg sehen und sich auf die Bedrohung von außen konzentrieren.
- Emanzipatorisches Element des Feminismus muss wieder in die Bildungsarbeit.
Finanzierung und Rechtliches:
- Mehr Geld für Geschlechtergerechtigkeit auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene
- Fortbildungen für Ermittlungsbehörden , Gerichte und Jurist*innen im Bezug auf Hatespeech im Internet und Vereinfachung von Anzeigen.
- Nicht alles kann durch staatliche Gelder gedeckt werden. Bewegungsstiftungen und Campact als Beispiel. Zweite Ressource ist Zeit; Sich Zeit nehmen (trotz Überlastung, Prioritäten suchen) und Zeit und Geld in den eigenen Netzwerken suchen.
Strukturierung durch die Moderatorin (Katharina Debus):
Ressourcen (Zeit und Geld), Diskurs (Räume für Austausch und Kampagnen, Direkte Diskursinterventionen: Intersektionalität, eigene emanzipatorische Kraft/Vision sichtbar machen), Strukturell (Materialentwicklung, Qualifizierung)