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Antifeminismus: in der Mitte der Gesellschaft angekommen

Henning von Bargen, Leitung Gunda-Werner-Institut
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"Antifeminismus ist kein Kinderspiel und hat das Potential über ideologische Grenzen hinweg, die „Mitte“ mit dem rechten Rand zu verbinden."

Antifeminismus ist salonfähig geworden und verbindet (national)konservative, rechtspopulistische und rechtsextreme Einstellungen und Politiken in Deutschland und europaweit. Behauptet wird, „Gender-Ideologie“ und damit verbundene „Frühsexualisierung“ zerstöre das Wertefundament unserer Gesellschaft. Vom „Gender-Wahn“ ist die Rede und von omnipotenten Feminist_innen, die die Gesellschaft umerziehen wollen. Geschlechterforschung wird als „Genderterror“, und als „pseudowissenschaftlich“ diskreditiert. Die EU-Gleichstellungsstrategie Gender Mainstreaming soll abgeschafft werden. Und überhaupt – die „Entmännlichung der Gesellschaft“ und „der Staatsfeminismus“ müssen gestoppt werden.

Problematisch sind nicht nur zunehmende Hasskampagnen im Internet sowie Bedrohungen und personalisierende Angriffe. Auch eine immer stärker werdende AfD und ein Bürgertum, das sich für autoritäres und antiliberales Denken offen zeigt, verändert das gesellschaftspolitische Klima erheblich und veranlasst damit etablierte Parteien, sich nationalkonservativen Positionen - nicht nur in populistischer Manier - anzunähern.

Antifeminismus in Deutschland ist kein neues Phänomen. Verstanden werden kann unter diesem Begriff ablehnende Reaktionen auf Emanzipations- und Gleichberechtigungsforderungen von Frauen*, die sich in die Auseinandersetzungen um die Entwicklung westlicher bürgerlich-kapitalistischer Gesellschaften einmischten. Ebenso wenig ist die kritische Reflexion antifeministischer Angriffe und Bewegungen neu.

Historisch bildete sich Antifeminismus als institutionalisierte Opposition zu Strömungen der Frauen*bewegungen heraus. Der Begriff wurde im Deutschen Kaiserreich um die Wende zum 20. Jahrhundert von der Frauenrechtlerin Hedwig Dohm in ihrem Buch Die Antifeministen[1] geprägt; sie kreierte ihn in Anlehnung an den zu diesem Zeitpunkt bereits etablierten Begriff des Antisemitismus.

Sie zeigt auf, dass Antifeminist_innen sich vor allem gegen ein zentrales Ziel der damaligen Frauen*bewegung richtete: die Erwerbstätigkeit und die damit mögliche eigenständige Existenzsicherung von Frauen. Sie sahen damit das Glück und Gelingen der (heterosexuellen) Ehe gefährdet.

Heute zeigt sich Antifeminismus in einem etwas anderen Gewand. In Deutschland gehören zu diesem Spektrum u.a. die AfD, Pegida, Hogesa, Besorgte Eltern, Demo für alle, die Zivile Koalition, Lebensschützer oder christlich-fundamentalistische Organisationen wie z.B. Kirche in Not und Gruppierungen der Neuen Rechten[2]. Diese antifeministischen, geschlechtskonservativen und mitunter rassistischen Kreise mobilisieren z.T. schon seit Jahren gegen Gleichstellungspolitik und emanzipative Geschlechterbewegungen wie auch gegen die Geschlechterforschung. Durch Demonstrationen, sprachliche Subversion(Unterwanderung/-grabung) und Aktionen, die sich z.B. gegen „Gender-Wahn“ oder die „Frühsexualisierung unserer Kinder“ richten sowie gezielte Tabubrüche wollen sie Einfluss auf den öffentlichen Diskurs nehmen. An der Befürchtung, dass Feminismen zur Abschaffung der bürgerlichen Ehe und Familie führen, hat sich bis heute aber nichts geändert, zudem geht es gegenwärtig vermehrt um die Angst vor Auflösung, der als natürlich verstandenen, Zweigeschlechtlichkeit.

Unterstützung erhalten diese Gruppierungen von ultrakonservativen Publizisten, etwa in Zeitungen wie der FAZ, Focus, Cicero, Welt, oder auch der Süddeutschen Zeitung. Der Blick auf Leitmedien, Talkshows und Bestsellerlisten zeigt, dass Antifeminist_innen in den letzten Jahren „deutliche Fortschritte“ gemacht und beträchtliche Erfolge erzielt haben.[3]  

Verschiebung von Antifeminismus zu „Anti-Genderismus“

Bei aller Kontinuität antifeministischer Angriffe von damals bis heute lässt sich – so die These von Andrea Maihofer und Franziska Schutzbach - „seit den 1990er Jahren eine Verschiebung von antifeministischen zu sogenannten „anti-genderistischen“ Diskursen feststellen. Diese richten sich im Unterschied zum klassischen Antifeminismus nicht mehr primär gegen die Frauenbewegung und ihre Forderungen und Errungenschaften, sondern gegen die Geschlechterforschung und insbesondere das mit dem Gender-Begriff verbundene dekonstruktivistische Verständnis von Geschlecht.“ [4] Maihofer und Schutzbach bewerten dies als eine Art „Kulturkampf um die Entwicklung der Gesellschafts- und Geschlechterverhältnisse“, sehen dabei aber Antifeminismus nicht durch „Anti-Genderismus“ ersetzt, sondern eng miteinander verwoben. Mehr zu dieser These und weitere Einschätzungen sowie den damit verbundenen Fragen finden sich in dem Eingangsvortrag von Sebastian Scheele.

Für eine Kritik des Familismus

Im Kern geht es bei vielen antifeministischen Angriffen der letzten Zeit um die Restauration eines konservativen Familien- und Geschlechterrollenbildes und darum, „kulturelle [und politische] Hegemonie“ (Gramsci) zu erringen.[5] Der Beitrag von Gisela Notz liefert zu der Frage „Brauchen wir einen neuen Familismus?“ kritische Anmerkungen zu einem ideologisierten Familienverständnis, das Frauen und Männern eindeutige Rollen zuweist und eine auf den Wert der heterosexuellen, monogamen (Klein-)Familie aufbauende Politik restaurieren will. Gerade für Strategien im Umgang mit Antifeminismus ist dies zu berücksichtigen und das Konzept des Familismus feministisch-kritisch zu hinterfragen.[6]

Antifeminismus in der Mitte der Gesellschaft (Fazit)

Das Gunda Werner Institut beobachtet diese Entwicklungen schon länger kritisch und interveniert z.B. mit Publikationen und Veranstaltungen. Es lässt sich sicher trefflich darüber streiten, was der angemessene Umgang mit antifeministischen Aktivitäten, Akteur_innen und Netzwerken ist und ob öffentliche Debatten und Publikationen den Antifeminist_innen nicht zusätzliche Aufmerksamkeit bescheren. Wir gehen davon aus, dass Ignorieren nicht weiterhilft - spätestens jetzt, wo die AfD in immer mehr Landesparlamente eingezogen ist, ist das offensichtlich.

Eine Strategie des Umgangs mit Antifeminismus ist die sachliche Gegen-Information und Aufklärung. Denn wer auf dem Feld der geschlechterpolitischen Auseinandersetzung klug agieren will muss wissen, mit wem und was er bzw. sie es zu tun hat. Die Tagung und diese Dokumentation sind dazu ein Beitrag. In den Berichten und Inputs der Referent_innen und Workshopleiter_innen finden sie zahlreiche gute Analysen und vor allem Ideen für Strategien im Umgang mit Antifeminismus. Es ist wichtig den Kampf jetzt zu führen und nicht als Nebenschauplatz der Auseinandersetzung mit Rechtspopulismus und Rechtsextremismus auf später zu verschieben. Denn Antifeminismus ist kein Kinderspiel und hat das Potential über ideologische Grenzen hinweg, die „Mitte“ mit dem rechten Rand zu verbinden.

 

[1] Hedwig Dohm: Die Antifeministen. Ein Buch der Verteidigung. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin 1902

[4] Maihofer/Schutzbach: Vom Antifeminismus zum ‚Anti-Gendrismus‘, in: Anti-Genderismus, S.Hark/P.I.Villa(Hg.), Bielefeld, 2015, S.202