Hamburger Frauenmarsch: Sisterhood sieht anders aus

Sisterhood
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Sisterhood – immer noch unbegriffen

Es sollte ein Frauenmarsch nach US-Vorbild werden, Women‘s March in Hamburg. So erhofften sich das die Migrant*innenorganisationen wie die Kulturbrücke, Menschenrechtsorganisationen wie terre des femmes, die Frauenbildungsstätten und der Deutsche Frauenrat, der Paritätische Wohlfahrtsverband, Kirchenverbände, jüdische Gemeinde und der Sister’s March, der schon zum 8. März einen erfolgreichen Frauenmarsch auf die Beine gestellt hatte. Es sollte ein Zeichen werden gegen Islamismus und gegen Rechtsextremismus – endlich sollten sich die liberalen Kräfte, religiös oder nicht, zusammenschließen gegen beide Gefahren. Historisch hätte das werden können. Endlich ziehen Muslim*innen und Säkulare, Frauen und Männer,  an einem Strang, statt sich über Kopftuch- und Islamfragen spalten zu lassen. Am 13. Mai wollten sie rund um die Alster wandern.

Es kam ganz anders. Auf der Homepage des Marsches erschien ein unabgestimmter Absatz mit dem fatalen Bekenntnis: „Wir glauben, dass Emanzipation und Feminismus nicht mit einem Kopftuch vereinbar ist“. Zudem wurde bekannt, dass Necla Kelek und Zana Ramadani, zwei explizite Kopftuchgegnerinnen, auf der Kundgebung reden sollten. („Das Kopftuch ist das Leichentuch der freien Gesellschaft“, schreibt Ramadani etwa.) Das war das Ende.

Es hagelte Distanzierungen. Nicht nur sämtliche Moscheeverbände, auch der liberal-islamische Bund, der Paritätische Wohlfahrtsverband, das Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen und der Sister’s March sagten ab. Andere wie die Frauenbildungsstätte Denk(t)räume verhandelten – scheinbar mit Erfolg: Die Reden wurden abgesagt, die Kopftuchpassage verschwand von der Homepage.

Das war zu spät: Die Demo schrumpfte von den erwarteten 3000 auf  300 Menschen.  Und dann eine völlige Entgleisung: entgegen der Abmachung redet am Ende Necla Kelek doch noch. Landesfrauenrat und Denk(t)räume verließen entgeistert den Platz.

Sisterhood sieht anders aus. Nach einem guten Jahrzehnt Kopftuchstreit müsste wirklich jeder klar sein: Es gibt feministische Positionen für und gegen das Kopftuch. Wer die Feminist*innen einen möchte gegen den Hass, der muss für einen solchen Marsch seine Kleidungskonflikte zurück stellen. Dazu gehören auch Redner*innen, die eine Brücke schlagen können, anstatt noch mehr zu polarisieren. Wer für Frauen eintreten möchte, muss in der Lage sein, andere feministische Positionen zu tolerieren. Das ist die Lehre aus dem Women‘s March in Washington: Einheit in der Differenz. In Hamburg gab es dagegen mal wieder nur die eine Losung: Wer nicht so aussieht, wie wir uns das vorstellen, die gehört nicht dazu.

Ein vollkommen lächerlicher Konflikt um ein Kleidungsstück spaltet die Solidarität von Frauen. Es ist nicht das Kopftuch, das eine Frau zur unterdrückten Frau macht, es ist ihre Lebenssituation. Für Feminist*innen ist die Freiheit der Frauen wichtig, nicht ihre Kleidung.

Ja, aber der herrschende Islam, der ist ja so patriarchal. Ja, aber was ist denn der Papst? Warum haben die Initiator*innen kein Problem mit den Katholik*innen, deren Papst Kondome und Abtreibung verbietet und die Berufsverbote in der Kirche haben? Weil wir gelernt haben, die einzelne Frau zu sehen, die mit vielem in ihrer Kirche nicht einverstanden ist, sie aber weiter unterstützt – obwohl anderen Feminist*innen das nicht passt. Wir wissen einfach, dass Solidarität unter Frauen wichtiger ist als Differenzen mit irgendeinem Papst. Genauso ist es mit dem Islam. Wäre es. Hätte es sein können. Der Beweis steht nun immer noch aus.