Fürsorge als Waffe

Analyse

Wie gehen Kulturinstitutionen mit internen Fällen von Gewalt, Machtmissbrauch und Mehrfachdiskriminierung um? Nishant Shah analysiert in seinem Beitrag für die neue Publikation "Theater und Macht", wie Kunst- und Kulturinstitutionen sich weigern, ihre Machtstrukturen zu demontieren und Care-Arbeit lediglich performen, statt sie zu praktizieren. Hier können Sie den Sammelband kostenlos bestellen und downloaden.

Während ich versuche, diesen Artikel zu verfassen, frage ich mich, wie die Institutionen, mit denen ich zusammenarbeite, und die Communities, auf die ich für meine berufliche Zukunft angewiesen bin, darauf reagieren werden. Ich möchte zu Beginn klarstellen, dass meine Erfahrungen aus intersektionaler Perspektive bereits durch mehrere Privilegien abgemildert sind – ich hatte Positionen inne, die mit Macht und Autorität verbunden waren, und wurde von außergewöhnlichen Kollegen unterstützt, die sich nicht bedroht fühlten, sondern in existenziellen Krisen hinter mir standen. Außerdem habe ich den Vorteil, in mehrere globale Netzwerke politischer und emotionaler Solidarität eingebunden zu sein, die mir helfen, meine Arbeit fortzusetzen. Besonders in den letzten Jahren hat es mich verfolgt, wie viel intensiver, prekärer und vernichtender diese Erfahrungen und um wie viel verheerender ihre Konsequenzen für diejenigen sein müssen, die weder durch Privilegien geschützt sind noch über das kulturelle und soziale Kapital verfügen, um sich gegen Bedingungen zu wehren, die sowohl ihr Selbstbewusstsein wie ihr Vertrauen in eine professionelle Praxis aushöhlen.

Im Sommer 2020, als wir in den Niederlanden die zweite Welle der COVID19-Pandemie erlebten, erschütterten die #BlackLivesMatter-Proteste in den USA die ganze Welt. Ihre Diskurse über Race, Migration und Zugehörigkeit wurden auch in unserem Teil der Welt aufgegriffen. Für viele renommierte Kunstuniversitäten, die sich ihrer "Tradition" und "Exzellenz" rühmen, kam es überraschend, dass eben diese beiden Kategorien auch dazu gedient hatten, eine lange Geschichte der Gewalt auszublenden und Menschen, die durch Differenz gekennzeichnet sind, aus unserem Kanon und unseren Seminarräumen auszuschließen.

Es war ein Moment der Wahrheit für viele Kunst- und Kulturorganisationen auf der ganzen Welt. Auch die kosmopolitischsten Schulen, die auf die Vielfalt und Diversität ihrer Mitarbeiter*innen und Communities verweisen konnten, entsprachen nicht dem Konzept von Polyvokalität [1]. Ihre "Diversity-Arbeit" bestand darin, wie Sara Ahmed uns bereits 2012 in ihrem Buch "On Being Included: Racism and Diversity in Institutional Life" gewarnt hat, institutionelle Vielfalt zu performen, statt die Strukturen und Systeme, die eine Diversity-Arbeit erst notwendig machen, tatsächlich in Frage zu stellen und zu verändern [2].

Zu dieser Zeit fragten mich eine Reihe von Studierendengruppen und unabhängigen Kunstkollektiven an, um Vorträge zu halten, Workshops zu geben und Gespräche in "brave spaces" [3] mit Künstler*innen und Wissenschaftler*innen zu führen, die mehr über die Geschichte sozialer Bewegungen erfahren wollten. Verstehen wollten sie, wie in den institutionellen Strukturen von Kunstuniversitäten, Museen und Galerien sowie Film- und Performance-Festivals Veränderung bewirkt werden kann. Durch meine Beteiligung an den Debatten fünf solcher Gruppen in den Niederlanden, jede mit unterschiedlichen Anliegen, begann ich ein Muster zu beobachten – ein strategisch so hinterhältiges wie in seiner Entfaltung fälschlich beschwichtigendes Muster.

Der "Auslöschende Impuls institutioneller Fürsorge"

Ich habe mich entschieden, dieses Muster den "Auslöschenden Impuls institutioneller Fürsorge" zu nennen. Ohne eine bestimmte Institution beim Namen zu nennen – als ob es das Problem löste, eine von ihnen zum Sündenbock zu machen –, will ich als ein strukturelles Problem beschreiben, wie wir innerhalb der Kulturinstitutionen mit Fällen und Beispielen von Gewalt, Machtmissbrauch und Mehrfachdiskriminierung umgehen und dabei weiterhin Care-Arbeit [4]performen, statt sie tatsächlich in die Praxis umzusetzen.

Der "Auslöschende Impuls institutioneller Fürsorge" entfaltet sich in vier Schritten:

© Frank Höhne

Artikulation des Problems. Schritt eins ist am auffälligsten im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischer Gewalt: Vorfälle geschlechtsspezifischer Gewalt müssten als symptomatisch und als Kritik an der gesamten institutionellen Kultur gesehen werden, die diese Praktiken normalisiert und begünstigt hat. Stattdessen wird jeder Fall immer als ein individueller zwischenmenschlicher Konflikt dargestellt. Jedes Mal, wenn es zu einem solchen Vorfall kommt, präsentiert sich die Institution als Mediatorin. Sie stellt Untersuchungen an, bietet hoffentlich sogar Maßnahmen der Wiederherstellung sozialer Gerechtigkeit an, indem sie die Täter verurteilt und die Betroffenen unterstützt, und entbindet sich dabei von ihrer eigenen Mitschuld auch an der Fortführung solcher Praktiken. Ein generelles Problem der Institution selbst wird sofort als ein Problem zwischen zwei Personen artikuliert – Aggressor*in und Misshandelte*r –, und die Institution konzentriert sich fortan auf die Bestrafung eines einzelnen Individuums, ohne notwendigerweise die umfassendere Kultur des Missbrauchs anzusprechen, die dieses Verhalten ermöglicht hat und gleichzeitig Mauern des Schweigens um es herum errichtet. Die Institution bleibt intakt, während der Aggressor ausgeschaltet wird.

Lokalisierung des Problems. Perfide ist auch die Frage der Lokalisierung des Problems: Der Diskurs über Rassismus verwandelt sich in Schritt zwei zum Diskurs darüber, wie man mit nicht-weißen Menschen in der jeweiligen Institution umgeht. Die offenen Fragen rund um Transgender Equality werden zu Fragen, wie man besondere Vorkehrungen für diejenigen treffen kann, die sich als trans* identifizieren und ihre Forderung nach eigenen Räumen artikulieren. Hier wird ein grundlegender Denkfehler wirksam: Das allgemeine Problem wird als das Problem derjenigen definiert, die am meisten davon betroffen sind. In einem der Gespräche erzählte ein*e Teilnehmer*in, dass das Anliegen von trans*Personen, die die heteronormative Beschriftung der Toiletten in Frage stellten, umgedeutet wurde: Diese trans*Personen hätten "besondere Bedürfnisse", denen Rechnung getragen werden müsse. In einem anderen Fall wurden die Beschwerden nicht-niederländischer Studenten über das Fehlen adäquater Beschilderung oder offizieller Papiere in ihrer jeweiligen Unterrichtssprache als ein Problem von Menschen dargestellt, die Niederländisch nicht verstünden oder sich weigerten, Niederländisch zu lernen. Diskutiert wurde darüber, wie man das absolute Minimum an Ressourcen zur Verfügung stellen könne, um den nicht-niederländischen Studierenden die Orientierung auf dem Campus zu erleichtern. Dieses "bloße Minimum" würde ihnen aber niemals ermöglichen, diese Räume auch als die ihren zu betrachten.

Ressourcen, die zur Verfügung gestellt werden, um diese Probleme und Fragen anzugehen, werden oft als Zuwendungen für "spezielle Bedürfnisse" und als kosmetische Korrekturen an der bestehenden Struktur und Kultur der Institution verstanden, anstatt die implizite Diskriminierung und die strukturellen Vorurteile anzugehen, die dazu führen, dass diese Probleme überhaupt erst entstehen. Zusätzlich wird die Last des Aufarbeitens und des "Reaching-Out" auf die benachteiligten Communities abgewälzt. Durch abweisendes Verhalten und "strategisches Nichtanhören" ihrer Erzählungen und Probleme werden sie eingeschüchtert und mundtot gemacht. In den seltensten Fällen werden Lösungen auf Grundlage ihrer Kritik entwickelt. Sie werden zu "Wohlfahrtsempfänger*innen" degradiert und aus den Entscheidungsprozessen herausgehalten. Das Problem wird ghettoisiert und als Problem einer kleinen Minderheit definiert, losgelöst von den größeren Strukturen.

Re-Zentrierung der dominanten Stimme. Aktivist*innen haben oft enthüllt, wie selbst in den ungeheuerlichsten Fällen rassistisch motivierter oder geschlechts- und sexualitätsbezogener Hassverbrechen das Narrativ folgendermaßen gestaltet wird: Den Opfern und Überlebenden nimmt man die Handlungsfähigkeit, während diejenigen geschont werden, die die dominante und normative Identität repräsentieren. Das Reframing des Problems folgt dabei ganz bestimmten Mustern. Der Vorschlag, Unisex-Toiletten einzurichten, um die Inklusion von trans*Personen zu ermöglichen, löste sofort die Sorge um Cis-Frauen aus, die sich aufgrund der Anwesenheit von Nicht-Cis-Körpern in Räumen der Intimität und Verletzbarkeit unwohl und bedroht fühlen könnten. Forderungen, einen Verhaltenskodex durchzusetzen oder die Universitätsangestellten und das Lehrpersonal zu schulen, um Sensibilität für Vielfalt und Benachteiligung in der Arbeits- und Lernumgebung zu schaffen, werden abgewehrt. "Was ist mit der 'Liste der Privilegien bitte hier einfügen'-Person, die hier gearbeitet und niemals jemandem etwas Böses getan hat, die sich jetzt aber bedroht fühlt, weil ihr sie mit Misstrauen betrachtet?" Diese Frage verwandelt Privilegierte in Opfer einer aktivistischen Bewegung, die eigentlich deren implizite Bevorzugung und strukturelle Vorteile offenzulegen versucht. In Schritt drei werden das Problem und die vorgeschlagenen Lösungen als ungerecht gegenüber denjenigen geframt, die historisch vom Status quo profitiert haben. Narrative von Schmerz, Ausbeutung, Missbrauch und Bedrohung werden ausgelöscht. Menschen, die Veränderungen fordern, wird unterstellt, sie beteiligten sich an militanten Formen der Gegengewalt.


Ordnungsgemäße Verfahren und Verhaltensregeln. Ordnungsgemäße Verfahren sind der heilige Gral institutioneller Selbsterhaltung. Sie werden – Schritt vier – selektiv eingesetzt, um Protest zu zensieren und zu beenden. Social-Media-Posts, die von traumatischen Erfahrungen zeugen, werden kontrolliert und ihre Urheber*innen überwacht. Wenn Betroffene ihre Geschichten öffentlich erzählen, weil sie in ihren institutionellen Räumen keine Resonanz mehr finden, werden sie gemaßregelt und bedroht, weil sie angeblich nicht dem "ordnungsgemäßen Verfahren" folgten, selbst wenn klar ist, dass das ordnungsgemäße Verfahren nicht funktioniert.

Demonstrierende Schwarze Studierende wurden aufgefordert, ihre Wut im Zaum zu halten und sich zu beherrschen. Frauen, die ihre Aggressoren zur Rede stellten, wurden für den harschen Ton ihrer Aussagen getadelt. Internationale Universitätsangestellte und Dozierende wurden gemaßregelt und sanktioniert, wenn sie ihre Unzufriedenheit mit der Institution in externen Netzwerken zum Ausdruck brachten, wodurch unter Umständen ihre Vertragsverlängerung und ihre Aufenthaltsgenehmigung gefährdet waren. Widerspruch und die Art und Weise, wie er vorgetragen wird, gelten als das eigentliche Problem, und es wird versucht, ihn entweder zu normalisieren oder zum Schweigen zu bringen – und zwar innerhalb des ordnungsgemäßen Verfahrens der Institution, die diese Bedingungen der Diskriminierung und des Missbrauchs überhaupt erst geschaffen hat.

Rahmung des strukturellen Problems als individuelles Beziehungsproblem

Der perfideste Aspekt dieses vierstufigen "Auslöschenden Impulses" ist es, die Sprache und die Praxis institutioneller Fürsorge in eine Waffe zu verwandeln. Vorgegeben wird, dass der Fokus auf die leidende Person die Voraussetzung für institutionelle Fürsorge sei; das strukturelle Problem wird als individuelles Beziehungsproblem gerahmt. Die Institution soll unsichtbar gemacht werden, weil "jetzt nicht der Kontext, sondern der Einzelfall im Fokus steht", und unter dem Vorwand, alle Aufmerksamkeit und Ressourcen auf die Sorge um das Individuum zu richten, stiehlt sich die Institution aus ihrer Verantwortung für die Entstehung des Problems. Ressourcen werden eingesetzt, um die Fürsorgeempfänger zu "reformieren", ohne ihnen dabei Handlungsmacht und Raum in der Entscheidungsfindung zu geben. Auf diese Weise sichern die Privilegierten ihre bequeme Position und werden nicht mit den Realitäten derjenigen konfrontiert, die unter den Strukturen leiden.

Anstatt Fürsorgepraktiken und -ressourcen auf die Schwächsten zu konzentrieren, schafft eine "Fürsorgeverpflichtung, die allen gleichermaßen dient", ein falsches Gleichgewicht – zwischen denjenigen, die wirklich bedroht sind und Unterstützung brauchen, und denjenigen, die beleidigt sind, wenn jemand darauf hinweist, dass sie an den Strukturen mitschuldig sind oder von ihnen profitieren.

Durch dieses Re-Zentrieren des dominanten Kanons und der dominanten Position werden sowohl die Intentionen als auch die "Vektoren" von Care beeinträchtigt. Unter dem Deckmantel der Fürsorge als einem universellen Wert, dem zufolge die Benachteiligten und die Privilegierten gleich behandelt werden müssen, kommt es zu einer Ausdünnung der Ressourcen und zu einer passiven Schuldzuweisung an diejenigen, die aufgrund von Missbrauch und Gewalt Zuwendung fordern.

Indem man sich auf die bürokratischen Prozesse der Verhaltenskontrolle und Disziplinierung beruft, wird eine imaginierte Fürsorgepflicht auf die Schultern der Betroffenen gelegt: Es wird von ihnen verlangt, ihre Loyalität gegenüber der Institution unter Beweis zu stellen und gegenüber der Organisation und den ihr angehörenden Menschen Wohlverhalten zu performen – selbst wenn dies bedeutet, ihre eigene Erfahrung von Diskriminierung und Ausgrenzung durch eben diese Menschen zu verbergen. Auf diese Weise halten unsere Institutionen trotz des überwältigenden Einsatzes von Care-Arbeit, Care-Sprache und Care-Performativität weiterhin Bedingungen der Ausgrenzung, des Missbrauchs und der Gewalt aufrecht, indem sie Fürsorge als Waffe einsetzen, um die Stimmen der Betroffenen und Aufbegehrenden zum Schweigen zu bringen. Dieses Muster institutioneller Abwehr erinnert mich an den zynischen Satz: "Der beste Weg, Armut zu beseitigen, ist es, arme Menschen auszurotten." Unsere Institutionen scheinen diese Idee perfektioniert zu haben, während sie sie in die Sprache der institutionellen Fürsorge verpacken.

Drei Erkenntnisse

Betrachtet man institutionelles und administratives Handeln auf diese Weise, fühlt es sich oft so an, als seien wir in eine Sackgasse geraten. Dieses Gefühl ist ein Widerhall der gesellschaftspolitischen Verzweiflung, die wir auch im andauernden Kampf um Gerechtigkeit erleben. Ich glaube jedoch nicht an die Politik der Verzweiflung, und so teuflisch diese Probleme auch sind, wir dürfen uns nicht von ihnen lähmen lassen. Rezepte liefert dieser Beitrag nicht, aber ich möchte drei Erkenntnisse mit Ihnen teilen:

1. Care ist ein Verb. Care manifestiert sich nur im Handeln. Care ist ein Prozess, eine Art und Weise, Dinge zu tun. Die Praxis ist die einzige Erscheinungsform von Care. Auf diese praktische "Care-Arbeit" müssen wir unsere Institutionen verpflichten.

2. Die Institution darf für diesen Prozess nicht die Verantwortung tragen, denn sie ist das Objekt, das sich dem Veränderungsprozess unterziehen muss. Voraussetzung für diese Dezentralisierung von Care ist eine divers zusammengesetzte Gruppe von Personen, die die Autorität und den Auftrag erhält, die Institution zur Rechenschaft zu ziehen und sie neu zu kalibrieren, ohne Gefahr zu laufen, diejenigen zu kränken, die ihre angestammte Macht schwinden sehen.

3. Fürsorge als Waffe ist deshalb so heimtückisch, weil die Aufmerksamkeit in die Zukunft gelenkt und Care als ein erstrebenswertes und visionäres Ziel dargestellt wird. Fürsorge als Waffe rechtfertigt historische Ungleichgewichte und gegenwärtige Ungerechtigkeiten, indem sie auf langfristige Ziele verweist.

So entzieht sie den Anliegen derjenigen, die hier und jetzt unter dem "Auslöschenden Impuls institutioneller Fürsorge" leiden, die Dringlichkeit. Jeder zukünftige Plan setzt demnach eine unhintergehbare Vereinbarung voraus: Eine "Grundlinie des Unbehagens", die uns dazu zwingt, die gegenwärtigen Ungleichgewichte und alltäglichen Formen der Gewalt anzuerkennen, an denen unsere Institutionen weiterhin festhalten, indem sie Veränderungen für die Zukunft versprechen, statt sie als dringliche Aufgabe der Gegenwart zu begreifen.

Nichts daran ist einfach. Alles kann schiefgehen. Auch die ambitioniertesten Führungspersönlichkeiten werden weiterhin darum ringen müssen, diese Erkenntnisse umzusetzen. Es handelt sich um Prinzipien, die sich nicht organisch in die Verwaltungs- und in die Leitungsstrukturen einfügen, die unsere Kunst- und Kulturorganisationen für gegeben halten. Aber erst die Anerkennung dieser Prinzipien als utopische Ideale, an denen wir scheitern werden, gibt uns die Freiheit, mehr zu tun und es besser zu machen. Vor die Wahl gestellt, ob wir uns um die Institution oder um die Menschen kümmern, muss uns klar sein, dass die Menschen immer an erster Stelle stehen.

Übersetzung aus dem Englischen: Elena Philipp und Christian Römer. Dieser Artikel ist ein Beitrag aus dem neuerschienenen Sammelband Theater und Macht - Beobachtungen am Übergang aus der Schriftenreihe zu Bildung und Kultur der Heinrich-Bölll-Stiftung . Hier können Sie den Sammelband bestellen und als PDF downloaden.


1  Polyvokalität ist ein Ansatz in der Ethnographie und Anthropologie, der sich auf Macht und verschiedene Arten des Wissens konzentriert, um eine sich ständig verändernde narrative Praxis zu schaffen, die sich einfachen Lösungen und Antworten verweigert. Isabel Crabtree-Condor (2020) beschreibt Polyvokalität treffend als einen Weg, "soziale, öffentliche oder dominante Narrative in Frage zu stellen, die helfen, bestehende Machtverhältnisse zu legitimieren, sie zu stützen oder als naturgegeben erscheinen zu lassen".

2  Sara Ahmed warnt in ihrer vernichtenden Strukturkritik an akademischen Institutionen davor, dass "Diversity-Arbeit" an Universitäten meist "Image-Arbeit" ist, aber über das mit Diversity-Arbeit befasste Personal hinausgedacht und institutionell verankert werden muss, damit sich die Institution verändern kann. Ahmed, Sara: On Being Included: Racism and Diversity in Institutional Life. Durham 2012. 


3  Diana Ali liefert ein starkes Argument gegen jene "safe spaces", deren Anbieter vor unbequemen Gesprächen zurückscheuen und das mit "Fürsorge" begründen. Sie schlägt stattdessen den Begriff "brave spaces" vor, als Räume, die Dissens und Unstimmigkeiten zulassen, aber sichere und schützende Bedingungen bieten, um diese Differenzen aufzulösen. Ali, Diana: Safe Spaces and Brave Spaces: Historical Context and Recommendations for Student Affairs Professionals, NASPA Policy and Practice Series, 2017.

4 Der Begriff Care ist gerade im Trend. Ich stütze mich bei meiner Definition jedoch auf meine eigene feministische Praxis und auf meine akademische Arbeit, um ein sehr einfaches Verständnis von Care zu vermitteln. Für mich geht es bei Care darum, die Ressourcen, die für unsere eigene Existenz wichtig sind, in das Wohlergehen derjenigen zu investieren, die sie brauchen – ohne jegliche Transaktionserwartung. Bei Care-Arbeit geht es also nicht nur um die finanziellen und politischen Industrien, die mit Care zu tun haben, sondern auch um die unbezahlte Care-Arbeit und den unbemerkten Abbau von Ressourcen, die in die Schaffung von Care-Bedingungen für diejenigen fließen, die unterversorgt oder bedroht sind.