„Wish for a Baby“ – der Markt der unendlichen Möglichkeiten

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Ein Besuch der jährlichen Berliner Kinderwunschmesse „Wish for a Baby“ in Berlin, gibt einen Einblick in eine sonst oft abstrakt geführte Debatte über die sogenannte Leihmutterschaft und Eizellspende - Einblicke, die in diesem Beitrag schlaglichtartig geteilt werden sollen.

Es wird ein Tisch dargestellt mit Infomaterial der Kinderwunschmesse. In der Mitte liegt ein Kuscheltier und rundherum Flyer mit Slogans wie "Now is the time to start!" und glücklichen Säuglingen und Eltern.

Auf der Messe können sich Menschen mit unerfüllten Kinderwünschen über den Markt rund ums assistierte Kinderkriegen informieren. Beworben werden nicht nur IVF (In-Vitro Fertilisation), Leihmutterschaft und Eizellspende überall auf der Welt, sondern auch genetisch und nach biologischem Geschlecht selektierte Eizellen sowie sogenannte „Garantie-Pakete“, die die Unsicherheiten rund ums Kinderkriegen durch finanzielle Versicherungen aufheben sollen. Vertreter*innen aus der ganzen Welt, inklusive Georgien, Spanien, Ghana, Ukraine, USA, Albanien und Kanada sind hier, um Geschäfte zu machen mit der Realisierung von Kinderwünschen. Denn der Reproduktionsmarkt floriert: 2022 lag er bei einem Marktwert von 25.6$ Millarden in 2022 und bei $41.4 Milliarden im Jahr 2030.

Das „perfekte Kind“ als Ware – und mit Garantie

Wunscheltern werden an den Messeständen alle Möglichkeiten feilgeboten: “Eizellspende und Leihmutterschaft? Alles kein Problem”, so eine Agentur, die zwischen Eltern, möglichen Eizellspender*innen1 aus der Ukraine und Leihmüttern2 in Ghana vermittelt. Wer es sich leisten kann, erwirbt alles in einem "Paket“: Eizellen aus der Ukraine, Samen von einer europaweiten Samenbank, eine Insemination in der Ukraine oder eine Leihschwangere in Ghana.

Die Messe erweckt den Eindruck: das perfekte Kind ist keine Sache des Glücks, sondern steht am Ende einer geglückten Kaufentscheidung. So wird suggeriert, dass Wunscheltern3 unabhängig von Geschlecht und Alter (aber abhängig vom Geldbeutel), Eltern werden können und auch sollten. Durch sogenannte „Garantiepakete“ kann das Kind auch (fast) mit Sicherheit abgeholt werden, statt am Ende eines häufig langwierigen, schmerzhaften und unsicheren Prozesses zu stehen. So bieten portugiesische, kanadische und georgische Kliniken „take home“-Garantien für diejenigen an, die bereit sind etwas mehr zu zahlen, um sich gegen das Risiko, gegen das Hoffen und Bangen abzusichern. Dies bedeutet, dass die Agentur eine Garantie für ein lebend geborenes Kind gibt, egal wie viele Versuche es dafür braucht – in Georgien kostet dies um die 65.000 Euro. Wunscheltern zahlen dementsprechend nicht mehr, wie bisher gängig, pro Schwangerschaft oder Eizelle, sondern, ähnlich wie bei einer Ware, für das Endresultat – in diesem Falle ein Kind.

Das Ideal, welches Wunscheltern dabei unterstellt wird, ist ein „perfektes“ Kind. Was genau der Idee eines „perfekten Kindes“ zugrunde liegt, wird in Gesprächen und Flyern deutlich: Das Kind soll der dominanten gängigen Vorstellung von „gesund“ entsprechen, den Eltern vom Aussehen her ähneln, genetisches Material von Menschen tragen, die als erfolgreich angesehen werden. Teilweise kann das Kind sogar nach Geschlecht ausgewählt werden. So erwähnt eine der Vermittler*innen nebenbei, dass die Embryonen nach Geschlechtschromosomen getestet und ausgewählt werden können, und zwei Besucher der Messe erzählen, dass sie ihre „Kinderwunschreise“ mit dem Ziel antraten, ein Mädchen und einen Junge zu bekommen – mit Erfolg.  

Die Vorstellungen eines „perfekten Kindes“, welches genetisch selektiert wurde, sind so normalisiert, dass eine Agenturvertreterin lediglich auf Nachfrage darüber informiert, dass in den sogenannten „Kinderwunschpaketen“ selektive Verfahren automatisch integriert sind: die Embryonen werden in der Ukraine routinemäßig mittels Präimplantationsdiagnostik (PID) „getestet”. Embryonen mit möglichen genetischen Veränderungen, würde man besser „zerstören“, denn: „Ich nehme an, dass sie ein nicht-gesundes Baby nicht wollen würden?” Die PID ist übrigens ein Verfahren, das in Deutschland verboten ist und nur in spezifischen Einzelfällen unter strengen Auflagen in Anspruch genommen werden kann.

Reproduktionstechnologien eröffnen also nicht nur neue Möglichkeiten hinsichtlich Kinderwünsche, sondern auch für Selektion – sowohl bei der Auswahl der sogenannten Spender*innen, als auch was die Genetik betrifft. Dabei können Selektionsmöglichkeiten, die durch Reproduktionstechnologien eröffnet werden, Rechten Kräften in die Hände spielen. Ein Beispiel sind Nick Bostrom und J. Savulescu, beide ehemals am kürzlich geschlossenen „Future of Humanity Institute“ der renommierten Universität Oxford (Großbritannien) angestellt. In den 2000er-2010er veröffentlichten sie dazu, dass eugenische Selektion durch IVF ethisch nicht nur vertretbar, sondern auch zu empfehlen sei. Aber eugenische Tendenzen sind nicht auf die extreme Rechte beschränkt. Das Konzept einer „neuen Eugenik“, zeigt auf, dass Selektion nicht immer bewusste, rassistische Prozesse sind, sondern im Kontext von Fertilitätsbehandlungen auch durch individuelle, teilweise unbewusste Entscheidungen und Marktfaktoren angetrieben werden können. Während es also ein Fehlschluss wäre Reproduktionstechnologien mit Eugenik gleichzusetzen, müssen selektive Verfahren, wie sie auf der Kinderwunschmesse angeboten werden, kritisch analysiert und eingeordnet werden.

Babies als Ergebnis globaler „Lieferketten“

Auf der Messe wird deutlich, dass Babies am Ende komplexer Lieferketten stehen: Spermien mögen aus einer dänischen Samenbank stammen, die Eizelle von einer französischen Wunschmutter kommen, beides kann in der Ukraine zusammengeführt, und in Georgien von einer Leihschwangeren ausgetragen werden, organisiert von einer Agentur mit Sitz in Lateinamerika.

Solche „Fertilitätsketten“ 4 verlaufen nicht zufällig sondern entlang von Unterschieden in Preisen, Regulierungen und Vulnerabilitäten. Beispielsweise ist Leihschwangerschaft in Deutschland bisher verboten, sodass Wunscheltern in andere Länder reisen. Welches Land einen solchen „Reproduktionstourismus“ anzieht hat viel mit globalen Ungleichheiten zu tun: Variierende Lebensstandards, Prekarität und Währungsunterschiede bedeuten, dass Wunscheltern für die Leihschwangerschaft in verschiedenen Ländern unterschiedlich tief in die Tasche greifen müssen: Messebesucher*innen lernen, dass sie in den USA mit um die 200.000$ und in Argentinien lediglich mit um die 75.000$ zu rechnen haben.

„Fertilitätsketten“ spiegeln also kapitalistische Verwertungslogiken wider, die mit der Auslagerung bestimmter Tätigkeiten einhergehen. Beispielsweise schieben Frauen im Globalen Norden vermehrt ihre Kinderwünsche auf, da sie in früheren Lebensphasen nicht für die Unterhaltungskosten von Kindern aufkommen können oder ihre Karrieren priorisieren möchten. Wenn dann das nötige Geld da wäre, um ein Kind groß zu ziehen, oder die Karriereziele erreicht sind, aber das Alter zu weit vorangeschritten ist, wird der Kauf von Eizellen jüngerer Frauen zur Option.

Dass die Auslagerung von „Fertilitätsarbeit“ dabei häufig entlang ehemaliger kolonialer oder lokaler Ungleichheits-Strukturen verläuft, ist offensichtlich. Global gesehen können Wunscheltern dabei nicht nur auf billige(re) Arbeitskraft zurückgreifen, sondern sind teilweise auch lokalem Recht und Unterdrückungsformen gegenüber immun. So wirbt eine Agentur auf der Messe damit, dass sich Ghana bestens für gleichgeschlechtliche Paare eigne, die eine Leihschwangere anheuern wollen. Gleichzeitig wurde in Ghana jüngst die Gesetzgebung für LGBTIQ+ Menschen massiv verschärft und gleichgeschlechtlicher Sex wird mit hohen Gefängnisstrafen geahndet.

Die Rolle der Vermittlungsagenturen

Im Wirrwarr des globalen Reproduktionsmarktes wird ein Akteur zunehmend zentral, der dementsprechend auch auf der Messe glänzt: die Vermittlungsagenturen. Diese vermitteln zwischen Reproduktionskliniken, Eizellspender*innen, Samenspender*innen, Leihschwangeren, Wunscheltern und Jurist*innen. Dabei ermöglichen sie wohlhabenden Personen, nationale Regulierungen zu umgehen, globale Unterschiede mit Bezug auf Preisunterschiede und Arbeitsschutz bestmöglich zu nutzen und legale Hürden mithilfe von Jurist*innen zu überwinden.

Agenturen verfügen über Marktmacht und können Fertilitätsbehandlungen nachhaltig prägen. Das bedeutet, dass sie ab einer bestimmten Größe Preise drücken und Arbeitsbedingungen beeinflussen können. Außerdem können sie die Prozesse von Schwangerschaft verschleiern. Indem sie Versprechen wie „Baby take home guarantee“ damit kombinieren, dass sie die Koordination und Kommunikation mit den Spender*innen und Leihschwangeren übernehmen, schirmen sie Wunscheltern von Krisen und Fehlschlägen auf dem Weg zum Wunschkind ab. Auf der Messe wird dementsprechend nicht davon gesprochen, dass Eizellen nicht einfach gespendet, sondern aufwendig produziert werden müssen: sie wachsen, angeregt durch hormonelle Stimulation, in den Körpern der „Spender*innen“ und werden mithilfe eines operativen Eingriffs unter Narkose entnommen. Dieser Prozess birgt kurzfristige und langfristige medizinische Risiken, die von hormoneller Überstimulation hin zu Entzündungen und langfristigen Erkrankungen führen können. Dass Eizellen sich nicht immer befruchten lassen, Embryonen sich nicht immer im Uterus einnisten, dass viele Embryonen auch in sogenannten „Fehlgeburten“ wieder abgehen – und dass Kinder zu früh oder still geboren werden, ist nicht Teil der Geschichten, die auf der Kinderwunschmesse erzählt werden. Dadurch werden die Erfahrungen von Eizellspender*innen und Leihschwangeren – meist prekäre und marginalisierte Frauen – unsichtbar gemacht; ein Prozess der von Feminist*innen wie Jenni Millbank und Donna Dickenson als „disappearing women“ („verschwindende Frauen“) bezeichnet wird.

Kinderwünsche als Investment – für Eltern und für Finanzmanager*innen

Die Angebote auf der Messe reihen sich in eine internationale Tendenz der Monopolisierung, Kommerzialisierung und Finanzialisierung von Fertilitätsbehandlungen ein. Zum einen werden Reproduktionskliniken zunehmend in größere Ketten integriert. So auch das San Diego Fertility Center, einer der Sponsoren der Messen. Mit etwa 13 weiteren Kliniken gehört es zu den Ivy Fertility Centern in den USA. Hinter der Kette steht kein Konzern, sondern Assetmanager*innen. Seit der Finanzkrise 2007-08 wird eine Gruppe von Finanzakteur*innen größer, die nicht mehr primär an der Börse in Firmen und Rohstoffe investiert, sondern mit Investments in Wohnraum und Infrastruktur in den Bereich der sozialen Reproduktion einsteigt. Das Ziel: Profite aus dem laufenden Betrieb zu extrahieren. Dies bedeutet, dass Entscheidungen darüber, wie Fertilitätskliniken agieren oder in welche Forschung investiert wird, nicht von Ärzt*innen, sondern von Finanzakteur*innen (mit-)bestimmt werden. Hinter den soeben erwähnten Ivy Fertility Centern steht beispielsweise InTandem Capital Partners, LLC, welches als „private equity firm“ insbesondere im Gesundheitssektor tätig ist und neben Altersheimen und Hospizen auch Fertilitätskliniken aufkauft. Auf ihrer Homepage werben sie damit, dass InTandem nicht nur Kapital zur Verfügung stelle, sondern auch selbst gerne beim Management mithelfen würde.

Wenn also Besucher*innen der Messe zu ihren unerfüllten Kinderwünschen beraten werden, steht ihnen eine Fertilitätsindustrie gegenüber, die darauf ausgelegt ist, größtmögliche Profite zu erzielen. Dabei ist nicht das Honorar für Ärzt*innen das Problem und einzelne kleinere Kliniken mögen sich der Profitlogik bisweilen entziehen. Doch der Trend der Monopolisierung und Finanzialisierung ist eindeutig: nicht nur in den USA gehören immer mehr Fertilitätskliniken großen Ketten, hinter denen Assetmanager*innen stehen. Auch in Deutschland werden die vier großen Fertilitäsklinikketten alle von Investmentmanager*innen wie AXA IM oder Goldman Sachs geführt.

Wer arbeitet kommerzialisiert und wer altruistisch?

Kliniken und Investmentmanager*innen machen also großes Geld mit Fertilitätsbehandlungen. Trotzdem beziehen sich öffentliche Debatten rund um Kommerzialisierung und Altruismus oftmals nur darauf, ob Eizellspender*innen oder Leihschwangere entlohnt werden oder nicht.

Genaue Zahlen dazu, welche Profite Kliniken und Agenturen machen, sind nicht öffentlich. Ein paar Zahlen lassen aber gewisse Einschätzungen zu: Auf der Messe ist beispielsweise eine Samen- und Eizellbank vertreten. Für eine Eizelle zahlen Kund*innen um die 1200€, indessen „Spender*innen“ im Durchschnitt 1000€ Euro pro Entnahme bekommen. Jede Eizellentnahme bringt jedoch durchschnittlich 8 bis 15 Eizellen: die Gewinnmarge für die Agenturen und Kliniken ist folglich hoch.

Manche Länder untermauern das Einkommensgefälle zwischen Kliniken und Agenturen auf der einen Seite und Eizellspender*innen und Leihschwangeren auf der anderen Seite durch die Idee des Altruismus. Das legale Konstrukt des Altruismus bedeutet, dass ihnen lediglich eine Aufwandsentschädigung bezahlt werden darf.  Beispielsweise dürfen in Spanien Eizellspender*innen nicht mehr als eine festgelegte Kompensation (um die 800€) erhalten. Die Gewinnmarge steigt dadurch potenziell für die Kliniken und Banken, da die Bezahlung für die Spender*innen gedeckelt ist, nicht aber für die Kliniken. Das Konzept des Altruismus spielt also eine Rolle dabei, die Auslagerung von Reproduktionsarbeit auf arme Menschen ideologisch zu legitimieren und im Preis zu drücken. Daraus folgt: Selbst wenn es moralisch tragbar sein sollte, dass Menschen – vor allem Frauen – Arbeit aus altruistischen Gründen machen, muss die Frage sein, ob es tragbar ist, dass Businessakteur*innen mit der altruistischen Arbeit von Frauen so viel Geld machen.

Reproduktionstechnologien zur Nachahmung heteronormativer Familien?

In Deutschland werden häufig die Rechte queerer Menschen (LGBTIQI+) ins Feld geführt, um für die Legalisierung von Eizellspende und Leihschwangerschaft zu argumentieren. Auch auf der Messe spricht ein „Regenbogenraum“ explizit LGBTQI+ Personen an, und dabei insbesondere Männerpaare. "Many gay men don't have children and we want to change that”, heißt es in einem Vortrag. Hier wird die Legalisierung von Eizelltransfers und Leihschwangerschaft als logischer nächster Schritt in der Gleichstellung queerer Menschen dargestellt: Queere Paare seien erst dann voll gleichgestellt, wenn auch sie ein, ihnen genetisch verwandtes Kindes haben können. Setzt dies den Zugriff auf die Körper Dritter (Eizellspender*innen und Leihschwangere) voraus, so müsse dies im Rahmen der Gleichberechtigung erlaubt sein.

Aus einer queer-feministischen Perspektive lässt sich fragen, ob es sich hier um mehr um Nachahmung von Hetero-Modellen biologisch-genetischer Reproduktion handelt, und weniger um Emanzipation. Auf der Messe wird jedenfalls an mehreren Stellen der Anschein erweckt, dass geläufige Hetero-Modelle der Familiengründung das Ziel queerer Paare sein sollte. Zum Beispiel werden Männerpaaren 1+1 Pakete versprochen, die ihnen erlauben, zwei Kinder der gleichen Eizellspender*in mit dem Sperma der beiden Väter zu bekommen. So können beide Elternteile ihr biologisches Genmaterial weitergeben, und die Geschwister sind maximal biologisch verwandt. Lesbische Paare stehen zwar deutlich weniger im Fokus der Messe, aber auch sie sollen, so die Ansprache, dem heteronormativen Modell biologischer Fortpflanzung folgen. So wird bei einem Stand davon ausgegangen, dass die Klinik nach Sperma suchen solle, dass dem Phänotyp der Frau ähnelt, die nicht die Eizelle bereitstellt. Damit ähnelt das Kind beiden Müttern, fast so als würde es genetisch von beiden abstammen.

Außerdem ist zu bedenken, dass es nicht die LGBTQI+ Community gibt, die von Eizellspende und/oder Leihschwangerschaft profitieren würde. Dies liegt nicht nur an unterschiedlichen biologischen Voraussetzungen – zum Beispiel ist es lesbischen Paaren mit gesundem Uterus und Eizellen grundsätzlich eher möglich, biologische Kinder ohne technische Assistenz zu bekommen, da Spermien relativ einfach auch ohne technologische Hilfe (allerdings mit legalen Hürden) transferiert werden können. Auch Geld und Macht spielt eine Rolle. Aufgrund höherer Kaufkraft stellen Männerpaare im Durchschnitt attraktivere Kund*innen als alleinstehende Frauen oder Frauenpaare dar. Hinzu kommt, dass die Verfahren, die das große Geld bringen – nämlich Leihschwangerschaft und Eizellspende im Gegensatz zu IVF und ROPA-Methode – insbesondere für Männerpaare und heterosexuelle Paare, seltener aber für Frauen(-paare) relevant sind. Es ist deshalb wenig überraschend, dass auf der Messe vor allem Männer, also eben nicht alle queeren Menschen, als Zielgruppe im Zentrum stehen. Ebenso wird vor allem Leihschwangerschaft offensiv beworben. So drehen sich beispielsweise 29 der angebotenen Vorträge um Leihschwangerschaft, während es bei nur jeweils fünf und vier um IVF und Eizellspende geht.

Die Instrumentalisierung einer imaginierten einheitlichen queeren Community, die von der Legalisierung von Eizellspende und Leihschwangerschaft profitieren würde, ist also zu hinterfragen. Die Antwort auf das Cis-Hetero-Patriarchat muss nicht primär sein, dass Heteromodelle biologischer Kleinfamilien mit Rückgriff auf Körper Dritter nachgeahmt werden können. Das Narrativ, welches die Legalisierung von Eizellspende und Leihschwangerschaft als Voraussetzung für queere Familiengründungen setzt, übersieht vielmehr, dass queere Menschen schon immer Familien gegründet haben und dass es ein wesentlicher Teil queer-feministischer emanzipativer Bewegungen war, Familiengründungen abseits biologischer Fortpflanzung zu praktizieren. Dementsprechend fordern viele queer-feministischen Vereine auch die Abschaffung von Diskriminierungsstrukturen im Kontext alternativer, nicht-biologischer Familiengründungen. Dazu gehört die Forderung nach der legalen Ermöglichung und Absicherung von Mehrelternschaft oder die Überarbeitung des Adoptionsgesetzes.

Reproduktive Rechte oder Tech-Fixes für ein gesellschaftliches Problem?

Ein Besuch der Kinderwunschmesse macht die antifeministischen Tendenzen fassbar, die sonst oftmals zu abstrakt diskutiert werden: Obwohl Eizellspende und Leihschwangerschaft bislang in Deutschland verboten sind, können sie von ausländischen Anbietern auf der Kinderwunschmesse offensiv beworben werden. Während es in Deutschland bis 2022 nicht zulässig war, Informationen über Schwangerschaftsabbrüche herauszugeben (§219a), und Ärzt*innen wie Christina Hänel für die Bereitstellung von Informationen zu Abbrüchen verurteilt wurden, können sich auf der Kinderwunschmessen alle Besucher*innen kostenfrei zu in Deutschland illegalen Reproduktionsverfahren beraten lassen. In ähnlicher Weise beruft sich die FDP im Kontext von Eizellspende und Leihschwangerschaft auf das Recht der Selbstbestimmung und bremst gleichzeitig bei der Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen.

Was steht dahinter? Bei Eizellspende und Leihschwangerschaft geht es um eine profitable Industrie. Und sowohl die Klinikbetreiber*innen als auch die Wunscheltern sind potenzielle Wähler*innen und Spender*innen der FDP – bei Schwangerschaftsabbrüchen sieht das anders aus: Sie sind nicht profitabel. Ideologisch reiht sich die FDP mit ihrer Forderung nach der Legalisierung von Eizellspende und Leihschwangerschaft, bei gleichzeitigem Festhalten an der Illegalität von Schwangerschaftsbrüchen also in eine konservative, neoliberale Tendenz ein, die auf der Messe deutlich wird: Ungewollte Kinderlosigkeit wird als individuelles Problem dargestellt, welches durch Kaufentscheidungen – so denn das Geld da ist – gelöst werden muss.

 

 

 

1Wir verwenden den Begriff Eizellspende, weil er der gesellschaftlich bekannte Begriff für ein Verfahren ist, in dem einer Person Eizellen entnommen werden, um einer anderen Person in den Uterus eingepflanzt zu werden. Wir präferieren aber eine differenzierteren Sprachgebrauch:

Eizelltransfer verstehen wir als Überbegriff. Er lässt unklar, in welchem Verhältnis die abgebende und empfangende Personen zueinander und zu dem entstehenden Kind stehen. Hierbei ist unserer Ansicht zwischen Eizellspende/abgabe/verkauf und der ROPA-Methode zu unterscheiden: Bei ersterer ist die Spenderin/Verkäuferin keine intendierte Mutter und kennt auch die Empfänger*in der Eizelle teilweise nicht. Dies wird meist mit dem Begriff der Spende gefasst. Aus unserer Perspektive wären in diesen Fällen die Begriffe Eizellabgabe oder Eizellverkauf sinnvoller, da mit dem Begriff Spende/Spenderin ein Vorgang verschleiert wird, hinter dem oft ökonomische Interessen stehen.

Im Fall der ROPA-Methode werden die Eizellen innerhalb einer Beziehung, in der beide Personen Eltern des Kindes werden wollen, übertragen (z.B. in einer lesbischen Partnerschaft). Auch hier macht der Begriff der Spende wenig Sinn.

2 Wir verwenden im Folgenden den Begriff Leihschwangerschaft anstelle von Leihmutterschaft: Das bedeutet, dass eine Person ein Kind für andere Personen austrägt. Es gibt verschiedene Formen der Leihschwangerschaft. Heutzutage handelt es sich oftmals um Leihschwangerschaft mit eingesetzten Embryonen, sodass die Schwangere nicht mit dem Kind genetisch verwandt ist. Nistet sich der Embryo im Uterus ein (die Chancen liegen zwischen 15% und 30%), trägt die Person den Embryo aus. In vielen Ländern besagt die Rechtsprechung, dass die Leihschwangere jedes Recht an dem Fötus/Kind an die Wunscheltern abtritt.

3 Wir verwenden im Folgenden den Begriff Wunscheltern für Personen mit unerfülltem Kinderwunsch, die auf Reproduktionstechnologien wie IVF oder Leihschwangerschaft und Eizellspende zurückgreifen möchten. Gründe dafür sind beispielsweise, dass sich alleinstehende oder queere Menschen für ein Kind entscheiden oder Paare aufgrund von Unfruchtbarkeit kein biologisches Kind bekommen können.

4 Das Konzept der Fertilitätsketten ist als Erweiterung des Konzepts von Sorgeketten zu verstehen. So prägte die Soziologin Salazar Rahcel Parreñas in den 2000ern den Begriff Care Chains („Sorgeketten“), um darauf aufmerksam zu machen, dass Sorgetätigkeiten entlang kolonialer Kontinuitäten ausgelagert werden. Damals bezog sie sich vor allem auf Hausarbeit. Durch assistierte Reproduktionstechnologien hat sich diese Auslagerung von Reproduktion auf den Bereich der Fertilität ausgeweitet – ein Phänomen, welches Vertommen und Kolleg*innen 2022 mit dem Konzept der Fertilitätsketten beschrieben haben.