Bereitmachen: Wie die Zivilgesellschaft sich auf extrem rechte Regierungen vorbereiten kann

Eine Regierungsbeteiligung von Faschist*innen ist enorm gefährlich für viele Menschen, ihre Freiheit und ihr Leben. Vielerorts ist das zu sehen, etwa in den USA. Auch solidarische zivilgesellschaftliche Strukturen und große Institutionen werden zerstört. Wir sollten nichts unversucht lassen, uns bereit zu machen, um wertvolle Strukturen und einander zu schützen. Vorbereitung heißt extrem rechte Programme kennen, aber ebenso die eigenen emanzipatorischen Ziele, die Bündnisse, die Betroffenen sowie Wissen und Können zu besprechen, um Handlungsmöglichkeiten zu finden. Solidarische Beziehungen sollen Sicherheit stiften – so gut es eben geht. 

Was kommen kann


Schon jetzt kann die extrem rechte AfD Demokratieprojekte blockieren, einschüchtern, Druck ausüben und die Debatte verschieben. In Sachsen-Anhalt könnte die Partei nach den Landtagswahlen 2026 an der neuen Landesregierung beteiligt werden. Darauf deuten Umfragen hin, zum Zeitpunkt des Schreibens gilt das auch für Mecklenburg-Vorpommern.

Das würde bedeutet: Die AfD könnte beginnen die Politik umzusetzen, die in ihren Programmen, Anträgen und Anfragen steht. Sie könnte vieles zerstören, was mühsam aufgebaut wurde, und die Freiheit und das Leben vieler Menschen weiter einschränken und gefährden.

In den USA war dieses Jahr zu sehen, wie schnell eine faschistische Regierung Institutionen wie Forschungseinrichtungen oder staatliche Behörden und Programme beendet, Zivilgesellschaft und Menschenleben angreift.

Lässt sich das verhindern? In jedem Fall kann man sich darauf vorbereiten – dafür bereitmachen – und das sollte man auch unbedingt tun. Inspiriert von den Erfahrungen US-amerikanischer Kolleg*innen, will ich in Podcast-Gesprächen herausfinden, wie sich Zivilgesellschaft in Deutschland bereitmachen kann und sollte.

Podcast

Hinhören & Handeln

Wenn eine Regierungsbeteiligung von extremen Rechten, von Faschist*innen droht, muss man versuchen, das zu verhindern und sich gleichzeitig darauf vorbereiten. Die gute Nachricht: Man kann sich vorbereiten. Bei Hinhören & Handeln sprechen wir mit Expert*innen über ihre Analysen und Handlungsempfehlungen.

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 Welche Erfahrungen in den USA gemacht wurden


„Die liberalen Eliten haben versagt. Sie waren nicht vorbereitet und sind nicht wehrhaft aufgetreten. Das hätte nicht passieren müssen, man konnte vorbereitet sein.“ (Ella Müller im Interview)
Ella Müller leitete das Demokratie-Programm der Heinrich-Böll-Stiftung in Washington und hat uns ausführlich erklärt, wie sie sich vor der Präsidentschaftswahl ein Jahr lang auf eine mögliche zweite Amtszeit von Donald Trump vorbereitet haben. Gerade die großen zivilgesellschaftlichen Organisationen wie die Universitäten hätten das nicht getan. So standen sie der Trump-Administration anfangs vereinzelt gegenüber. Manche würden nachgeben oder sogar im vorauseilenden Gehorsam handeln.

Eine starke kollektive Reaktion auf den Angriff auf eine Institution sei aber das Einzige, was funktioniert – es braucht also vor allem Partner*innen, Absprachen, Verbindlichkeiten, Allianzen. Sich vorbereiten heißt nicht, dass man plötzlich stärker ist als eine faschistische Regierung, aber man kann gemeinsam handeln, anstatt vereinzelt nur zu reagieren.

Die extrem rechten Programme kennen und ernstnehmen – auch wenn sie absurd, lachhaft oder rechtswidrig sind – hilft außerdem zu verstehen: Ja das ist möglich. So sei man später „nicht permanent überrascht und fassungslos und dadurch natürlich auch orientierungslos und wehrlos. Das ist ja im Grunde genommen der gefährlichste Zustand, in dem wir als demokratische Menschen sein können“, sagt Ella Müller.

Aus Erfahrungen und Analysen der USA (wie auch Zivilgesellschaften andere autoritärer Staaten) ist zu lernen. Ich versuche, ein paar hoffentlich hilfreiche Schritte abzuleiten (ausführlich hier).

Wie macht man sich bereit?


Nicht alle sollen Expert*innen für die kompletten extrem rechten Programme sein, sondern verstehen, welche Punkte ihre Bereiche in welcher Weise betreffen. Es geht nicht darum, die Programme auswendig zu lernen und ihnen dadurch die Handlungshoheit zu überlassen.

  1.  Eigene Ziele diskutieren
    Jede Einrichtung soll auf ihre (politischen) Ziele schauen, auf ihre Kenntnisse und Bedarfe. Es geht nicht um technische Lösungen, es gibt auch nicht den einen richtigen Weg, sondern es geht um politische Fragen: Wie wollen wir handeln im Falle von XY? Was wollen wir erreichen? Auch wenn man sich auf schlechte Zeiten und wenig Gestaltungsspielraum einstellt, muss das Wollen und Können aller Beteiligten und der Organisation entscheidend sein.
  2. Handlungsmöglichkeiten überlegen
    Handeln heißt nicht nur Reagieren, handeln enthält immer ein Stück Freiheit. Im Wissen um sowohl die extrem rechten Pläne als auch die eigenen Ziele und Werte können im Vorfeld Handlungsschritte überlegt werden: Was können wir schützen, wem helfen, und wie? Wo können wir widerständig sein, uns verweigern, menschenverachtende Politik stören?

    Es bietet sich an, das an konkreten Szenarien zu diskutieren – also an Wahlprogrammen oder Anträgen und Anfragen, auch an Kampagnen, die schon passiert sind.

    In Sachsen-Anhalt geht nun die Universität Halle voran und spielt durch, was unter einer extrem rechten Regierung zu tun wäre: „Wir sind nicht wehrlos und bereiten uns vor“, sagte ein Mitarbeiter der taz.

    Die Heinrich-Böll-Stiftung Washington etwa hat sich konkret auf die Sicherheit ausländischer und von Rassismus betroffener Kolleg*innen vorbereitet, 
    nach neuen Partner*innen in den Bundesstaaten gesucht und Programme zum Schutz von Partner*innen und Kolleg*innen aufgesetzt.

  3. Solidarisch in jedem Schritt
    Solidarität leitet die Überlegungen: Wer ist von dieser Politik betroffen? Von uns, von Partner*innen, von Außenstehenden? Wie können wir unterstützen? Wer braucht uns? Wer kann wiederum uns helfen? Neue Bündnisse schmieden und bestehende vertiefen, ist für das Bereitmachen elementar. Alleine ist es nicht zu schaffen. Wer stark und wenig vulnerabel ist, kann andere unterstützen und schützen, sich vor oder neben sie stellen.

    Solidarisch sein heißt auch, das Wissen der Betroffenen endlich ernst zu nehmen. Betroffene von Politiken der Ungleichwertigkeit sind nicht nur Träger*innen von „interessanten Perspektiven“. Von ihren Erfahrungen und Analysen ist zu lernen. Die Rechte von People of Color und Migrant*innen sowie von Frauen und queeren Menschen werden als erste ausgehöhlt, angegriffen oder abgeschafft. So lässt sich von der feministischen Bewegung Polens und von queeren Organisierungen wie Quarteera lernen.

  4. Nicht aufgeben
    Die extreme Rechte ist nicht unbesiegbar. Ernst nehmen und bereitmachen heißt nicht aufgeben. In Brasilien wurde der Faschist Bolsonaro abgewählt und nun wegen versuchten Putsches verurteilt. Trotz aller Brutalität hat die Gesellschaft in den USA den Widerstand nicht aufgegeben, demonstriert und versucht einander vor den Übergriffen durch ICE zu schützen.

Bereitmachen statt Vorbereiten

Vorbereiten denkt in die Zukunft: Was tun wir, wenn in Zukunft Rechtsextreme (mit-) regieren? Doch die Angriffe auf Aktivist*innen und Zivilgesellschaft, auf Menschen, ihre Freiheit und ihre Unversehrtheit, auf Institutionen wie Universitäten, Wissenschaft – sie finden längst statt. Schon jetzt geht es darum mit Angriffen politisch umzugehen, Schutz und Widerstand zu organisieren. Sprechen wir von Bereitmachen, statt Vorbereitung, tragen wir dieser Gleichzeitigkeit Rechnung. 

So können und sollten sich zivilgesellschaftliche und andere Institutionen gezielt bereitmachen hinsichtlich der Kampagnen rechter Netzwerke gegen Personen oder Vereine.

Der Begriff des Bereitmachen hat außerdem mehr symbolische Kraft. Zum einen drohen uns allen viele Niederlagen im Falle extrem rechter Regierungen. Der Begriff „Vorbereitung“ könnte den Eindruck erwecken, als sei man selbst schuld an der Niederlage; gescheitert, weil man sich nicht ordentlich genug vorbereitet hat. Das ist nicht das Anliegen. Bereitmachen kann schützen, aber gibt keine Erfolgsgarantie. Wir machen uns also auch fürs Scheitern bereit.

Zum anderen klingt vorbereiten nach aufgeben, als wären die Wahlen schon verloren und Regierungen schon im Amt. Doch es gilt der unbedingte Versuch, rechtsextreme Regierungen zu verhindern. Das bleibt möglich. Bereitmachen ist offen; es heißt nicht aufgeben, weder im Kopf noch in der Praxis. 
 

Keine absolute Sicherheit, sondern solidarische Sicherheit


Manche Feminist*innen lehnen die Idee der Sicherheit ab, weil es sie nicht gebe oder weil sie repressiv und herrschaftlich sei. Ich möchte für eine solidarische Sicherheit argumentieren. Sie ist nicht absolut. Es ist auch keine Prävention, die versucht Wahrscheinlichkeiten statistisch zu begegnen. Selbstredend ist es auch keine repressive Sicherheit, die sich durch Gewalt Ausdruck verleiht.

Solidarische Sicherheit ist eine Sicherheit füreinander, mit guten vielfältigen, verwobenen Strukturen, bedürfnisorientiert. Die Idee speist sich aus der Idee der solidarischen Beziehungsweise von Bini Adamczak.

Das gemeinsame Bereitmachen weiß um Abhängigkeit, Verletzlichkeit, um Gefahr und Schwäche, ja sogar um Scheitern und Niederlage. Das kann nicht beiseite gewischt werden. Dennoch geht es um Sicherheit, nicht nur um das Sichtbarmachen von Verletzlichkeiten. Gesellschaft ist prekär, doch es gibt Beziehungen und Strukturen die sicherer sind als andere. Die sind zu knüpfen und zu pflegen.

Wenn extreme Rechte, Autoritäre, Faschist*innen, Regierungsmacht erhalten, geht es darum, Menschen zu schützen. Emanzipatorische Strukturen und solidarische Räume sind zu schützen. Wissen und Utopien sind zu schützen. Sich strategisch, politisch und solidarisch bereitzumachen kann dabei helfen.