Die weltweiten Militärausgaben steigen, während zivilgesellschaftliche Akteur*innen, die Demokratie und soziale Gerechtigkeit an vorderster Front verteidigen, immer weniger Förderung erhalten. Feminist Funding bietet einen vielversprechenden Ausweg: Wie feministische Fonds im Globalen Südenvorangehen und weshalb Deutschland dringend nachziehen muss.
Die weltweiten Militärausgaben steigen, während zivilgesellschaftliche Akteur*innen, die Demokratie und soziale Gerechtigkeit an vorderster Front verteidigen, immer weniger Förderung erhalten. Feminist Funding bietet einen vielversprechenden Ausweg: Wie feministische Fonds im Globalen Südenvorangehen und weshalb Deutschland dringend nachziehen muss.
Während Militärausgaben und Investitionen in Waffen- und Verteidigungssysteme weltweit steigen, wird Menschenrechtsverteidiger*innen, Umweltaktivist*innen und Feminist*innen Förderung entzogen. Ein enger Sicherheitsbegriff verkennt, dass nur durch Investitionen in die kritische Zivilgesellschaft nachhaltig Frieden und Demokratie erhalten werden können. Bereits vor der Schließung von USAID und den Kürzungen im EZ-Haushalt vieler Staaten, gingen laut AWID nur 0,13 % der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) und 0,4 % der gesamten geschlechtsspezifischen Hilfe an Frauenorganisationen. Auch in Deutschland sieht es nicht besser aus. Laut einer Umfrage des BVDS gemeinsam mit Phineo gaben nur 18 % von knapp 200 befragten Stiftungen an, sich für Mädchen oder Frauenförderung einzusetzen. Dabei sind es häufig genau diese Akteur*innen, die an den Frontlinien Demokratie aufbauen, weiterentwickeln und verteidigen.
Im Kern geht es darum, Akteur*innen direkt, flexibel, bürokratiearm und mehrjährig unterstützen und das Machtgefälle zwischen Förderern und Geförderten zu transformieren.
Das Konzept des Feminist Fundings könnte ein wichtiger Teil der Lösung sein, um dem globalen antidemokratischen Backlash etwas entgegen zu setzen. Im Kern geht es darum, Akteur*innen direkt, flexibel, bürokratiearm und mehrjährig unterstützen und das Machtgefälle zwischen Förderern und Geförderten zu transformieren. Während andere Länder wie die Niederlande und Kanada schon vorsichtig in diese Richtung laufen und feministische Fördertöpfe wie Prospera oder der Dalan Fund bereits Pionier*innenarbeit leisten, herrscht in Deutschland kaum Kenntnis über diese neue Fördermethode. Doch angesichts der rasanten Abwärtsspirale, die wir in puncto Menschen – und Freiheitsrechte aktuell in Deutschland und anderswo beobachten, können wir uns kein „weiter so“ mehr leisten.
Bestandsaufnahme: Ist der Backlash real?
Am Ende des Jahres 2025 bestätigt sich, wovor Feminist*innen schon lange gewarnt haben: Der Backlash ist da. Überall auf der Welt werden Demokratien und Grundrechte angegriffen. Nach dem Superwahljahr 2024, konnten sich im Verlauf diesen Jahres autoritäre und anti-demokratische Akteur*innen in Parlamenten und Regierungen weiter etablieren. Frauen- und queerfeindliche Politik ist oft Kernelement ihrer Programme und Rhetorik.
Im Queering Democracies Report, stellt Outright International fest, dass in mindestens 51 von 61 untersuchten Ländern, “politische Kandidat*innen anti-LGBTIQ-Rhetorik als Wahlkampfmittel“ nutzten, die sogenannte „Gender-Ideologie“ verteufelten und LGBTIQ-Personen als „ausländische Agenten“ inszenierten.
Gut finanzierter Kulturkampf von Rechts
Rechte Akteur*innen beschwören und befeuern einen Kulturkampf, der nicht nur weiter Gesellschaften spaltet, sondern auch aktiv den Rückbau von Gleichstellungspolitiken vorantreibt. Mühsam erkämpfte Rechte von Frauen und Minderheiten sind oft als erstes im Visier. So stellt der Bericht Laws on Us von ILGA World 2024 fest, dass trotz des anhaltenden globalen Trends zur Entkriminalisierung einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen, weite Teile Afrikas und einige Teile Asiens einen beunruhigenden Rückschritt erleben. Sie bewegensich in die entgegengesetzte Richtung. Während in Uganda, Irak, Indonesien, Kenia, Mali und Senegal Gefängnis- oder Todesstrafen für Homosexualität kürzlich (wieder) eingeführt wurden, wurden in Ländern wie Russland, Belarus, Jordanien, Georgien, und Namibia neue Gesetze gegen die sogenannte „Bewerbung von Homosexualität“ oder „Genderideologie“ eingeführt.
Angriffe auf Frauen und Queers sind Angriffe auf die Demokratie
Die TransRights Map von TGEU zeichnet auch für Europa und Zentralasien eine beispiellose Trendwende: Zum ersten Mal in der 13-jährigen Geschichte der Erhebung überwiegen die Rückschläge bei den Menschenrechten von trans* Menschen in Europa und Zentralasien nun deutlich die Fortschritte. Dies deutet nicht nur auf massive Einschränkungen der Menschenrechte von LGBTQI Personen hin, sondern vor allem auf die Krise der Demokratie. Dies ist nicht nur ein kultureller Rückschritt, sondern ein strategischer Angriff auf die Grundfreiheiten, die Gleichheit, die Demokratie und auf Europa selbst.
Es ist davon auszugehen, dass die Einschränkung der Rechte von LGBTQI*-Personen und die Erosion von Bürger*innenrechten und demokratischen Institutionen sich gegenseitig verstärken. Eine Studie des Williams Institute, einem Think Tank der UCLA School of Law, untersuchte Daten aus 175 Ländern von 1981 bis 2020 und kam zu dem Ergebnis, dass an Orten, an denen Regierungen Anti-LGBTQ-Rhetorik verwenden oder Anti-LGBTQ-Maßnahmen ergreifen, andere Formen des demokratischen Rückschritts wie Einschränkungen unabhängiger Medien oder Einschränkungen der Versammlungsfreiheit wahrscheinlich sind.
Abwärtstrend bei öffentlicher Förderung von Zivilgesellschaft
Statt genau jetzt die Finanzierung für Frauenrechtsarbeit und feministische Arbeit zu stärken, um den Backlash dort zu bekämpfen, wo er sein Einfallstor findet, kürzen viele Staaten ihre Bildungs-, Kultur und Entwicklungsprogramme massiv zusammen. Gepaart mit dem Zurückfahren feministischer Ansätze in der Außen– und Entwicklungspolitik, hat das bereits nach wenigen Monaten sichtbare Auswirkungen auf die existentielle Grundversorgung von Frauen und Minderheiten weltweit. Auch in Deutschland werden wichtige Förderprogramme, wie z.B. Demokratie leben! oder die Kulturförderung in Berlin zusammengekürzt oder an Gesinnungsprüfungen gebunden. Die Folgen für die Resilienz von Demokratien und nachhaltige Friedensarbeit lassen sich aktuell nur erahnen.
Frauenrechtsorganisationen kämpfen ums Überleben
Besonders verheerend sind die Folgen für die Frauenrechtsarbeit und für feministische Bewegungen weltweit. Laut einer UN Women Studie vom Mai 2025 sind 90% der befragten Frauenrechtsorganisationen von den Kürzungen betroffen und 47% geben an, innerhalb der nächsten 6 Monaten schließen zu müssen, bzw. bereits geschlossen zu haben. Während die ohnehin chronisch unterfinanzierte und durch teils realitätsfremde Förderrichtlinien ausgebremste Menschen- und Frauenrechtsarbeit ums Überleben kämpft, stellt der neue „Next Wave“- Bericht des European Parliamentary Forum on Reproductive Rights im Sommer 2025 fest, dass die ca. 700 Mio. Euro, die zwischen 2009 und 2018 in die Antigender-Bewegung Europas geflossen sind, sich allein in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt haben und nun bei 1.18 Mrd. Euro liegen. Nicht nur steigt die Finanzierung für antidemokratische Projekte, sie ist häufig auch viel flexibler und unbürokratischer.
Finanzierung feministisch gestalten
Wie also können wir feministische und Frauenrechtsarbeit stärken und absichern im Angesicht des globalen Backlash? Wie können wir bereits bestehende Förderinstrumente und -töpfe schützen, und gleichzeitig neue, partizipative und flexiblere Fördermethoden aufbauen?
Hier lohnt ein Blick in den Globalen Süden, wo feministische Bewegungen schon seit einigen Jahren alternative Fördertöpfe nach dem Prinzip des Feminist Funding entwickeln und umsetzen. Denn auch schon vor der großen Entfinanzierungswelle von 2025 war zu wenig Geld für feministische und progressive Zivilgesellschaft da und das wenige Geld, das bei der Basis ankam, war an komplizierte Berichtwesen und kurze Projektzyklen gebunden.
Feminist Funding ist eine Finanzierungspraxis, die auf Verteilungsgerechtigkeit und Machtkritik basiert.
Sie befasst sich sehr genau mit der Macht, die mit Förderung einhergeht, mit der Frage, wie man diese im Prozess der Zuschussvergabe teilen kann und wie die Finanzierung dazu beitragen kann, Systeme der Ungerechtigkeit zu verändern. Sie stärkt Zivilgesellschaft dort, wo sie am stärksten unter Druck ist und baut nachhaltige Strukturen auf, ohne vorzuschreiben, wie genau diese Strukturen aussehen sollen.
Gelder dahin verteilen, wo Transformation und Krisen entstehen
Verortet ist Feminist Funding in einer jüngsten Welle experimenteller Visionen darüber, wie die Mittelausstattung besser auf die Krisen der Menschen und des Planeten reagieren können, indem sie die Bedürfnisse und Forderungen der Bewegungen, die ihnen entgegenwirken, in den Mittelpunkt stellen.
Bei der ersten Funding for Feminist Futures Konferenz vergangenen Oktober in Madrid, lud das „Walking the Talk“-Konsortium führende feministische Fördertöpfe, wie den Equality Fund aus Kanada oder Leading from the South, eine Globaler Süden-geführtes Konsortium ein. Vertreten warenaber auch Vertreter*innen von Entwicklungsministerien, um das Potential feministischer Förderpraxis in Zeiten geopolitischer Krisen und Umweltkatastrophen zu besprechen. Die entwickelten Empfehlungen sind deutlich: Kern- statt Projektfinanzierung, Entwicklung von Nothilfefonds für Frauenrechtsarbeit und Fokus auf partizipative Netzwerke statt einzelne Organisationen.
Risiko neu definieren
Die massiven Kürzungen und Hürden für Frauen- und Queerrechtsorganisationen sind Angriffe auf die Sicherheit unserer Demokratien. Genau diesen Akteur*innen eine ausreichende, flexible und an ihre Realitäten angepasste Finanzierung zu ermöglichen, kann Demokratien resilienter machen. Sie fördert soziale Gerechtigkeit und verringert oder verhindert so auf lange Sicht reale Sicherheitsrisiken wie rassistische, sexistische oder queerfeindliche Gewalt, Terrorismus und gewaltsame Konflikte.
Dabei geht es vor allem auch darum, Risiko neu zu definieren. Statt zu fragen, welches Risiko Stiftungen oder Ministerien eingehen, wenn sie ein von jungen Feminist*innen geführtes Netzwerk mehrjährig und ohne aufwendige Berichtspflichten unterstützen, sollte die Frage lauten: Was riskieren wir, wenn wir diese essentielle Demokratiearbeit nicht finanzieren? Wir müssen das Versagen, Geschlechtergerechtigkeit zu finanzieren als strategisches Risiko für uns alle verstehen, nicht als ein Nice-to-have in guten Zeiten.