Emanzipiert sind wir selber – die neuen Allensbach-Zahlen

Feministischer Zwischenruf

"Danke, emanzipiert sind wir selber", so heißt das Buch, das unsere Frauenministerin Kristina Schröder in ihrer Amtszeit schrieb. Frauen bräuchten keine Nachhilfe mehr, meinte sie. Sie seien schlau und fit genug, um ohne die olle Frauenpolitik über die Runden zu kommen. Dass eine amtierende Ministerin ihr Arbeitsgebiet für überflüssig erklärt, ist so oft auch noch nicht vorgekommen.

I love feminism
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"Danke, emanzipiert sind wir selber", so heißt das Buch, das unsere Frauenministerin Kristina Schröder in ihrer Amtszeit schrieb. Frauen bräuchten keine Nachhilfe mehr, meinte sie. Sie seien schlau und fit genug, um ohne die olle Frauenpolitik über die Runden zu kommen. Mehr noch, junge Frauen heute wollten nicht mehr politisch etwa durch Quoten beglückt werden. Ein gewisser Grusel überkam all diejenigen, die finden, geschlechterpolitisch müsse noch einiges passieren in diesem Land. Dass eine amtierende Ministerin ihr Arbeitsgebiet für überflüssig erklärt, ist so oft auch noch nicht vorgekommen.

Die Gretchenfrage lautet: für wen spricht die Ministerin? Für eine schweigende Mehrheit der Frauen in diesem Land, die Feministinnen schon immer unsympathisch fanden und Quoten geradezu kontraproduktiv? Oder doch eher für eine bestimmte Gruppe konservativer Frauen, die dem medial verkündeten Zeitgeist folgen. Denn das darf man nicht vergessen, die Mehrheit der Medien findet Geschlechterpolitik bestenfalls lächerlich, schlechteren falls erklären sie sie für gefährlich - weil sie angeblich "den neuen Menschen" heranzüchten soll und die „Identität von Jungen und Männern zerstören“ wolle. Ja, das sind Originalzitate aus Spiegel und Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung.

Heide Oestreich ist Redakteurin der taz, die tageszeitung und betreut dort vor allem die Geschlechter- und Gesellschaftspolitik. 2004 erschien von ihr das Buch "Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam". 2009 wurde sie vom Journalistenverband Berlin Brandenburg für ihre langjährige Berichterstattung über unbewußte Geschlechterklischees mit dem Preis "Der lange Atem" ausgezeichnet.

Dass die Medien, im Althochdeutschen der Dinosaurier-Feministinnen auch „Männermedien“ genannt, da eine etwas verzerrte Wahrnehmung transportieren, kann natürlich eine Schutzbehauptung der Emanzen sein. Allerdings sprechen für die Verzerrungs-These neuerdings wieder Zahlen: das Meinungsforschungsinstitut Allensbach, nicht gerade Bannerträger der feministischen Revolution, befragt alle paar Jahre für die feministische Zeitschrift Emma Frauen und Männer, wie sie es denn nun halten mit dem Feminismus und der Frauenpolitik. Und regelmäßig muss man über die Ergebnisse staunen. Über die Hälfte der befragten Frauen sehen einen zunehmenden Mangel an Gleichberechtigung, mehr als in den Jahren zuvor. Zwei Drittel aller repräsentativ befragten Frauen finden, dass in der Gleichstellungspolitik noch viel zu tun ist. Nur ein Viertel der Befragten meinte, dass sie die gleichen Karrierechancen haben wie Männer. Und sogar die Männer, die dazu neigen, die Geschlechterverhältnisse als prima anzusehen, waren zu 41 Prozent der Ansicht, dass für die Gleichberechtigung noch viel getan werden muss. Ja man könnte sagen, dass Männer mehr Gleichstellungspolitik wollen als unsere Frauenministerin.

Mit anderen Worten: ja, wir sind ein geschlechterpolitisch konservatives Land, aber im Gegensatz zu Kristina Schröder und einigen Herren in der Qualitätspresse hat doch eine Mehrheit der repräsentativ befragten Menschen den Eindruck, dass wir daran etwas ändern sollten. Ähnlich erstaunliche Ergebnisse zeigte im Jahr 2000 eine Allensbach-Umfrage für das Frauenministerium. Da wurde das Verhältnis zum ollen Feminismus erfragt. Und siehe da, noch in den postfeministischsten Zeiten um die Jahrtausendwende, reagierte über die Hälfte der jungen Frauen, die doch angeblich den Feminismus so attraktiv finden wie die deutsche Bundesbahn (Thea Dorn), „spontan positiv“ auf das F-Wort.

Auch die aktuelle Zahlen zeigen, dass es nicht nur unverbundene erratische Zeichen sind,wenn hier gegen Sexismus aufgeschrien wird, und es dort heißt: pink stinks. Oder Frauen eine Quote für die ökonomische Elite fordern, und zwar so vehement, dass die schließlich im CDU-Wahlprogramm landet. Dass die Quote für Aufsichtsräte tatsächlich ein Eliteanliegen ist, zeigen die Allensbachzahlen übrigens ebenfalls. Nur ein Viertel der befragten hielt sie für ein wichtiges frauenpolitisches Instrument. Dennoch, wenn man sich umschaut, sieht man, dass diese ominösen zwei Drittel, die meinen, man müsse sich wieder organisieren, dies nicht alle nur im Konjunktiv meinen.

Und noch etwas zeigt die aktuelle Befragung: der Lack ist ab, bei Kanzlerin Angela Merkel. Ja, immer noch sonnt sich das Land in dem Glanz, den so etwas fortschrittliches wie ein weiblicher Kanzler verströmt. Aber dass Merkel etwas für die Frauen tut, haben sich viele abgeschminkt. Fast 40 Prozent denken, dass Merkel sich nicht genug für Frauen einsetzt.Wer derart unter Aufbietung aller unionseigenen Kräfte zu einer Quote genötigt werden muss, taugt einfach zum feministischen Vorbild nicht.

Aber immerhin lässt Merkel sich schubsen. Was von Peer Steinbrück niemand ernsthaft erwartet: Kleine Erinnerung an Kanzler Schröder und das Gleichstellungsgesetz gefällig? Einkassiert, als es schon ausformuliert vorlag. Vielleicht sind Merkel und Schröder sogar irgendwie an dem Motivationsschub der weiblichen Hälfte der Bevölkerung beteiligt: sie tun nichts, also tun wir etwas. Zum Beispiel Politikerinnen unter Druck setzen. An dem Erfolg solchen Drucks können wir dann vielleicht in Zukunft sehen, wie „emanzipiert wir selber“ sind. „Danke, emanzipiert sind wir selber“ - und deshalb geht`s jetzt geschlechterpolitisch zur Sache.