Die Welt braucht den Feminismus nicht

Feministischer Zwischenruf

Die konservative "Welt" hat eine "Debattenreihe" zum Feminismus organisiert. Damit es richtig kontrovers wird, nimmt man erst mal den Mund ordentlich voll: "Die Feminismus-Debatte ist langweilig geworden. Wir wollen das mit Radikalpositionen verändern", schreibt die Redaktion. Wow!

Street Art: Feminism is for Lovers
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Feminismus ist mehr als "ungeschminkt, haarig, Utopien nachhängend, [...] verknittert und welk [...]."

Irgendwie müssen wir mal was mit diesem Feminismus machen, der neuerdings wieder in aller Munde ist. Das hat sich die konservative "Welt" gedacht und eine "Debattenreihe" organisiert. Damit es richtig kontrovers wird, nimmt man erst mal den Mund ordentlich voll: "Die Feminismus-Debatte ist langweilig geworden. Wir wollen das mit Radikalpositionen verändern", schreibt die Redaktion. Wow!

Ehm, aber wo sind die denn dann geblieben?

Am Anfang erklärt Mara Delius (Ja, das ist die Tochter vom F.C.), dass sie selbst den Feminismus natürlich nicht "braucht". Sie hat lediglich "feministische Momente", wenn sie sich die Riege mehr oder weniger alter Herren in den Leitungsfunktionen ihrer Redaktion ansieht sowie das Lohngefälle bedenkt. Vor allem aber nutzt sie Feminismus zur Selbstanalyse. Ein Feminismus, der nichts fordert und keine Analyse betreibt außer der der eigenen Psyche. Warum nicht? Vielleicht findet Frau Delius ja mal eine Frauengruppe, in der sie eine Art System hinter ihren Analysen entdecken, dann wäre sie immerhin auf dem Stand der 70er angekommen, als die Frauen mit "Consciousness-Raising" das Patriarchat in sich analysierten. Ach nee, die will sie ja nicht. Der 70er Jahre Feminismus dräut nämlich mit einen Typ Frau, die ist "ungeschminkt, haarig, Utopien nachhängend, die verknittert und welk sind wie sie selbst in ihrem sackigen Samtkleid." Radikal? Naja, radikal subjektiv vielleicht?

Heide Oestreich ist Redakteurin der taz, die tageszeitung und betreut dort vor allem die Geschlechter- und Gesellschaftspolitik. 2004 erschien von ihr das Buch "Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam". 2009 wurde sie vom Journalistenverband Berlin Brandenburg für ihre langjährige Berichterstattung über unbewußte Geschlechterklischees mit dem Preis "Der lange Atem" ausgezeichnet.

Ronja Larissa von Rönne nimmt ebenfalls sich selbst zum Beispiel. Frau von Rönne hat noch keinen Feminismus gebraucht, also brauchen wir ihn alle nicht. Sie betont mehrmals, dass sie Egoistin sei und mit dieser Haltung ist sie offenbar weit gekommen oder jedenfalls bis zur "Welt". Der Text ist eine Neuauflage von "Feministinnen jammern nur, selbstbewusste Frauen dagegen machen derweil Karriere". Und um die Distanz zu betonen: Der Feminismus "ekelt" Ronja Larissa von Rönne geradezu "an". Radikal subjektiv mit Ekelfaktor.

In der nächsten Folge denkt Hanna Lühmann, die dem Feminismus anderswo schon eine starke Führerinnenfigur wünschte, in großen Gesten über einige Versatzstücke nach: Bin ich eine schlechte Feministin, wenn ich über den Sexismus alter Männer nur lachen kann? Und "Macht die Möglichkeit des Übergriffs, die Reibung zwischen den Geschlechtern nicht die Tragik und Schönheit unserer Existenz aus?" Klar, Übergriffe machen auf jeden Fall die Schönheit unserer Existenz aus. Ist die Existenz nicht an sich ein bisschen politisch unkorrekt? fragt Lühmann. Also: Wieder radikal subjektiv, und dazu vielleicht ein bisschen Existenzialismus mit Fragezeichen.  

Ihr Ressortleiter Andreas Rosenfelder schließlich bekennt, dass er Feministinnen irgendwie interessant findet, die feministischen Debatten ihn aber innerlich leider völlig kalt lassen. Das Thema "löst in meinem vegetativen System einen Gähnreflex aus, den ich dann durch simulierte Aufmerksamkeit zu überspielen versuche". Na, das ist mal eine radikale Position! Dank Rosenfelder wird die Feminismus-Debatte auf keinen Fall einschlafen!

Tja, was nun? Feminismus ist ja im Prinzip dazu da, patriarchale Strukturen in der Gesellschaft zu erkennen und etwas dagegen zu tun. In der Welt-Serie aber taucht eine solche Analyse gar nicht auf: Die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern, etwa, die unbezahlte Arbeit der Frauen. Die Vorurteile gegenüber Frauen in der Arbeitswelt. Stereotype. Die Männer, die sich mühen und strecken, um in ein ziemlich starres Männerbild zu passen und damit zum unglücklichen Geschlecht werden (Sehen Sie sich mal die Geschlechterverteilung bei den Selbstmorden an). Die Frauen, die meinen, sie müssten aussehen, wie aus dem Katalog.

Mit anderen Worten: Wer sich mit Feminismus auseinandersetzt, muss sich mit gesellschaftlichen Strukturen beschäftigen. Wenn eine ganze Serie das so grandios verfehlt, was bleibt dann? Vier Egos, die ihre Befindlichkeiten lüften. Das aber radikal!