Ehegattensplitting: Die Zeit ist abgelaufen!

Eine Hochzeit des Geldes

Das Ehegattensplitting ist nicht mehr zeitgemäß. Ein Steuermodell, das in den 1950er Jahren als familienfreundliche Besteuerung angelegt war, trifft nicht mehr die heutigen Lebensrealitäten und geht an tatsächlichen Bedürfnissen gerade junger Familien vorbei. Vor allem aber steht es in der Kritik, weil es mehr Ungerechtigkeit als Gerechtigkeit schafft – Lebensverhältnisse haben sich geändert, Politik muss neuen Maßstäben gerecht werden. Auch und gerade Geschlechtergerechtigkeit ist ein immer wichtigerer Aspekt der Demokratie und deren Umsetzung zentrale Anforderung an Politik und Verwaltung.

Grundsätzlich gibt es zwei Wege, um für Verheiratete die Einkommensteuer zu ermitteln: entweder für jeden Partner einzeln oder gemeinsam veranlagt. Da die Steuerlast eines Paares bei der gemeinsamen Veranlagung aufgrund der mit zunehmendem Einkommen steigenden Grenzsteuersätze günstiger ausfällt als bei getrennter Veranlagung, ist dies das dominierende Modell. Bei der Besteuerung von zusammen veranlagten Ehepaaren wird zunächst das gesamte zu versteuernde Einkommen eines Ehepaares addiert und anschließend halbiert. Für diesen (halben) Betrag wird die Steuerschuld berechnet und anschließend verdoppelt. Durch dieses Verfahren wird die Progression des Steuersystems gemildert, sodass eine geringere Steuerlast entsteht. Die Differenz dieser vergünstigten Besteuerung gegenüber der Grundtabelle, also der individuellen Besteuerung einer Einzelperson, wird als Splittingvorteil bezeichnet. Der Splittingvorteil ist umso größer, je größer die Differenz der beiden Einkommen innerhalb der Ehe ist (siehe dazu auch Funktionsweise des Ehegattensplittings)

Die Kritikpunkte an dieser Vorgehensweise betreffen verteilungs-, aber vor allem geschlechterpolitische Folgen des Ehegattensplittings. Denn es profitieren besonders Ehepaare, die über ein hohes Einkommen verfügen, welches zudem möglichst asymmetrisch verteilt ist – also zum großen Teil oder ganz von nur einem Partner verdient wird. Es wird dadurch ein Modell der ehe-internen Arbeitsteilung bevorzugt, bei dem ein Partner weitgehend dem Erwerbsarbeitsmarkt fern bleibt – empirisch trifft dies meist Frauen. Kernpunkt der Kritik ist die vergleichsweise hohe Besteuerung des Zweitverdienstes innerhalb einer Ehe, welche eine Erwerbstätigkeit und damit eigenständige Existenzsicherung für den/die geringer verdienende(n) EhepartnerIn erschwert. Anschaulich ist dies in folgender [Abbildung, PDF] dargestellt.

Steuerpolitik

Politik steuert mit Steuern. Welche Steuern werden in welchem Umfang erhoben? Sind öffentliche Haushalte geschlechtergerecht? Die Forderung nach einer eigenständigen Existenzsicherung aller Individuen rückt deren Besteuerung in den Blick: Neben der Lohnschere zwischen den Geschlechtern werden auch Steuerunterschiede sichtbar. Steuern fördern oder begrenzen bestimmte Lebenskonzepte. Steuern können geschlechterungleiche Rollenzuweisungen fortschreiben: Hier steuern feministische und geschlechtergerechte Politiken dagegen

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