EU-Richtlinien

Vertrag von Lissabon

GESCHLECHTERPOLITIKEN DER EUROPÄISCHEN UNION (EU)

Übersicht:

Vertrag von Rom (1957)

Der Grundsatz der gleichen Entlohnung für Männer und Frauen wurde bereits 1957 mit dem Vertrag von Rom eingeführt. Im Rahmen der folgenden Schritte auf dem Weg zur europäischen Integration kamen weitere vertragliche Bestimmungen hinzu, die die Grundlage für ein europäisches Vorgehen festigten und erweiterten.
Vertrag von Rom in der konsolidierten Fassung von 2012

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Vertrag von Amsterdam (1997)

Einen wichtigen Durchbruch brachte der Vertrag von Amsterdam 1997, der die Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern zu einer der grundlegenden Aufgaben der EU erklärte. Er verpflichtete die Mitgliedstaaten auch, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Handlungsfeldern zu fördern. Schließlich führte er einen neuen Artikel ein, mit dem die EU die Befugnis erhielt, gegen alle Formen von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts – neben einer Reihe anderer Gründe – vorzugehen.

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EU-Verfassungsentwurf (2004)

Der EU-Verfassungsentwurf, der von den Staats- und Regierungschefs am 29. Oktober 2004 in Rom unterschrieben wurde, hätte den EG-Vertrag nur ersetzen können, wenn er von allen Mitgliedstaaten ratifiziert worden wäre. Nach dem Scheitern der Verfassungsreferenden in Frankreich und den Niederlanden war der Verfassungsprozess der EU massiv infrage gestellt. Die Verfassungsidee wurde in dieser Form nicht weiter verfolgt, der Reformprozess der EU wurde im Rahmen des Lissabon-Prozesses weiter geführt.

Der EU-Verfassungsentwurf enthielt ähnliche Bestimmungen wie der EG-Vertrag im Hinblick auf Gleichheit zwischen Männern und Frauen, aber er enthielt zusätzlich Verweise auf Gleichheit und Nichtdiskriminierung in der Vorschrift zu Werten innerhalb der EU und in der Charta der Grundrechte. Die Gleichheit von Frauen und Männern wurde explizit benannt in: „Werte der Union, Ziele der Union“ im Titel III „Gleichheit“ (Nicht-Diskriminierung, Gleichheit von Frauen und Männern) in den allgemein anwendbaren Bestimmungen und im Titel „Nichtdiskriminierung und Unionsbürgerschaft“ im Kapitel/Abschnitt „Sozialpolitik“.

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Vertrag von Lissabon (2007/2009)

Der Vertrag von Lissabon trat am schließlich 1. Dezember 2009 in Kraft (nach Verzögerungen der Ratifizierung in Irland und Tschechien). Mit ihm werden die Institutionen der EU modernisiert und ihre Arbeitsmethoden verbessert. Dies war angesichts der Erweiterung der EU notwendig geworden. Wichtige Veränderungen sind die Stärkung des EU-Parlaments sowie der nationalen Parlamente, die Einführung einer EU-Bürgerinitiative, erweiterte Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit, die Einführung eines EU-Präsidentenamtes, Einführung des Amtes eines Hohen Vertreters der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und eines Europäischen Auswärtigen Dienstes.

Ein bedeutendes Ergebnis des Lissabon-Vertrages ist auch die Stärkung der gemeinsamen Werte der EU und der Rechte der EU-Bürger_innen. Durch die Einbeziehung der Charta der Grundrechte in den Vertrag, erhält diese nun Rechtsverbindlichkeit, d.h. wird europäisches Primärrecht. In dem Vertrag und den vorangestellten Paragraphen zu den Werten und Zielen werden auch explizit die Gleichheit von Frauen und Männern und die Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern durch die EU benannt.

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EU-Charta der Grundrechte (2000)

Die im Jahr 2000 unterzeichnete EU-Charta der Grundrechte bekräftigt ein weiteres Mal das Verbot von Diskriminierungen und die Verpflichtung, die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen zu gewährleisten.

Der Vertrag von Lissabon verweist explizit auf die Charta und die nach Auffassung der EU unveräußerlichen Grundrechte, die den europäischen Bürgern gegenüber den Institutionen der EU und gemäß dem Gemeinschaftsrecht zustehen. Damit erhalten die in der Charta benannten Rechte Rechtsverbindlichkeit in der EU. Das bedeutet: Die Institutionen, Organe und Agenturen der EU sind gehalten, die in der Charta niedergelegten Rechte zu beachten. Dieselbe Verpflichtung gilt auch für die Mitgliedstaaten, wenn sie die europäischen Rechtsvorschriften umsetzen. Der Gerichtshof trägt Sorge für die Einhaltung der Charta. Durch die Einbeziehung der Charta ändert sich nichts an den Zuständigkeiten der EU, aber die Bürger_innen erhalten mehr Rechte und mehr Freiheiten.

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Charta für Frauen (2010)

Im März 2010 hat die EU-Kommission unter der Federführung der Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft, Viviane Reding, als politische Erklärung eine „Charta für Frauen“ präsentiert. Damit will sie ihr verstärktes Engagement für die Gleichstellung der Geschlechter in den kommenden fünf Jahren zum Ausdruck bringen. Sie bekräftigt die Verpflichtung der Kommission zum Gender Mainstreaming, d.h. zur Berücksichtigung und gezielten Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern in allen Politikfeldern. Insbesondere in der Strategie „EU 2020“ sollen Gleichstellungsaspekte volle Berücksichtigung finden. Die Charta ist eine Reaktion der Kommission auf die Forderung des EP, schärfer gegen Gewalt gegen Frauen vorzugehen.
Die Charta benennt fünf Schlüsselbereiche für Maßnahmen in den kommenden fünf Jahren:

  • Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt und wirtschaftliche Unabhängigkeit
  • Gleicher Lohn für gleiche bzw. gleichwertige Arbeit
  • Gleichberechtigte Beteiligung an Entscheidungsprozessen
  • Umfassendes politisches Konzept zum Schutz der Menschenwürde und der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen
  • Berücksichtigung der Gleichstellung auch in den auswärtigen Beziehungen zu anderen Ländern und internationalen Organisationen

In Konkretisierung der Charta und als Fortschreibung der Roadmap hat die Kommission im September 2010 eine neue Gleichberechtigungsstrategie (Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männer 2010-2015) präsentiert, die einen koordinierten Rahmen für Maßnahmen in sämtlichen EU-Politikbereichen bilden soll.

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Richtlinien zur Gleichstellung der Geschlechter und zur Anti-Diskriminierung (1970 – 2008)

Auf die von den Verträgen geschaffene Rechtsgrundlage gestützt, hat die Union seit den 70er Jahren 13 Richtlinien in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter verabschiedet. Sie betreffen die Gesetzgebung in den Bereichen: Gleichbehandlung in Arbeits- und Beschäftigungsfragen, schwangere Arbeitnehmerinnen/Elternurlaub, soziale Sicherung, Selbständige und Ehegatten, Zugang zu Gütern und Dienstleistungen.

  • Richtlinie über Lohngleichheit – 1975
    (75/117/EWG – ABl. L 45 vom 19.2.1975)
  • Richtlinie über Gleichbehandlung – 1976
    (76/207/EWG – ABl. L 39 vom 14.2.1976)
  • Richtlinie über Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit – 1979
    (79/7/EWG – ABl. L 6 vom 10.1.1979)
  • Richtlinie über Gleichbehandlung bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit – 1986
    (86/378/EWG – ABl. L 225 vom 12.8.1986)
  • Richtlinie über die Gleichbehandlung der Selbstständigen – 1986
    (86/613/EWG – ABl. L 359 vom 19.12.1986)
  • Richtlinie über schwangere Arbeitnehmerinnen – 1992
    (92/85/EWG – ABl. L 348 vom 28.11.1992)
  • Richtlinie zum Elternurlaub – 1996
    (96/34/EG – ABl. L 145 vom 19.6.1996)
  • Richtlinie zur Beweislast – 1997
    (97/80/EG – ABl. L 14 vom 20.1.1998)
  • Richtlinie über Gleichbehandlung in den Bereichen Beschäftigung, Beruf und Arbeitsbedingungen – 2002 (sog. Gender-Richtlinie)
    (2002/73/EG – ABl. L 269 vom 5.10.2002)
  • Richtlinie über Güter und Dienstleistungen – 2004 (sog. Richtlinie zur Gleichstellung der Geschlechter außerhalb der Arbeitswelt)
    (2004/113/EG – ABl. L 373 vom 21.12.2004)

2006 wurden mit der Neufassung der Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (2006/54/EG, 5.6.2006) einige der vorhandenen Richtlinien vereinfacht und modernisiert, indem sieben bestehende Bestimmungen durch einen einzigen umfassenden Text ersetzt werden.

Jahrelang lag der Handlungsschwerpunkt der EU im Bereich der Nichtdiskriminierung auf der Bekämpfung von Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und des Geschlechts. Mit dem Vertrag von Amsterdam (1997), Artikel 13 hat die Gemeinschaft neue Befugnisse bei der Bekämpfung der Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts, der Rasse oder der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung erhalten. 2000 wurden daraufhin zwei Anti-Diskriminierungs-Richtlinien in Kraft gesetzt:

  • die Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse (2000/43/EG) (sog. Antirassismus-Richtlinie).
    Sie verwirklicht den Grundsatz der Gleichbehandlung von Personen ohne Unterschied ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft.

und

  • die Richtlinie zur Gleichbehandlung im Bereich der Beschäftigung (2000/78/EG) (sog. Rahmenrichtlinie Beschäftigung).
    Sie schafft einen allgemeinen Rahmen für die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf.

Im Juli 2008 hat die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung verabschiedet. Der Vorschlag für die Richtlinie geht zurück auf die Prioritäten der erneuerten Sozialagenda und der Rahmenstrategie Nichtdiskriminierung und Chancengleichheit für alle. Sie soll Menschen vor Diskriminierung aufgrund ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer sexuellen Ausrichtung, ihrer Religion oder ihrer Weltanschauung schützen.

Die Umsetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in einer Richtlinie soll den vorhandenen Rechtsrahmen der EU mit den oben genannten Richtlinien ergänzen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung beinhaltet ein Verbot der unmittelbaren Diskriminierung und der mittelbaren Diskriminierung. Er gilt für alle Personen im öffentlichen und privaten Bereich sowie in den öffentlichen Stellen. Sein Geltungsbereich erstreckt sich auf den Sozialschutz (einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste), die sozialen Vergünstigungen, die Bildung sowie den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, wie Wohnraum und Transport.

Die Gleichbehandlungsrichtlinien der Europäischen Union auf den Seiten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS).

Weitere Links:

Einen Überblick zur EU-Gesetzgebung zum Thema Gleichstellung von Frauen und Männern schafft man sich unter: eurolex.europa.eu und eine weitere Übersicht der Genderaldirektion Justiz (englisch).

Zusammenfassung der EU-Gesetzgebung zum Thema Bekämpfung der Diskriminierung und weitere Übersicht der Genderaldirektion Justiz (englisch).

Geschlechtergleichstellungsrecht in 33 europäischen Ländern (Bericht vom Europäischen Netzwerk von Rechtsexpert_innen auf dem Gebiet der Gleichstellung von Frauen und Männern, Stand 2011)

Die aktuellste Ausgabe zum Geschlechtergleichstellungsrecht wurde im März 2014 abgelehent, ein Zeichen der Veränderung in der europäischen Sozialpolitik zu Ungunsten der Geschlechtergleichstellung.

Report on equality between women and men 2014

Report on progress equality between women and men 2013

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