Feminismus bringt die größten Massenproteste überhaupt auf die Straße

Feministischer Zwischenruf

Auch die feministische Streikbewegung ist gewaltig im Kommen – und sie kann tatsächlich alle Räder stillstehen lassen.

the word "Streik!" sprayed on a wall

Die größte Demonstration der US-Geschichte war eine Feministische: Millionen Menschen gingen nach der Amtseinführung von Donald Trump beim Women's March auf die Straße. In zahllosen Städten der USA und auf allen anderen Kontinenten richteten sich die Proteste nicht alleine gegen US-Präsident Trump und seine Politik, sondern sie kritisierten zugleich strukturellen Sexismus und Ungleichheit. Anknüpfend an diesen Erfolg wurde bereits kurz darauf, am 8. März 2017, der „Day without a Woman" begangen. Prominente feministische Stimmen wie Nancy Fraser und Angela Davis hatten dazu aufgerufen, am Internationalen Frauentag zu streiken und dabei sowohl die Lohn- als auch die Fürsorgearbeit niederzulegen. Ein „Feminismus der 99 Prozent“ wurde gefordert und damit an den erfolgreichen Slogan „We are the 99 percent“ der Occupy-Wall-Street-Bewegung angeknüpft inzwischen ist auch ein Buch dieses Titels erschienen, das von Fraser mitherausgegeben wurde.

Es sei nicht genug, wenn sich Feminist*innen gegen Trumps Rassismus und Sexismus stellten. Auch die neoliberale Politik müsse adressiert werden, deren Sozialabbau und unternehmensfreundliche Deregulierungen insbesondere Frauen hart treffen. Der feministische Streiktag, der inzwischen in vielen Länder zum 8. März begangen wird, verknüpft seither feministische Forderungen mit anderen Kämpfen. Mit riesigem Erfolg!

Inzwischen finden feministische Streiks in mehr als 50 Ländern statt

Als am 8. März 2018 in Spanien ein Generalstreik für die Gleichberechtigung von Frauen stattfand, nahmen unglaubliche fünf Millionen Menschen daran teil. Angesichts des hohen Mobilisierungsgrades mussten selbst die beiden größten Gewerkschaftsverbände Spaniens notgedrungen mitziehen. Damit wurde es nicht nur der historisch größte Frauenstreik, sondern der größte Streik, den es in Spanien und sogar Europa jemals gegeben hatte.

Die feministische Streikbewegung hat sich mittlerweile auf mehr als fünfzig Länder ausgeweitet. Folgerichtig spricht der Sammelband „8M – Der große feministische Streik“ von einer „transnationalen Bewegungswelle“. Sie nahm mit der „NiUnaMenos“-Bewegung („Nicht eine weniger!“) ihren Anfang, die sich 2015 in Argentinien formierte, um gegen Femizide und Gewalt gegen Frauen mobil zu machen. Heute ist die argentinische feministische Bewegung zur wichtigsten Oppositionsbewegung im Land angewachsen. 2018 versammelten sich zum Frauentag 700.000 Feminist*innen auf der Straße, und auch im vergangenen Jahr gab es beeindruckende Bilder der „grünen Flut“ auf den Avenidas in Buenos Aires. Grün symbolisiert dabei den Kampf für das Recht auf Abtreibung, mittlerweile steht die Farbe aber auch ganz allgemein für einen neuen feministischen Aufbruch in Lateinamerika. Auch die Farben Lila (Stopp der Gewalt) und Orange (für eine Trennung von Staat und Kirche) mischen sich in die Demonstrationen, die auch in Chile – in Santiago gingen am 8. März des vergangenen Jahres mehr als 200.000 auf die Straße – oder Brasilien stattfinden, wo die feministische Bewegung ebenfalls eine zentrale Oppositionskraft gegen Bolsonaro bildet. Auch in Mexiko gibt es Proteste, aktuell wird dort nach einer Reihe brutaler Frauenmorde ebenfalls ein nationaler Streik gefordert.

Und auch in Europa gab es in jüngster Vergangenheit, nicht allein in Spanien, sehr beeindruckende Erfolge zu feiern. So hat der Frauenstreik in der Schweiz 2019 alle Erwartungen übertroffen. Mit mehr als seiner halben Millionen Teilnehmenden war er sogar größer als der legendäre Schweizer Frauenstreik von 1991 – und damit die größte politische Aktion seit dem Generalstreik 1918.

Auch der „Schwarze Montag“, der ebenfalls als Streik ausgerufene Protest der Polinnen, konnte im Herbst 2016 das geplante Totalverbot von Abtreibungen tatsächlich verhindern. Und der Kampf dort geht weiter: „Unsere Streiks sind aktuell eine der mächtigsten Widerstandsbewegungen in Polen, und ständig planen wir neue Aktionen”, sagt die Streik-Mitorganisatorin Marta Lempart gegenüber der Deutschen Welle.

Generell erweist sich der Streik derzeit als effektives politisches Protestmittel, nicht umsonst spricht auch die „Fridays For Future“-Bewegung explizit von Klimastreik.
Und dass er insbesondere auch für Frauen Mittel der Wahl sein kann, beweisen beispielsweise nicht nur die erfolgreichen, und lange überfälligen, Pflegestreiks, die an der Berline Charité ihren Ausgang nahmen, sondern das lehrt auch die Geschichte.

Und dafür muss gar nicht Aristophanes' antike Komödie Lysistrata vom weiblichen Sexstreik bemüht werden. Auch in Deutschland gab es bereits 1994 einen Frauenstreiktag, der inzwischen leider fast vergessen ist, obwohl damals knapp eine Million Menschen daran teilnahm. Anlass damals war das Karlsruher Urteil zum Paragraphen 218. Denn das vorbildliche DDR-Abtreibungsrecht wurde nach der Wiedervereinigung ebenso wenig übernommen wie die Forderung nach mehr Frauenrechten in der gesamtdeutschen Verfassung.

Das Problem in Deutschland

„Alle Räder stehen still ...“ gilt schließlich ganz besonders für Frauenstreiks, denn es kann eben nicht nur die Lohnarbeit, sondern auch die Reproduktionsarbeit zu Hause bestreikt werden. Allerdings macht genau das den Frauenstreik auch so schwierig. Denn das deutsche Streikrecht verbietet den politischen Streik bei der Lohnarbeit. Das Bestreiken der Sorgearbeit wiederum verbietet sich durch die konkrete Lebenssituation oft von selbst, etwa bei einer Alleinerziehenden, die niemanden hat, der ihr Küchen- und Kinderdienst abnimmt.

Um hierzulande eine kritische Masse erreichen zu können, bräuchte es außerdem die Solidarität der Gewerkschaften. Und es braucht überall eine stabile feministische Solidarität untereinander, damit der bekanntlich oft schwierige Prozess der Allianzenbildung zwischen, mitunter sehr ungleichen, Akteur*innen gelingen kann.
Doch die vielen, vielen ermutigenden Beispiele zeigen: Diese feministischen Allianzen sind möglich.
Die feministische Theoretikerin Silvia Federici setzt deshalb große Hoffnungen in die Streikbewegung, nicht zuletzt wegen der nötigen Aushandlungs- und Verständigungsprozesse, die dabei stattfinden. Jetzt hat der Feminismus ein anderes Gesicht, das Viele ermächtigt“, sagt sie aktuell in einem an.schläge-Interview: „Es ist zwar ein schlechter Moment auf der Ebene der Politik, die überall faschistischer wird, aber ein guter Moment auf der Ebene der Bewegungen.“