Der unaufhaltsame Aufstieg des Rechtpopulismus

Feministischer Zwischenruf

Rechtspopulismus gab es immer, doch wird er mit jeder rechtspopulistischen Partei, mit jedem rechtsradikalen Präsidenten, mit jedem Nationalisten sicht- und spürbarer. Und das weltweit. Ich bin müde.

Demonstration #grenzenlos. United against racism.
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Demonstration #grenzenlos. United against racism.

Rechtspopulismus gab es immer, doch wird er mit jeder rechtspopulistischen Partei, mit jedem rechtsradikalen Präsidenten, mit jedem Nationalisten sicht- und spürbarer. Und das weltweit. Ich bin müde.

Ich bin nicht nur müde, ich bin erschlagen. Ich lese die Nachrichten und denke dabei: „Nicht schon wieder.“

Ich denke nicht schon wieder in Deutschland.

Ich denke nicht schon wieder die CSU (zum Beispiel beim Polizeiaufgabengesetz).

Ich denke nicht schon wieder die AfD (zum Beispiel mit dem Einzug in den Hessischen Landtag).

Ich denke nicht schon wieder Chemnitz.

Ich denke nicht schon wieder Trump (zum Beispiel mit seinen trans*feindlichen Politiken).

Ich denke nicht schon wieder in Brasilien (zum Beispiel beim Wahlsieg des rechtsradikalen Bolsonaros).

Wählbarkeit: Populismus und Demokratie

Konservative, populistische Einstellungen und Rechtspopulismus sind immer aktuell und zeitweise sogar trendy. Dann werden sie wählbar und scheinbar demokratisch tragbar, denn es wählt ja bekanntlich „das Volk“.

Dabei geht es nicht nur um das Erstarken rechtspopulistischer Parteien und Ideologien, vielmehr geht es auch um die vermeintlichen demokratischen Einstellungen. Diese sind es, die den Nährboden für den Aufstieg von Rechtspopulismus bieten. Konservativer Populismus und Rechtspopulismus verbindet die Behauptung demokratische Einstellungen zu vertreten. Beide polarisieren.

Sexismus, Rassismus und Homofeindlichkeit führen zum Wahlerfolg.

SPD, Grüne, Die Linken und FDP scheinen sich zwar zu bemühen, bedienen sich ebenso populistischer Äußerungen, zum Beispiel, wenn es um Themenstellungen wie Einwanderungspolitik, Asylrecht oder Europas Außengrenzen geht - siehe Buschkowsky und Sarrazin (SPD), Palmer (Grüne), Lindner (FDP) oder Wagenknecht (Die Linken). Oft weiß ich deswegen nicht mehr was nun politisch Mitte, Links bzw. Rechts ist: gefischt wird überall!

Olenka Bordo Benavides lebt in Berlin und ist Pädagogin, Sozialwissenschaftlerin und Mutter. Sie arbeitet im Bildungsbereich und ist als Dozentin und Teamerin tätig, sowie als Externe Evaluatorin zum Berliner Bildungsprogramm. Ihre Schwerpunkte sind Bildung, Care, Dekolonialität, Empowerment, Diskriminierungs- und Rassismuskritik, Gender, Identität, Inklusion und Transnationalität.

Rechts von der Union sollte es doch keine Partei geben

Zuletzt versuchte sich Innenminister Seehofer mit populistischen Aussagen, wie Migration sei die „Mutter aller Probleme“ diesem Trend anzuschließen. Ermöglicht in Bayern und die CSU ganz vorn mit dabei. Trotzdem verliert die UNION ihre Wählerschaft unter anderem auch an die AfD.

Ähnlich in Hessen. Die CDU ist vielen Wähler*innen nicht mehr konservativ genug. Schlimmer noch, die CDU steht durch „die Merkel“ für eine vermeintliche zu sanfte Integrationspolitik mit der „Öffnung der Grenzen“. Diese verzichtet nun auf eine erneute Kandidatur zur Parteivorsitzenden. Auch in dem lauten, respektlosen Streit mit der Schwesterpartei, genauer Seehofer vs. Merkel, war für viele in der CDU zu erkennen, dass Merkel weder „rechts“ noch „Mann“ genug sei, um die Bundesrepublik weiter zu regieren. Frau Merkel unterstützte zwar Annegret Kramp-Karrenbauer als mögliche Nachfolgerin. Doch für diese Position kommen, so scheint es mir, für die CDU, und das ist keine Überraschung, doch fast ausschließlich weiße Männer mittleren Alters infrage. Friedrich Merz zum Beispiel und ich erinnere mich sofort an seine „deutsche Leitkultur“ (2000): Populismus ist und bleibt trendy und wählbar, weil auf alle Fälle ja demokratisch legitimiert. Na dann, Prost Mahlzeit!

Immerhin war Angela Merkel die erste deutsche Bundeskanzlerin, was auch einen Erfolg darstellt: Es als Frau „geschafft zu haben“, sich innerhalb von konservativen, politischen Kreisen zu behaupten.

„Wenn es so weit ist“

Vor etwa drei Monaten hatte ich ein Gespräch mit einer weißen Bekannten, die zu mir sagte: „Wenn es so weit ist, gehe ich auf die Straße“. Damit meinte sie demonstrieren. Ich dachte mir schon damals, „Okay, es ist längst soweit“.

Ich traf sie ausgerechnet an dem Tag der deutschen Einheit wieder, rechtsextreme Gruppen sind in Berlin aufmarschiert.

Sie? Ging immer noch nicht auf die Straße. „Wann dann“, fragte ich mich.

Wann ist es „soweit“ für Dich? Für mich ist es längst „soweit“, es war Anfang der 90er bereits wieder „soweit“. Ich habe gar keine Wahl.

Wie lange wollen wir darauf warten, dass es auch für unser weißes Umfeld „soweit“ ist?

Ich lebe in einem Land, in dem es für viele Menschen sehr schlimm ist, wenn sich ein Fußballspieler mit einem autoritären Präsidenten ablichten lässt. Es aber ganz okay ist, wenn die Bundeskanzlerin sich mit demselben und anderen autoritären Staatsoberhäuptern trifft, etwa zum Syrien-Gipfel.

Ich lebe in einem Land, in dem eine Rolex mehr Empörung hervorruft als Rechtsextreme, die durch die Hauptstadt marschieren.

Ich lebe in einem Land, in dem Menschen sich mehr mit Kürbissen beschäftigen, als sich über Chemnitz (zu mindestens) aufzuregen.

Ich lebe in einem Land, in dem es nach Hoyerswerda, Mölln und Solingen, 2018 Chemnitz geben kann und es für viele immer noch nicht „soweit“ ist.

Wir brauchen Solidarität, Wachsamkeit und Widerstand

Ja, ich bin müde, aber wach.

Vorgestern las ich eine Devise, die aufgrund Bolsonaros Wahlsieg in Brasilien, in den Sozialen Medien kursiert: „Ninguém solta a mão de ninguém!“, zu deutsch „Niemand lässt die Hand der Anderen los!“

Ich war ergriffen. Diese Devise beinhaltet den Leitgedanken zusammen zu bleiben, aufeinander aufzupassen, achtsam zu sein und wach zu bleiben: widerständig zu sein. Solidarisch miteinander zu sein und aufeinander aufzupassen bedeutet (mittlerweile) Widerstand zu leisten.

Es ist solidarisch und widerständig sich zusammen zu tun, um auf die Straße zu gehen, um für die eigenen, aber auch für die Rechte anderer zu demonstrieren, zum Beispiel gegen restriktive Polizeigesetze oder homophoben Kampagnen.

Es ist solidarisch und widerständig sich gegenseitig zu informieren, welche Orte sicher sind und welche nicht.

Es ist notwendig und widerständig, ein Zeichen gegen Ungleichheit zu setzen, egal aus welcher Position wir agieren, das zeigt, dass wir wach bleiben, um füreinander da sein zu können.

Ich erinnere mich als Kind, das oft gehört zu haben: „nadie suelta la mano de nadie“ („Niemand lässt die Hand der Anderen los!) damals empfand ich das als anmaßend, heute weiß ich, dass es sehr wichtig ist, sich in gefährlichen bzw. bedrohlichen Momenten und Situationen nicht zu isolieren, sondern in Kontakt, solidarisch, wach und widerständig zu bleiben: Allianzen zu bilden.

In Zeiten, erneutem unaufhaltsamen Aufstieg von Rechtpopulismus braucht eine feministische Handlung gerade das: Allianzen, Solidarität, Wachsamkeit und Widerstand!