Editorial

Das Dossier Feminist Voices Connected fragt nach feministischen Strategien im Umgang mit globalen und lokalen Formen von Sexismus und Antifeminismus. Wir haben Wissenschaftlerinnen, Aktivistinnen, Anwältinnen und Künstlerinnen aus der ganzen Welt eingeladen, von ihren Erfahrungen zu berichten.

Illustration: Authors of Editorial

Feminismus, also die Arbeit für Geschlechtergerechtigkeit, sexuelle Selbstbestimmung und Demokratie, findet überall auf der Welt statt – egal ob sich Menschen als Feminist*innen bezeichnen oder nicht. Wir müssen nur hinsehen, zuhören und verstehen wollen. Wir müssen unsere Arbeit so erklären, dass Feminist*innen und überhaupt alle Interessierten in anderen Weltregionen verstehen können, worum es geht. Erst dann kann ein solidarisches Miteinander entstehen, das widerständig genug ist, um den weltweit ausbrechenden Kriegen, dem Aufstieg der Rechten und der zunehmenden sexualisierten Gewalt etwas entgegensetzen kann.

Denn auch antifeministische Bewegungen werden stärker, und sie sind besser organisiert und finanziert als viele denken. Sie zielen darauf, Rechte von und Freiräume für Frauen* und queere Menschen zu beschränken oder ganz zu kassieren. Im Namen der „klassischen Familie“ und einer angeblich besseren Welt von früher, wollen sie die Uhr zurückdrehen und setzten dabei auf autoritäres, völkisches oder religiös fundamentalistisches Denken und Handeln. Eine Gesellschaft der Vielen, die Teilhabe für alle vorsieht und transparente Aushandlungsprozesse verlangt, ist ihnen ein Graus. Antifeminismus ist damit grundlegender Bestandteil von rechtsextremen Bewegungen und der Klebstoff, der sowohl rechtsextreme Gruppierungen zusammenhält als auch eine Brücke in die konservativen Lager schlägt. Demokrat*innen sollten diesem politischen Phänomen große Aufmerksamkeit widmen.

Was bedeutet eine solidarische, feministische Haltung im Angesicht der vielen heutigen Kriege?

Das Dossier Feminist Voices Connected wirft Schlaglichter auf feministische Antworten und Strategien gegen globale und lokale Formen von Antifeminismus. Wir haben Wissenschaftler*innen, Aktivist*innen, Rechtsanwält*innen und Künstler*innen eingeladen, ihre Erfahrungen mit Sexismus und Antifeminismus, vor allem aber ihre Strategien zu deren Überwindung mit uns zu teilen. Stets begannen wir unser Gespräch mit der Frage: Welche sexistischen oder antifeministischen Geschichten und Erzählungen beschäftigen euch im Moment und warum? Anschließend baten wir die Expert*innen das Format zu wählen, in dem sie von ihren Erfahrungen und Gegenstrategien erzählen möchten. So ist ein Dossier entstanden, das Essays, Analysen, Interviews und Comics aus Afghanistan, dem afrikanischen Kontinent, Deutschland, Indien, Zentralamerika, dem Nahen Osten und der Ukraine miteinander verbindet. Gemeinsam ist uns der intersektionale Ansatz und das Ziel, Weißen Feminismus als Norm zu überwinden.

Als Initiator*innen von Feminist Voices Connected ist uns bewusst, dass ein transnationaler Dialog zu Feminismus und Menschenrechten dringend nötig, aber auch alles andere als einfach ist. Was bedeutet eine solidarische, feministische Haltung im Angesicht der vielen heutigen Kriege? Wie können wir unsere feministischen Strategien so erklären, dass sie für Interessierte aus anderen regionalen Kontexten zu verstehen sind? Was brauchen wir, damit wir einander zuhören können?

Unsere Beiträge sind vor dem brutalen Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 gegen Menschen aus Israel und dem daraufhin geführten Krieg in Gaza entstanden, dem so viele palästinensische Zivilist*innen zum Opfer gefallen sind. Umso mehr müssen wir fragen: Wie kann es uns gelingen, der Polarisierung auch zwischen Feminist*innen entgegenzuwirken, ohne darüber das Leiden in der Ukraine, in Afghanistan und anderswo zu vergessen? Inwiefern können wir kollidierende Narrative und Geschichtserzählungen miteinander versöhnen? Und: Welche Form des feministischen Widerstands brauchen wir, um die Allianzen aufrechtzuerhalten, die für einen zukunftsfähigen Planeten nötig sind?

Unser großer Dank geht an alle Beiträger*innen!

Ihr habt Euer Wissen, Eure Zeit und Kreativität so großzügig mit uns geteilt! Jedes einzelne Gespräch war wertvoll, und Eure Beiträge sprechen für sich.

Nichts hätte funktioniert ohne Munkhzul Togmid, Louisa Warth und Antonia Götte, die ein fantastisches Team gebildet haben in Sachen Finanzen, Kommunikation und Veranstaltungsmanagement.

Nichts weniger verdanken wir den Lektor*innen und Übersetzer*innen, allen voran Todd Brown, Kathrin Hadeler und Birgit Albrecht. Ein ganz großer Dank auch an Ipek Erdöl und Bilge Emir, die das Key-Visual für Feminist Voices Connected gemeinsam entworfen haben, und an Bilge für die wunderschönen Illustrationen. Petra Tesch hat das Dossier gebaut und uns geduldig durch viele technische Klippen navigiert.

Und: Johanna M. Keller, Galyna Kotliuk, Shoshana Liessmann, Dalia Othman, Marc-André Schmachtel und Claudia Zilla haben als Redaktionsboard dafür gesorgt, dass wir über die vielfältigen Themen und Perspektiven den Blick fürs große Ganze nicht verlieren und gleichzeitig textimmanente Details ernst nehmen.

Last but not least möchten wir uns bei Peter Kettner und Katja Kessing vom Auswärtigen Amt bedanken. Von Anfang an haben sie an dieses Projekt geglaubt, es begleitet sowie die Finanzierung möglich gemacht.

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Dieses Editorial ist Bestandteil des Dossiers Feminist Voices Connected.